Zwölf Jahre Haft für Mord an Siebenjähriger in Wien-Döbling

Weil er am 11. Mai 2018 in Wien-Döbling ein siebenjähriges Mädchen aus der Nachbarschaft mit einem Halsschnitt getötet hat, ist am Donnerstagabend ein Jugendlicher am Landesgericht wegen Mordes zu einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zudem wurde der Bursch einen Tag vor seinem 18. Geburtstag in den Maßnahmenvollzug eingewiesen.

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Urteil - Zwölf Jahre Haft für Mord an Siebenjähriger in Wien-Döbling

Die Geschworenen folgten nach mehrstündiger Beratung mehrheitlich - mit 6:2 Stimmen - den psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann und Kathrin Sevecke und stuften auf Basis von deren Gutachten den Täter als zurechnungsfähig und damit als schuldfähig ein. Bei der Strafbemessung waren die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten, seine geständige Verantwortung und die krankheitsbedingte Einschränkung - der Bursch weist eine schwere Persönlichkeitsstörung auf - mildernd. Erschwerend wurden die Heimtücke der Tat, die Hilf- und Wehrlosigkeit des Opfers und das "eiskalte Nachtatverhalten" berücksichtigt, wie Richter Norbert Gerstberger ausführte.

»Ich hab's getan, ich gebe es zu«

Im Hinblick auf die Gefährlichkeit, die den Psychiatern zufolge aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur dem Jugendlichen innewohnt und die ohne entsprechende Therapie weitere Straftaten mit schweren Folgen befürchten lässt, wurde vom Gericht die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verfügt. In dieser wäre selbst nach Verbüßung seiner Strafe die weitere unbefristete Anhaltung des jungen Mannes möglich, falls er von Experten als weiterhin gefährlich angesehen wird. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig. Verteidigerin Liane Hirschbrich meldete dagegen unverzüglich Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab.

Jugendlicher hört Stimmen

"Ich hab's getan, ich gebe es zu", hatte der Bursch zu Beginn der Verhandlung erklärt. Die Tat habe aber "ein anderes Ich" begangen. Seit seinem achten Lebensjahr höre er innere Stimmen. Manche würden beruhigend und Rat gebend auf ihn einwirken. Es gebe aber auch imperative Stimmen. Diese hätten ihm befohlen, das siebenjährige Mädchen zu töten.

Interessant: So äußert sich Schizophrenie

"Weil ich es nicht tun wollte, hatte ich ein Black-Out. Und dann ist es passiert", schilderte der Jugendliche, der - wie bereits beim ersten Prozess im Dezember 2018 - in einer schuss- und stichsicheren Weste vor die Geschworenen trat. Im Verhandlungssaal hatten sich mehrere bewaffnete Sicherheitskräfte postiert, vor dem Saal war eine mobile Metallschleuse installiert worden. Gegen den Täter waren nach seiner Festnahme Todesdrohungen aus dem Umfeld des Opfers ausgestoßen worden, ein Kopfgeld von 50.000 Euro wurde auf ihn ausgesetzt. Das Bedrohungsszenario soll auch seine Verteidigerin mitumfasst haben.

Bluttat in Wohnung des Jugendlichen

Zu der Bluttat war es in der Wohnung gekommen, in der der Jugendliche mit seinen Eltern und einem jüngeren Bruder lebte. Das sieben Jahre alte Mädchen kam regelmäßig zu Besuch. "Sie hat mit uns gespielt, gegessen. Ich mochte sie", verriet der Angeklagte den Geschworenen. Nachdem er sie mit einem Messer getötet hatte, hatte er die Leiche in einem Müllcontainer in der Wohnhausanlage abgelegt. Am nächsten Tag wurde die Tote gefunden. Am 14. Mai 2018 wurde über den Jugendlichen die U-Haft verhängt. Knapp ein halbes Jahr später wurde er am Landesgericht wegen Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt und im Hinblick auf die ihm fachärztlich bescheinigte schwere Persönlichkeitsstörung in den Maßnahmenvollzug eingewiesen.

Weil sich aber im ersten Rechtsgang zwei psychiatrische Gutachter nicht einig waren, ob der Bursch zurechnungsfähig war, und das Erstgericht zur Klärung dieser Frage auf die Einholung eines Obergutachtens verzichtet hatte, hob der OGH das Urteil in weiterer Folge teilweise auf. Der Schuldspruch wegen Mordes wurde bestätigt, jedoch wurde eine neue Verhandlung zur Überprüfung der Zurechnungsfähigkeit angeordnet und eine dritte psychiatrische Sachverständige bestellt.

Täter war zurechnungsfähig

Die "Obergutachterin" Kathrin Sevecke, Leiterin der Innsbrucker Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, bescheinigte nun im zweiten Rechtsgang dem im Tatzeitpunkt 16-Jährigen Zurechnungsfähigkeit. Dieser weise eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstistischen und hartherzig-emotionslosen Zügen sowie Zwangsstörungen auf, sei aber schuldfähig, pflichtete sie dem Erstgutachter Peter Hofmann bei.

Die inneren Stimmen sowie eine real nicht existierende "Antonia", von der der Angeklagte ausführlich berichtet hatte ("Für mich ist sie echt. Sie ist schon immer in meinem Leben da"), seien keine Symptome für eine im Kindesalter aufgetretene Schizophrenie, betonte Sevecke. Sie sprach von "imaginierten Phänomen" und einer "fantasierten Begleitung", die sie auf den exzessiven Medienkonsum des Burschen zurückführte, der in seiner Schulzeit oft über Stunden hinweg japanische Manga-Serien angeschaut hatte. Speziell "Death Note" - die erklärte Lieblingsserie des Schülers - , aber auch andere Anime dürften "mit dazu geführt haben, dass er den 'Thrill des Tötens' erleben wollte", heißt es in Seveckes 150 Seiten umfassendem schriftlichen Gutachten.

5.000 Euro für Angehörige der Toten

Der bald 18-Jährige identifizierte sich demnach mit Light Yagami, dem zentralen Protagonisten in "Death Note", der als bester Schüler Japans mithilfe eines Buches übernatürliche Kräfte erlangt und - begleitet vom Todesgott Ryuk - zu töten beginnt, um seinem Gerechtigkeitsideal Genüge zu tun. Unter dem Einfluss dieser und ähnlicher Mangas und Animes entwickelte er den Ausführungen der Sachverständigen zufolge eine Persönlichkeitspathologie, in der sich Inhalte wie in "Death Note" widerspiegeln und die laut Sevecke "ein Stück das Tatgeschehen verstehbarer machen können".

Die Angehörigen des umgekommenen Kindes bekamen formell 5.000 Euro zugesprochen. Mit dieser Summe hatte sich ihr Rechtsvertreter Nikolaus Rast dem Verfahren als Privatbeteiligter angeschlossen.