Vorbild
Schüssel

Schweigen. Das ist eine große Gemeinsamkeit, die man an Wolfgang Schüssel und seinem "Erben" Sebastian Kurz feststellen muss.

von Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Schweigen: Das ist neben der Wahl des blauen Koalitionspartners die große Gemeinsamkeit, die man an Wolfgang Schüssel und seinem "Erben" Sebastian Kurz feststellen muss. Schüssel hätte zwar intellektuell bei jedem Thema bestehen können, zog es aber vor, sich rar zu machen. Wortspenden gab es, wenn es ihm ins Konzept passte. Zu den Turbulenzen mit den unerfahrenen FPÖ-Ministern schwieg er konsequent. Dieses Schweigen hat Kurz übernommen - die Probleme mit der FPÖ hat er ja, wie zu erwarten war, auch schon.

Was Schüssel ebenfalls vorgemacht hat: Den Parlamentsklub der ÖVP verdonnerte er zu absoluter Disziplin. Immerhin stellte er mit Andreas Khol einen gewandten und überzeugten Parlamentarier dafür ab, die anfangs noch widerspruchsfreudigen Abgeordneten in den Griff zu bekommen. Vom Parlament erwartete er, die Reformen, die er mit der FPÖ in der Regierung durchpeitschte, auch durchzuwinken.

So hätte es Sebastian Kurz auch gerne. Viele der von ihm ausgesuchten Abgeordneten folgen ihm ohnedies bedingungslos. Von den anderen wird erwartet, dass sie sich nach Bedarf verbiegen. Bisher hat er dem Parlament eher wenig Wertschätzung entgegen gebracht, wie auch die Kurzzeit-Präsidentschaft Elisabeth Köstingers zeigt. Jene 28 ÖVP-Nationalratsabgeordneten, die 2015 für ein absolutes Rauchverbot in Lokalen gestimmt hatten und heute noch im Parlament sind, sollen demnächst einfach das Gegenteil beschließen. Disziplin ist in der ÖVP wichtiger als das freie Mandat. Und schweigen sollen auch jene Abgeordneten, die die Aufhebung des Rauchverbots für rückschrittlich und verantwortungslos halten.

Wenn sie es tun, dann vielleicht wegen einer dritten Gemeinsamkeit zu den Schüssel-Jahren, auf die so mancher in der ÖVP hofft und vor der sich manche FPÖler fürchten: 2002 hatte sich die FPÖ in der Regierung aufgerieben. Die internen Differenzen zwischen jenen, die an der Macht bleiben wollten, und jenen, denen die alten Oppositionsmuster lieber waren, ließen Partei und Koalition platzen. Schüssel ging in Neuwahlen und nahm der FPÖ einen Gutteil ihrer Wähler ab.

Wie damals ein Vierer vor dem Wahlergebnis, damit rechnen manche in der ÖVP jetzt auch schon insgeheim, sollte das türkis-blaue Projekt doch nicht auf zwei Legislaturperioden angelegt sein. Die FPÖ wird in vielen Themen ihre Protestwählerschaft enttäuschen. Und die ständigen "Einzelfälle" und Fettnäpfe der Blauen könnten manche ihrer Wähler zu Ansicht bringen, dass diese Partei nicht regieren kann. Mit dieser Perspektive schweigen die Türkisen weiter gern. Und sollten nicht vergessen: Auch Wolfgang Schüssel war irgendwann durch seinen Regierungspartner FPÖ beschädigt.

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