Tourismus: Prinzip Hoffnung

Teuerung, Inflation, hohe Energiepreise, Personalmangel und Klimawandel: Die österreichische Tourismusbranche muss mit immer schwierigeren Rahmenbedingungen fertigwerden. Der Winterurlaub in seiner bisherigen Form kommt zunehmend unter Druck, der Sommer wird wieder wichtiger.

von Gondel am Kitzsteinhorn © Bild: Shutterstock.com/FooTToo

Osterferien in den Bergen beim Frühlings-Skifahren - eine beliebte Urlaubsgestaltung für Familien und Wintersportfans, die aber zunehmend unter Druck kommt. Und das hat nicht nur mit Inflation, allgemeiner Teuerung und zum Teil exorbitant gestiegen Preisen in Hotellerie und Gastronomie zu tun, sondern auch mit warmen Temperaturen und Schneemangel.

Denn der Klimawandel mit seinen Wetterextremen und deren Auswirkungen hat längst auch die Tourismusbranche erreicht - auch wenn in weiten Teilen der Branche die Ansicht überwiegt, dass alles nicht so schlimm werden wird, wie manche Experten prophezeien. Es überwiegt durchwegs Optimismus: Manche Hoteliers oder Seilbahner verweisen auf vergangene Zeiten, in denen es immer wieder schneearme Winter gegeben habe. Auch Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler spricht davon, dass "in den höher gelegenen Skigebieten in den meisten Bundesländern noch immer Schneesicherheit gegeben ist", und berichtet von einer bisher durchaus zufriedenstellenden Wintersaison. Auch wenn die Branche heuer die Nächtigungszahlen von vor der Coronapandemie noch nicht erreichen konnte (siehe Tabelle) .

Sommerurlaub wird wichtiger
Auch wenn sich die Nächtigungen im Winter wieder erholt haben, das Vorkrisenniveau ist noch nicht erreicht. Bis Ende Februar lagen die Winternächtigungen heuer um mehr als neun Prozent unter dem Rekordjahr 2019/20. Die Coronapandemie brachte schwere Umsatzeinbußen im Winter. Angesichts des Klimawandels wird der Sommer für die Tourismusbranche immer wichtiger.

Tabelle zu: Sommerurlaub wird immer wichtiger.
© News Quelle: WIFO, Statistik Austria, OeNB. Fiktive Berechnungen von Saisonergebnissen lt. WIFO

Vielfältige Challenge

»Die Betriebe werden neue Angebote entwickeln müssen. Angstmache kann ich aber nicht teilen«

Robert Seeber, Tourismus-Spartenobmann und Gastro-Unternehmer, geht ebenfalls davon aus, dass "immer Ski gefahren werden wird - eventuell eben nur in höheren Lagen." Nachsatz: Diese Situation könne bereits "in fünf bis zehn Jahren" eintreten: "Die Tourismusbetriebe werden sich darauf einstellen und neue Angebote entwickeln müssen, beispielsweise in den Bereichen Wellness, Fitnessaktivitäten oder Eintauchen in neue Lebenswelten." Angstmache könne er aber nicht teilen, erklärt der Tourismusobmann, der auch nicht glaubt, dass Skifahren eine elitäre Angelegenheit wird. Die Rückmeldungen aus der Winterdestinationen zur Buchungslage seien die gesamte Saison ausgesprochen gut gewesen - egal, ob während Weihnachten und Neujahr, als es wenig Schnee gab, oder zuletzt während der Osterferien. Auch zum Teil sehr hohe Preise würden die Gäste nicht abschrecken, so Seeber: "Gäste mit genügend Geld sind auch bereit, dieses für ihren Urlaub auszugeben." Und davon gebe es nicht wenige.

Dennoch sei "ein Umdenken im Gang", so der Präsident der Hoteliervereinigung, Walter Veit, kürzlich zu News: Individuell, je nach Gegebenheiten und Region würden die Hoteliers etwa Zusatzangebote für das Herbstgeschäft entwickeln. Einen wirklichen Plan B gebe es laut Staatssekretärin Kraus-Winkler zwar nicht -sehr wohl jedoch "Überlegungen in bestimmten Regionen, wie Sport im Winter ohne Schnee noch funktionieren könne."

"Radikale Veränderungen"

Weniger optimistisch sieht Wirtschaftsforscher Oliver Fritz die Lage: Er ist überzeugt davon, dass der Klimawandel das Reiseverhalten - so wie viele andere Lebensbereiche auch - beeinflussen wird. Allein eine Erderwärmung um 1,5 Grad werde eine Umkehr der Reiseströme bewirken: Der Norden werde im Sommer als Destination attraktiver, der Süden hitzebedingt weniger, so der Wifo-Experte, der "radikale Veränderungen - nicht nur im Tourismus - ortet: "Ich glaube, dass das Tempo des Klimawandels unterschätzt wird." Sollte irgendwann der Schnee überhaupt ausbleiben, werde es den alpinen Wintertourismus in der bisherigen Form als Massenphänomen nicht mehr geben.

