Tracht: Pro und Contra

Die traditionelle Bekleidung polarisiert

Traditionell, österreichisch und historisch - das alles verkörpert Tracht. Doch die spezielle Bekleidung ist nicht jedermanns Sache. Was für und was gegen die teils polarisierende Trachtenmode spricht.

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Brauchtum - Tracht: Pro und Contra

PRO Tracht:
Als steirisches Kind vom "Lande" steckt man schon von klein auf bei feierlichen Anlässen im Dirndl oder in der Lederhose. Aber das Kind wird irgendwann älter und zieht in die Stadt. Das Dirndl wird eingetauscht gegen alltagstaugliche Jeans und Blusen oder was sonst gerade den Modetrend bestimmt - aber in Vergessenheit gerät es nicht. Unvergesslich bleibt auch der Auftritt meines Vaters in Lederhosen - in einem Wiener Studentenheim: Ja, so etwas sehen Wiener nicht alle Tage und Austausch-Studenten aus dem Ausland sowieso nicht ("look, this funny pants").

Und erst dann wird einem so richtig bewusst, dass die Tracht nichts Selbstverständliches ist, sondern auch in Österreich etwas Besonderes sein kann, manchmal fast schon exotisch. Gerade deshalb tragen viele junge Menschen heute noch wahnsinnig gerne Tracht und das mit einem gewissen Stolz: zu speziellen Anlässen, wenn es feierlich sein soll, heimatverbunden oder wenn man sich einfach danach fühlt; egal ob Tracht jetzt gerade als Modetrend angesagt ist - siehe Oktoberfest und Co. - oder nicht.

» Ein Kleidungsstück an sich ist nie negativ«

Warum gibt es überhaupt negative Assoziationen zur Tracht? Weil sie oft instrumentalisiert betrachtet wird: "Jetzt ist Tracht gerade Trend, ein modischer Hype, der wieder vergeht." oder "Der zieht die Lederhose doch nur an, um seine Heimatverbundenheit politisch auszuschlachten". Die einzelnen Motive für das Tragen der traditionellen Kleidung mögen unterschiedlich sein. Ein Kleidungsstück an sich ist nie negativ. Was übrig bleiben sollte, ist der Gedanke an die Tracht als Brauchtum und als heimatverbundene Tradition. Der Gedanke an etwas Positives: vielleicht an Familienfeiern, an schöne Kindheitserinnerungen, an unerwartete Komplimente.

(geschrieben von Carina Pachner)

CONTRA Tracht:

Wie auch immer das passiert ist, Tracht ist Trend. Spätestens als der sonst so urbane und weltoffene Van der Bellen während des Bundespräsidentschaftswahlkampfes im Trachtenjanker auftrat war klar, sie sind wieder da. Dirndl und Lederhose feiern ihr Comeback. Und das ist noch schlimmer als die Rückkehr der Crop Tops, Schlaghosen und Schulterpolster zusammen.

Im besten Fall sieht Tracht altmodisch und langweilig aus. Im schlimmsten billig. Doch bei Lederhose & Co. geht es um viel mehr als nur um das, zugegeben subjektiv empfundene, Aussehen. Der Trachtentrend verkörpert alles, was längst als überholt galt: Sexistische Rollenbilder, scheinpatriotische Heimatgefühle und eine biedermeierliche Weltanschauung. Personifiziert wird das Ganze von Schlagergrößen und anderen Konsorten, die nach wie vor der Meinung sind, dass die Töchter zwar ins Dirndl, nicht aber in die Bundeshymne gehören.

»Der textile Nationalstolz ist in Zeiten von Trump, Brexit und Flüchtlingskrise gefährlich«

Tracht engt ein. Auch im Kopf. Denn im Endeffekt sind Dirndl, Lederhose und Janker nicht anderes als eine Mauer. Eine Uniform, um das Eigene vom Fremden abzugrenzen. Alle Nicht-Österreicher werden dabei ausgegrenzt. Der textile Nationalstolz ist in Zeiten von Trump, Brexit und Flüchtlingskrise gefährlich. In Zeiten, in denen man sich eigentlich nicht auf Trennendes, sondern auf Verbindendes konzentrieren sollte. Natürlich ist nicht alles Schwarz-Weiß. Es macht einen Unterschied, ob jemand beim Gauderfest im Zillertal Tracht trägt oder bei der Wiener Wiesn. Bei letzterer bleibt, für mich zumindest, immer ein fahler Beigeschmack. Nur gut, dass Adidas gerade kotzfeste Trachten-Sneakers auf den Markt gebracht hat…

(geschrieben von Tamara Sill)