Mit sieben Wahlgeschenken in den Sommer

Kurz vor Ferienbeginn wollten sie es allen also noch einmal beweisen, die Politiker

Und die Regierung arbeitet doch. Oder lässt es uns zumindest glauben. So wurden noch schnell vor dem Sommer zahlreiche Gesetzesänderungen durchs Parlament geschleust. Manche sind nichts weniger als kleine oder auch große Geschenke vor dem Wahlgang im Herbst.

von
Wahlkampf - Mit sieben Wahlgeschenken in den Sommer

Kurz vor Ferienbeginn wollten sie es allen also noch einmal beweisen, die Politiker. Dass sie doch wissen, wofür sie gewählt wurden und zumindest einiges von dem, was sie ihren Wählern versprochen haben, doch halten können – Neuwahlen und Koalitionsstreitigkeiten hin oder her.

Also durchliefen in den letzten Wochen vor der Sommerpause einige Gesetzesentwürfe im Schnelldurchlauf die Gremien des Nationalrats – mit höchst unterschiedlichen Auswirkungen: So wurden sowohl langgehegte Erwartungen erfüllt als auch gegen innerparlamentarischen Widerstand wilde Zugeständnisse gemacht.
Sieben Projekte aus diesem Sammelsurium und ihre Nutznießer beleuchten wir hier etwas näher:

AKTION 20.000: 778 Millionen Euro für 20.000 Jobs
Die Aktion 20.000 ist Teil einer Beschäftigungsoffensive der Bundesregierung. Zielgruppe „einer der ehrgeizigsten Arbeitsmarktinitiativen der vergangenen Jahrzehnte“, so Sozialminister Alois Stöger voller Stolz, sind 20.000 Langzeitarbeitslose über 50 Jahre. Ab 1. Jänner 2018 sollen sie bei Gemeinden, in gemeindenahen Bereichen und gemeinnützigen Organisationen Arbeit finden – finanziell unterstützt mit Steuergeld im Ausmaß von insgesamt 778 Millionen Euro in den kommenden zwei Jahren. Es soll sich dabei um neue, zusätzliche Stellen in allen Branchen und für alle Qualifikationsniveaus handeln. Einige Modellregionen starten sofort mit der Umsetzung: Die Bundeshauptstadt schreibt bereits jetzt 200 Stellen aus, etwa beim Magistrat selbst als auch beim Kuratorium Wiener Pensionistenwohnhäuser, dem Wiener Stadtgartenamt oder bei den Wiener Bädern.

BESCHÄFTIGUNGSBONUS: Zwei Milliarden Euro für 150.000 Stellen
Als Ergänzung zur Aktion 20.000 zielt der zweite Teil der Arbeitsmarktoffensive – der Beschäftigungsbonus – auf alle Arbeitnehmer ab. Mit Zuhilfenahme von zwei Milliarden Euro an öffentlichem Geld sollen 150.000 neue Arbeitsplätze bei 30.000 heimischen Unternehmen geschaffen werden. Außerdem wird Unternehmen drei Jahre lang die Hälfte der Lohnnebenkosten erlassen, wenn diese drei neue Mitarbeiter aufnehmen. Die von der staatlichen Förderbank AWS ausbezahlte Förderung soll ebenfalls unabhängig von Branche und Betriebsgröße fließen. Experten sehen dieses Projekt eher kritisch. Der Leiter des Wirtschaftspolitischen Zentrums Wien, Christian Keuschnigg, meint sogar, es hätte für das Geld „viele andere wichtige Verwendungen gegeben, die der Beschäftigung länger dienen würden“.

PFLEGEREGRESS: 100 Millionen Euro für 40.000 Familien
Der Pflegeregress war ebenfalls ein großes Zugeständnis der letzten Junitage dieses Jahres. Denn damit gehört die Vorgehensweise einzelner Bundesländer, sich von Angehörigen und Pflegebedürftigen einen Kostenersatz oder gar ganze Vermögenswerte als Kostenersatz für die Heimpflege zurückzuholen, endgültig der Vergangenheit an. Während die Maßnahme nach Minister Stöger eine deutliche finanzielle Erleichterung für 40.000 betroffene Familien bedeuten wird, wird der Staatshaushalt im Gegenzug stark belastet: 100 Millionen Euro schüttet der Bund an die betroffenen Bundesländer aus, die Kosten für ganz Österreich dürften sich freilich auf bis zu 200 Millionen Euro im Jahr belaufen. Ab 2019 muss dieser Budgetposten daher auch bei den Finanzausgleichsverhandlungen mitbeachtet und mitberechnet werden.

