So sieht das
Budget im Börsel aus

Was das Doppelbudget 2018/19 dem Einzelnen tatsächlich bringen kann

Die Regierung freut sich über einen gesicherten Staatshaushalt für 2018 und 2019. Die Steuerzahler werden weit weniger Freude damit haben: Es werden weder größere Reformen angegangen noch tatsächliche Entlastungen vorgenommen.

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Budget im Börsel aus

Es könnte alles so einfach sein. Die Menschen in Österreich hätten bei der Nationalratswahl immerhin "für Veränderung in unserem Land gestimmt", wie Finanzminister Hartwig Löger seine Rede zum Doppelbudget 2018/19 im Parlament einleitete. Das ist für ihn Ansporn genug, am 93. Tag von Türkis-Blau -also knapp vor der obligaten 100-Tage-Grenze jeder Regierung - "eine neue Zeitrechnung in der Budgetpolitik des Landes" einzuleiten.

Nach seinen Plänen sollen schon 2019 die Einzahlungen die Auszahlungen um 541 Millionen Euro übersteigen -zum ersten Mal seit 1954, wie der Finanzminister nicht müde wird, zu betonen. Auch das strukturelle und das Maastricht-Defizit sollen künftig alle EU-Vorgaben erfüllen. Dazu kommt -und darüber ist Löger sichtlich erfreut -, dass Abgabenquote und Schuldenquote bis zum Ende der Legislaturperiode deutlich sinken werden. Löger:

"Unsere Kinder, Jugendlichen und jedes Neugeborene tragen einen Schuldenrucksack von rund 33.000 Euro." Das soll sich bis 2022 gravierend ändern. Und es ist ein Vorhaben, für das der Finanzminister von allen Seiten uneingeschränkten Applaus erntet.

Sehr gute Konjunktur

Das gilt allerdings nicht für alle Gebiete. "Die Regierung hat noch Hausaufgaben zu erledigen", sagt die stellvertretende Leiterin des Wifo, Margit Schratzenstaller-Altzinger. Denn in den größeren Reformbereichen Förderwesen, Föderalismus, Spitals-und Gesundheitswesen sei noch einiges zu tun. Der Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft der AK Wien, Markus Marterbauer, ist indes froh, "dass es zu weniger einschneidenden Maßnahmen gekommen ist als befürchtet".

Dass der Finanzminister in den kommenden Jahren eine dermaßen gute Entwicklung bei Abgaben und Schulden vorlegen kann, liegt zudem an der sich gut entwickelnden Konjunktur. 1,3 Milliarden Euro sind es, die das steigende Wirtschaftswachstum in die Staatskasse spülen soll, dazu kommen sinkende Arbeitslosigkeit und die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Dass außerdem das Ende der Bankenkrise erreicht ist und sie somit keine neuen Kosten verursacht, bringt weiteres Spielgeld. Der Rest auf 2,5 Milliarden Euro soll allerdings aus dem System selbst kommen. Besonderes Augenmerk will man dabei auf bisher nicht ausgeschöpfte Töpfe legen. "Wie man in der Verwaltung eine Milliarde einsparen will, muss man freilich noch konkretisieren", so Budgetforscherin Schratzenstaller.

Geht es allerdings darum, was für den einzelnen Bürger herausspringt, könnte das Resümee durchwachsener ausfallen. Denn auch wenn insgesamt 1,88 Milliarden Euro für Familienbonus, Flugabgabe, Arbeitslosenversicherungsbeiträge, Mietvertragsgebühren und eine gesenkte Tourismus-Umsatzsteuer budgetiert sind, bedeutet das ja nicht automatisch, dass sehr viel davon auch im Geldbörsel der Steuerzahler ankommt (siehe auch Bild auf den Seiten 30,31).

Besonders knifflig sind dabei vermeintliche Benefits, die dann aber doch nur einem Teil der Bevölkerung zugutekommen. Ein gutes Beispiel dafür ist der von der Regierung viel gepriesene Familienbonus: 1.500 Euro pro Jahr und Kind ohne Bedingungen klingt großartig. Vergleicht man es allerdings mit dem bisherigen System (2.300 Euro pro Kind und Jahr bei Vorlage entsprechender Belege), bleibt eine Differenz von zumindest 800 Euro jährlich. Dazu kommt, dass die Steuerersparnis nur an jene ausbezahlt wird, die über 1.500 Euro im Monat verdienen, Niedrigverdiener bekommen nur 250 Euro gutgeschrieben. "30 Prozent der Familien bekommen den Familienbonus damit nicht oder nur eingeschränkt", sagt AK-Experte Marterbauer. Außerdem reduziert sich der Betrag ab dem dritten Kind: "Dann bekommen gleich 40 Prozent das Geld nicht oder nur eingeschränkt."

Klarstellung zum Familienbonus:
Die Regierung wird mit 1,5 Milliarden Euro Familien fördern. Effektiv bekommen Familien damit sogar mehr als vorher durch das Absetzen von Kinderbetreuungskosten.

Umgekehrt bringt das Ende der Aktion 20.000, die Langzeitarbeitslose über 50 Jahren wieder in Beschäftigung gebracht hat, zwar ein Plus von 600 Millionen Euro, schickt die Betroffenen allerdings direkt zurück zum Arbeitsamt. Was zweifellos wieder neue Kosten verursacht.