»Sollte Skifahren nicht mehr möglich sein, werden sich die alpinen Regionen mit Alternativen schwertun«

Das Hauptmotiv für den herkömmlichen Winterurlaub sei das Skifahren, und sollte das nicht mehr möglich sein, dann würden sich die alpinen Regionen mit Alternativen schwer tun. "Es gibt natürlich Gäste, denen Hotels mit Wellness und so weiter wichtig sind, die Massen mobilisieren werden die aber nicht." Wenn es die Faszination von Schnee und einer romantischen Winterlandschaft nicht mehr gebe, dann würden auch die Zusatzangebote nicht mehr ziehen. Schneebänder würden auf Dauer keinen Ersatz dafür bieten. Fritz ist damit einer Meinung mit Thomas Wirnsperger, Geschäftsführer des Tourismusverbands Großarltal: Eine wirkliche Alternative zu Schnee, um Gäste im Winter im bisher gewohnten Umfang anzulocken, sieht er nicht: "Es gibt keinen Plan B." Schneeschuhwandern sei kein Ersatz für Skifahren, ebenso wenig Mountainbiken, wenn die Forstwege im Winter zwar vielleicht von Eis und Schnee befreit, aus Wildschutzgründen aber dennoch nicht frei befahrbar sind. Deshalb sei es wichtig, technisch zu beschneien, solange es nur irgendwie geht. Es reichten vier bis fünf Tage mit zwei bis drei Minusgraden, um ein Schneedepot für die spätere Präparierung der Pisten anzulegen, so Wirnsperger: "Wer denkt, ohne Schnee geht es auch, lügt sich selbst in die Tasche."

Literaturtipps:

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Das Buch "Richtig reisen - mehr erleben: Tipps für einen nachhaltigen Tourismus" können Sie hier erwerben.*

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Rettungsanker Kunstschnee

Deshalb werden die Beschneiungskapazitäten österreichweit laufend ausgebaut: Die Speicherteiche und unterirdischen Rohleitungen werden immer größer, und längst geht auch auf den Gletschern ohne Kunstschnee nichts mehr. In Großarl etwa wird die Pumpmenge für die Beschneiungsspeicher gerade verdreifacht.

Auch in Königsleiten - Teil der Zillertal-Arena - ist die technische Beschneiung notwendig für eine profitable Wintersaison. Auch wenn innovative Ideen gefordert sind, wie der dortige Hotelier Hannes Kröll-Schnell betont: Er setzt auf umfassendes Marketing und eine junge Zielgruppe und bringt erfolgreich modernen Lifestyle, Musik, Partys, Sport und Naturerlebnis unter einen Hut - sowohl im Winter als auch im Sommer. Sein Großarler Kollege Peter Hettegger sieht die Alpen gar als "Rückzugsort für Europa im Sommer". Dieser werde "künftig der Gewinner" sein: Corona habe neue, jüngere Zielgruppen in die Berge gebracht. Wandern sei zwischenzeitlich verpönt gewesen, jetzt aber wieder in: "Das heißt, die Betriebe werden sich entsprechend umstellen müssen -und die Seilbahnen müssen das ganze Jahr Geld verdienen."

Das sieht auch Bergbahnenvorstand Gerhard Lindorfer so: Im Grunde genommen sei es wenig sinnvoll, die enormen Investitionen der Seilbahnen hauptsächlich nur für den Winterbetrieb zu tätigen. Eine Argumentation, die gerade in Niederösterreich untermauert wird: Dort weisen die Bergbahnen im Winter 2022/23 auf Grund mehrerer Wärmeeinbrüche um 15 Prozent weniger Betriebstage und eine getrübte Saisonbilanz auf. In St. Corona am Wechsel wird daher bereits dieses Wochenende auf Sommerbetrieb umgestellt; sonst meist mit Ende April.

Ob die Hoffnungen der Tourismuswirtschaft auf den Sommer ökonomisch wie gewünscht aufgehen, bleibt freilich dahingestellt: Immerhin gibt ein Wintergast im Schnitt wesentlich mehr pro Tag aus als ein Sommergast und beschert der Branche damit eine höhere Wertschöpfung. Weitergedacht bringe ein ungebremster Klimawandel zwangsläufig einen Wertschöpfungsverlust mit sich, so Wifo-Experte Fritz: "Es ist fraglich, ob die Zugewinne im Sommer die Einbußen im Winter kompensieren werden können. Eher nicht."

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 14/2023 erschienen.