Nach der Affäre: So
angeschlagen ist das BVT

Ist das BVT noch handlungsfähig und welchen sicherheitspolitischen Aspekt hat die Causa? Der Terrorismusexperte Nicolas Stockhammer im Interview.

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Geheimdienst - Nach der Affäre: So
angeschlagen ist das BVT

News: Wie lässt sich die BVT-Affäre einordnen? Welches Ausmaß hat diese Causa?

Nicolas Stockhammer: Die Affäre ist in dieser sich derzeit entfaltenden Intensität sehr ernst zu nehmen, da der Ruf einer der wichtigsten Sicherheitsbehörden in Österreich auf dem Spiel steht. In mancher Hinsicht hat die Causa rund um Intrigen, Korruption, Interventionen und Verfehlungen gleichzeitig etwas von einer Operette aber auch von einem Shakespeare Drama an sich. Es geht um Einfluss und Machtinteressen rund um den maßgeblichen Inlands- Nachrichtendienst der Republik. Wer mischt im Inneren des Apparats mit, gibt es eine konkrete politisch motivierte Einflussnahme von außen? Lief in der Vergangenheit alles rechtmäßig ab, oder gab es Ränkespiele im Windschatten des Rechtsstaates? Diese Fragen stehen im Vordergrund der hitzigen politischen Debatten. Natürlich wird hier im medialen Diskurs auch etwas aufgebauscht und nicht selten vorderhand eine parteipolitische Verschwörung gewittert. Aber: All diesen Vorwürfen ist jedenfalls nachzugehen, da eine Aufklärung im höchsten öffentlichen Interesse liegt.

Ist das BVT aktuell denn noch handlungsfähig?

Das ist in jedem Fall zu bejahen. Es handelt sich um eine breit aufgestellte, funktional intakte Behörde, die noch dazu über 9 gleichsam autonome Landesämter verfügt. Aber: der gegenwärtige „Skandal“ kann sicherlich reibungslose Arbeitsabläufe behindern, bestehende Kooperationen beeinträchtigen oder aber auch insgesamt den Aktionsradius des BVT verkleinern.

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Sie sprechen es an - die Kooperationen. Inwiefern wirkt sich die Causa auf die internationale Zusammenarbeit aus? Gibt es aktuell eine Kommunikation zwischen den Geheimdiensten?

Schlichtweg negativ. Es handelt sich um einen massiven internationalen Vertrauensverlust, der der Behörde gerade von vielen Seiten widerfährt. Vertrauen ist die einzige und zugleich härteste Währung in diesem nicht immer sauberen Geschäft. Es wird lange dauern, diesen wieder zu kompensieren. Das Schlimmste ist das kontinuierliche Waschen von Schutzwäsche eines Apparats, der von einem Image als zuverlässiger Partner in einer Welt der berufsmäßigen Geheimniskrämerei lebt. Zudem ist das Offenlegen von Interna einem „Geheimdienst“ per se abträglich. Wie kann man da noch glaubhaft argumentieren, man sei ein zuverlässiger Hüter von Geheiminformationen, die einem Partner allenfalls zutragen? Vor allem, wenn die Behörde im Visier staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen steht. Keine erfreuliche Situation.

Und wird zwischen den Geheimdiensten aktuell noch kommuniziert?

Auf Arbeitsebene, sicherlich, wenngleich unter der Prämisse von Vertrauensverlust basierenden Einschränkungen aus den eben genannten Gründen. Man wird sich vielerorts hüten, in der jetzigen Situation sensible Daten mit einer im Visier von Investigationen stehenden Behörde zu teilen.

Kommen wir auf den sicherheitspolitischen Aspekt der Causa zu sprechen. Wie realistisch ist es, dass die Terrorgefahr nun durch die Affäre erhöht ist?

Die Terrorgefahr ist stets gleichbleibend hoch. Lediglich die Bekämpfungskompetenz bzw. -effektivität könnte durch einen geschwächten Apparat in Mitleidenschaft gezogen werden. Aus meiner Sicht ist dies momentan aber nicht der Fall, da eine Behörde auch im Falle von personellen Veränderungen und internen Ermittlungen in der Regel trotzdem systemisch funktionsfähig bleibt.

Und wer ist für die Terrorabwehr zuständig?


In Österreich das BVT mit seinen 9 Landesämtern als einschlägig befasste Polizeibehörde mit Sonderkompetenzen. Hier gibt es eine klare Behördenstruktur, untergliedert in Referate und andere Fachabteilungen. Unterstützt wird es in seinen Terrorismusabwehrbemühungen durch Kooperationen mit den beiden anderen hiesigen Nachrichtendiensten (HNaA, AbwA) sowie durch eine großflächige internationale Zusammenarbeit mit INTERPOL, EUROPOL, das FBI, sowie mit zahlreichen ausländischen Partnerdiensten.

Wer würde diese Lücke füllen, wenn das BVT wegfallen würde?

So etwas ist nur schwer denkbar. Das BVT ist eine feste Größe in der österreichischen Sicherheitslandschaft. Auch hier sind jedoch unter Umständen strukturelle Veränderungen, etwa was Kompetenzen und Synergien mit anderen nationalen Diensten betrifft, möglich und gegebenenfalls sogar sinnvoll.

Strukturelle Veränderungen; das BVT soll umgebaut werden. Inwiefern und wie schätzen Sie solch einen Umbau ein?

Das kann entweder ein Fluch oder ein Segen werden. Einigen Kommentatoren schwebt ein deutsches BND-Modell vor, wonach es einen „Superauslandsgeheimdienst“ in Österreich mit vereinten Kompetenzen in der auswärtigen Informationsbeschaffung („Auslandsspionage“) geben könnte. Hier gilt es Augenmaß und Vorsicht walten zu lassen. Denn Reformen in diesem Bereich sind zwar möglich, haben aber zugleich massive langfristige Auswirkungen. Man kann im Nachhinein nur schwer korrigieren, was eventuell systemisch falsch gedacht, konzipiert oder umgesetzt wurde.

Wer prüft in Zukunft dann das BVT?

Wie auch jetzt, vordergründig der zuständige Unterausschuss für innere Angelegenheiten im Parlament.

© Bundesheer/Christian Fahrngruber Nicolas Stockhammer, Terrorismusforscher an der Universität Wien

Im Video:
Anwalt Riedl zur BVT-Affäre

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