Echte Vorteile aus den budgetären Umschichtungen ziehen damit wiederum vor allem Gutverdiener und Leistungsträger - und das ist von der Regierung auch so beabsichtigt. Denn, so der Finanzminister: "Unser Verständnis von Leistung bedeutet, dass man etwas dafür tut."

Wenig Integration

Für Asylwerber und im Land lebende Ausländer scheint das freilich nicht zu gelten. Denn sie sind es, die den größten Beitrag zu einem konsolidierten Budget leisten: So werden die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für Flüchtlinge um 130 Millionen Euro gekürzt, drei weitere AMS-Integrationstöpfe -die laut Löger bisher nur teilweise ausgeschöpft wurden - von 280 Millionen auf 110 Millionen geschrumpft. Allein im Asylbereich soll so eine halbe Milliarde eingespart werden. "Bei der Integration im Bildungssektor und am Arbeitsmarkt zu kürzen, ist nicht ganz unproblematisch und ökonomisch nicht hilfreich", analysiert Schratzenstaller. Marterbauer geht ebenso davon aus, dass diese Vorgehensweise "nur kurzfristig etwas bringt und mittelfristig Geld kostet".

Aber auch im Entwicklungshilfebereich ist man nicht ganz so glücklich über die Budgetzahlen. So soll bei der Auslandskatastrophenhilfe von 20 auf 15 Millionen Euro heruntergefahren werden. Im türkisen Wahlkampf war indes von einer Verdreifachung, im Regierungsprogramm immerhin noch von einer Aufstockung die Rede. Und auch bei der Hilfe vor Ort über die Austrian Development Agency kommt es 2018 nicht zu der versprochenen Erhöhung. Diese Entwicklung ist allein schon deswegen verwirrend, weil ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz im Wahlkampf die "Hilfe vor Ort" als das ideale Mittel angepriesen hatte, um die Flüchtlingsströme nach Europa zu stoppen.

Kein Hartz IV

Es gibt aber auch gute Nachrichten. So lässt sich aus dem vorliegenden Budget etwa nicht ablesen, dass die Regierung in den kommenden zwei Jahren einen Sozialabbau nach dem deutschen Vorbild Hartz IV vornehmen will. Dazu war angedacht, die Notstandshilfe in die Mindestsicherung überzuführen -mit zahlreichen (negativen) Folgen für die Betroffenen. "Das wäre ein großer Umbau des Sozialsystem, dazu müssen wahrscheinlich erst im Detail Überlegungen angestellt werden", vermutet Marterbauer.

Weniger gut ist, dass in den kommenden Jahren im Schulbereich offenbar keine größeren Reformen angedacht sind -zumindest keine, die Investitionen notwendig machen würden. Will Bildungsminister Heinz Faßmann also die sogenannten Brennpunktschulen (so werden Schulen genannt, die vornehmlich Kinder mit Migrationshintergrund besuchen) umbauen, muss er nachverhandeln oder aber andere Geldquellen finden. Vom Tisch ist das Projekt deshalb allerdings noch nicht, immerhin ist das Bildungsressort als einziges Ministerium vom allgemeinen Sparzwang ausgenommen. Ebenso wie offenbar Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Er bekommt, so hört man, ein Extra-PR-Budget von 15 Millionen Euro für seine Sport-und Beamtenagenden zugewiesen.


Die lang erwartete Entlastung soll dann aber 2020 kommen. Zu diesem Zeitpunkt plant die Koalition eine Steuerreform im Gesamtausmaß von 3,5 Milliarden Euro. Budgetexpertin Schratzenstaller bleibt in diesem Zusammenhang skeptisch: "Es gibt offenbar noch keine politische Einigung, wie diese Summe aufgeteilt wird." Es könnte also gut sein, dass sich auch dieses Vorhaben noch länger hinzieht.

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Es gibt Erleichterungen. Sie sind aber weder zahlreich noch besonders hoch dotiert.

» Kein Arbeitslosenversicherungsbeitrag Wer unter 1.381 Euro brutto verdient, zahlt nichts in die Arbeitslosenversicherung ein
» Geringere Flugabgabe Schon seit Jahresbeginn wird die Flugabgabe -zwischen sieben und 35 Euro je nach Strecke -halbiert
» Erhöhung des Universitätenbudgets Die Unis können mit 1,6 Milliarden rechnen. Das kommt den Studierenden und ihren Eltern zugute
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» Ausbau der Digitalisierung Allein für den Breitbandausbau wird eine Milliarde Euro bereitgestellt. Das steigert auch die Jobchancen

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Im Gegensatz dazu fällt einiges an Goodies weg. Das kann - auf Dauer - ordentlich ins Geld gehen.

» Neuer Familienbonus Im Gegensatz zu früher gibt es statt 2.300 nur noch 1.500 Euro pro Kind -und auch das nicht für alle Eltern
» Ende der Aktion 20.000 Die Maßnahme sollte älteren Langzeitarbeitslosen Jobs bringen. Nun sitzen sie wieder beim AMS
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» Reduktion von Integrationsmaßnahmen Im Integrationsbereich inklusive Asyl wird massiv gespart -mit ungeklärten Folgen