Brexit: Nein zu ungeregeltem EU-Austritt

May will noch einmal über Brexit-Vertrag abstimmen lassen

Das britische Unterhaus soll nach dem Willen von Regierungschefin Theresa May ein drittes Mal über das Brexit-Abkommen abstimmen. Einen entsprechenden Antrag will die Premierministerin den Abgeordneten am Donnerstag vorlegen, wie die Regierung am Mittwochabend mitteilte. Bei einem Nein will May bei der EU eine Verschiebung des Brexit über den 30. Juni hinaus beantragen.

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Das Unterhaus hatte zuvor einen EU-Austritt ohne ein Abkommen mit der EU abgelehnt. May hatte dabei eine neuerliche Niederlage hinnehmen müssen, wurde doch ein Abänderungsantrag knapp angenommen, wonach Großbritannien auf keinen Fall ohne Deal aus der EU ausscheiden solle. May hatte einen No-Deal-Brexit nur mit Blick auf das aktuelle Austrittsdatum 29. März ausschließen wollen. Letztlich sprachen sich am Mittwochabend 321 Abgeordnete dafür aus, ein EU-Goodbye ohne Abkommen grundsätzlich auszuschließen, 278 Parlamentarier stimmten dagegen.

Bei Nein, Brexit bis 30. Juni aufschieben

May kündigte kurz nach dem Votum im Unterhaus an, bis zum 20. März nochmals über den von ihr mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag abstimmen zu lassen. Ein entsprechender Antrag soll den Parlamentariern am Donnerstag vorgelegt werden. Sollte das Abkommen diesmal angenommen werden, werde May die EU-Staats- und Regierungschefs um einen kurzen Aufschub für den Brexit bis zum 30. Juni bitten, hieß es in der Vorlage.

Großbritannien an EU-Wahlen beteiligt?

Sollte das Abkommen erneut abgelehnt werden, will London beantragen, den Brexit über den 30. Juni hinaus zu verschieben. Dies hätte die Beteiligung Großbritanniens an der Europawahl im Mai zur Folge, hieß es in dem Antrag. Ein solches Szenario sei nicht wünschenswert, sagte May. "Aber das Unterhaus muss sich den Konsequenzen seiner Entscheidungen stellen."

Beobachter sehen in dem Vorschlag einen neuerlichen Versuch Mays, den Druck auf die Brexit-Hardliner zu erhöhen. Der Brexit-Deal war bereits Mitte Jänner im Unterhaus gescheitert und auch am Dienstagabend lehnten die Abgeordneten die Vorlage trotz weiterer Zusagen der EU mit großer Mehrheit ab.

Corbyn: Parlament muss "Kontrolle übernehmen"

Oppositionsführer Jeremy Corbyn sagte, das Parlament müsse nun "die Kontrolle übernehmen". Das Unterhaus müsse sich nun auf einen mehrheitsfähigen Kompromiss einigen, sagte der Chef der Labour-Partei, der sich für einen Verbleib Großbritanniens in einer Zollunion mit der EU stark macht.

Lage in Brüssel unverändert

Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte, Brüssel nehme die Abstimmung zum No-Deal-Brexit "zur Kenntnis". Die Lage sei aber unverändert. Um einen No-Deal vom Tisch zu nehmen, reicht es nicht, gegen einen No-Deal zu stimmen - man muss einem Deal zustimmen", erklärte die Sprecherin. "Wir haben einen Vertrag mit der Premierministerin vereinbart und die EU ist bereit, ihn zu unterzeichnen."

Maas: "Signal der Vernunft"

"Es ist ein Signal der Vernunft, das eben aus London gekommen ist. Das Unterhaus hat gezeigt, dass es mehrheitlich zumindest keinen No-Deal will", erklärte der deutsche Außenminister Heiko Maas. "Nun ist es aber für die Briten an der Zeit zu sagen, was sie genau wollen, um den Brexit-Deal auch wirklich zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Denn die Zeit läuft aus," schrieb er im Online-Dienst Twitter.

Einem britischen Antrag auf Verlängerung der Brexit-Frist müssten alle anderen 27 EU-Staaten zustimmen. Die EU knüpft dies aber an Bedingungen. Brüssel erwarte eine "klare Linie, bevor wir überhaupt über eine mögliche Verlängerung entscheiden", sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier vor der Abstimmung in London. "Das Vereinigte Königreich muss uns sagen, was es will." Auch Vize-EU-Kommissionspräsident Frans Timmermans betonte: "Die Lösung wird aus London kommen müssen."

Sinnhaftigkeit einer Verschiebung angezweifelt

Barnier äußerte Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Brexit-Verschiebung. Der Austrittsvertrag liege vor, die Verhandlungen seien beendet. "Wenn das Vereinigte Königreich noch immer die EU verlassen will und in geordneter Weise verlassen will, dann ist der Vertrag, den wir vereinbart haben, der einzige verfügbare Vertrag." Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schloss Änderungen an dem Abkommen erneut aus.

Der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Jens Geier, kritisierte das "monatelange Rumgeeiere" in London. "Das Unterhaus weiß nur, was es nicht will, nicht was es will", erklärte Geier. Ein Aufschub des Brexit ergebe nur dann Sinn, wenn sich die Verhandlungsposition der britischen Regierung ändere oder ein zweites Referendum anberaumt werde.

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