BILDUNGSREFORM: 91.000 Lehrer für 1,5 Millionen Schüler
Das lange verhandelte Schulautonomiepaket ist nun ebenfalls unter Dach und Fach. Die Kosten dieses Langzeitprojekts lassen sich aufgrund seiner langen Dauer nur schwer abschätzen, im Vorfeld wurde allerdings immer wieder davon gesprochen, dass die Maßnahme „kostenneutral“ ablaufen soll. Prinzipiell gibt die Gesetzesänderung den Schulen mehr Spielraum bei der Gestaltung von Unterricht und Schulverwaltung. So können sich bis zu acht Schulen zu einem Cluster zusammenschließen und neue Lehrer auch selbst aussuchen. Damit werden auch Gruppengrößen variabel festgelegt und Förderprogramme individualisiert. Die Klassenzahlenobergrenze mit durchschnittlich 25 Schülern bleibt allerdings bestehen. Vorerst wird das Konzept allerdings nur in Modellregionen sowie in maximal 15 Prozent aller Schulen der fünften bis zur achten Schulstufe erprobt. Auf lange Sicht sollen aber alle 1,5 Millionen Schüler in Österreich – und ihre 91.000 Lehrer – davon profitieren, so hofft man.

INSOLVENZRECHT: Schuldenfrei mit null Prozent in fünf Jahren
Es ist ein Problem, das gerne totgeschwiegen wird: Schulden. Wenn die Last allerdings zu hoch wird, bleibt oft nur noch der Weg zur Schuldnerberatung und in die Privatinsolvenz. Fast 60.000 Menschen sind diesen Weg im Vorjahr gegangen, um einen Weg aus der Schuldenfalle zu finden. Die Dunkelziffer an Betroffenen dürfte allerdings noch weit höher sein. All diesen Menschen bietet die soeben beschlossene Novelle des Insolvenzrechts einen weiteren Ausweg. So wird künftig eine vollständige Entschuldung bereits nach fünf statt bisher sieben Jahren möglich sein. Und die Mindestquote der Rückzahlung von bisher zehn Prozent wird auf null gesetzt. Die Schuldnerberater jubeln ob dieser Neuerung, die Kreditschützer bezweifeln allerdings die Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme. Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer von Creditreform: „Die Gläubiger werden mit Risikoaufschlägen die drohenden Verluste einpreisen, womit wieder alle jene die Differenz zahlen, die brav und pünktlich ihre Rechnungen begleichen.“

MINDESTLOHN: 1.500 Euro für 300.000 Menschen
Mit dem Mindestlohn für alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist eine langjährige Forderung der Arbeitnehmerseite erfüllt. Künftig sollte damit sichergestellt sein, dass in allen Branchen mit Kollektivvertrag kein vollzeitbeschäftigter Mitarbeiter weniger als 1.500 Euro brutto im Monat verdient. Es bleiben allerdings zwei Wermutstropfen: Branchen ohne Kollektivvertrag können auch weiterhin diesen Betrag unterbieten und auch die Arbeitszeitflexibilisierung – bei deren Verhandlungen der Mindestlohn stets als Faustpfand benutzt wurde – bleibt ungelöst. Insgesamt sollen 300.000 Menschen auf diese Weise mehr als bisher verdienen.

UNIVERSITÄTENFINANZIERUNG: 1,35 Milliarden Euro für 280.000 Studierende
Eine ordentliche Finanzspritze für die Universitäten sorgte mitten im Schulschluss für einen ordentlichen Knalleffekt. Die SPÖ scherte damit erstmals aus dem Koalitionspakt mit der ÖVP aus und genehmigte mit ihren Stimmen eine Erhöhung des Unibudgets um 1,35 Milliarden Euro für jedes Jahr der Periode 2019 bis 2021. Die öffentlichen Hochschulen (Fachhochschulen und Privatunis sind nicht inkludiert) können die Mittel grossteils autonom verwenden. Wofür genau, ist allerdings noch nicht ganz klar. Von Seiten der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) wünscht man sich, dass das Geld überwiegend den mehr als 280.000 Studierenden zugute kommt. ÖH-Sprecher Florian Berger hätte vor allem gerne „bessere Betreuungsverhältnisse und damit einhergehend bessere Studienbedingungen“. Mit 1,35 Milliarden dürfte einiges machbar sein.

Kommentare