Was ändert sich mit der
Reform für die Versicherten?

Fünf Fragen und Antworten zum geplanten Umbau der Sozialversicherungen

Die am Dienstag von der türkis-blauen Regierung präsentierte Kassenreform sieht eine Zusammenlegung der 21 Sozialversicherungen auf fünf vor. Doch was genau bedeutet das für die Versicherten, wenn es um Leistungen und Mitsprache geht?

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Sozialversicherung - Was ändert sich mit der
Reform für die Versicherten?

1. Wer bekommt eine neue Kasse?

Der Umbau betrifft fast alle Österreicher. Herzstück der Reform ist die Fusion der neun Gebietskrankenkassen zu einer Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), einer "Super-Kasse" mit über sieben Millionen Versicherten. Sie wird für die Krankenversicherung aller unselbstständig Beschäftigten, Pensionisten und Arbeitslosen zuständig sein. Ebenfalls zusammengelegt werden die Sozialversicherungen der Selbstständigen (SVA) und der Bauern (SVB) zu einer "Selbstständigen-Kasse" (SVS) sowie jene der Beamten (BVA) und jene für Eisenbahn und Bergbau zu einer "Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst und Schienenverkehr". Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) bleibt bestehen. Offen ist noch, was mit der Unfallversicherungsanstalt AUVA passiert – die Regierung verlangt von ihr bekanntlich Einsparungen von 500 Millionen Euro im Jahr. Sonst droht auch ihr die Auflösung.

2. Gibt es nun gleiche Leistungen für alle?

"Gleiche Beiträge für gleiche Leistungen" – so hat die Regierung ihr Vorhaben am Dienstag angepriesen. Das Ende also für unterschiedlich hohe Selbstbehalte und Zuschüsse. Gemeint ist damit aber nur eine Angleichung innerhalb der neu fusionierten Kassen. Unterschiedliche Leistungsniveaus wird es jedenfalls weiterhin für Beamte, Eisenbahner, Bauern und Selbstständige geben, deren Sozialversicherungen bestehen bleiben. Und auch die besonders vorteilhaften 15 Krankenfürsorgeanstalten für Landes- und Gemeindebedienstete bleiben unangetastet. Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) begründete das am Dienstag in der ZiB2 mit "anderen Versichertenstrukturen". Für sie habe Priorität, die Leistungen in der neuen ÖGK anzugleichen.

3. In welche Richtung werden die Leistungen "angeglichen"?

Für die Versicherten die wohl entscheidendste Frage: An welchem Niveau werden sich die neuen, einheitlichen Leistungen für Unselbstständige orientieren? Eher am bisher höchsten – oder droht einigen Bundesländern eine Absenkung auf ein niedrigeres Level? Manche Gebietskrankenkassen unterstützen beispielsweise bei einzelnen Behandlungen oder Heilbehelfen mit einem doppelt so hohen Betrag wie andere. Die Regierung gibt sich in dieser Frage noch sehr kryptisch. Diese Entscheidung liege bei den selbstverwalteten Versicherungen. Auch für Niederösterreichs Patientenanwalt Gerald Bachinger lässt sich die Richtung nicht pauschal vorhersagen. Er hofft aber, dass man sich künftig stärker an den im ASVG vorgebenen Kriterien "ausreichend" und "zweckmäßig" orientiert, und weniger an formalen Kriterien.

4. Wen treffen die Einsparungen?

Bis 2023 soll laut Plan durch die Reform insgesamt eine Milliarde Euro eingespart werden – also 200 Millionen Euro pro Jahr. Darüber, ob das ein realistisches Ziel ist, gehen die Meinungen weit auseinander. Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker hatte sich etwa sehr skeptisch gezeigt, dass diese Summe erreicht werden kann. Unabhängig davon bleibt die Frage, ob diese Einsparungen am Ende die Patienten treffen könnten, etwa durch längere Bearbeitungszeiten aufgrund von Personalabbau. Patientenanwalt Bachinger glaubt das nicht: "Durch die Zusammenlegung werden Reibungsverluste reduziert und Synergien können genutzt werden. Es muss ja zum Beispiel nicht neunmal einen eigenen Einkauf geben."

5. Was ändert sich durch die "Umfärbung"?

Ein vor allem von der SPÖ heftig kritisierter Teil der Reform sieht auch eine große Machtverschiebung innerhalb der Sozialversicherungen vor. Bisher stellten in den Gebietskrankenkassen die in ihnen ja auch versicherten Arbeitnehmer (über die Arbeiterkammer) 80 Prozent der Funktionäre in Vorstand und Generalversammlung. Daher sind diese Kassen großteils SPÖ-dominiert. In Zukunft soll das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern 1:1 sein, was in der neuen ÖGK im Ergebnis zu einer ÖVP-Dominanz führen wird. In der SPÖ spricht man laut "Standard" von der "größten Umfärbeaktion der Zweiten Republik". Was bedeutet das für die Mitsprache der Patienten? Die Arbeiterkammer warnt naturgemäß, "Kontrolle und Transparenz im Sinne der Versicherten" würden so "massiv verschlechtert und durch wirtschaftlich Interessierte ersetzt".