Die To-do-Liste
für den Schulherbst

Schulen sollen im Herbst wieder mit vollen Klassen starten. Darüber ist man sich im ÖVP-geführten Bildungsministerium und beim grünen Koalitionspartner einig. Einiges soll künftig aber anders laufen als vor Beginn und während der Corona-Krise im vergangenen Frühjahr.

von Bildungspolitik - Die To-do-Liste
für den Schulherbst © Bild: iStockPhoto.com

Sibylle Hamann, die Bildungssprecherin der Grünen, ist im vergangenen Jahr in ihre neue Rolle hineingewachsen. Die frühere Journalistin zeigt sich als umtriebige Kommunikatorin: Sie geht in die Schulen, sie sieht sich an, wo der Schuh drückt, sie sucht im Gespräch mit dem Koalitionspartner nach Lösungsmöglichkeiten. Und sie kommuniziert all das, was sie da so tut, auch transparent auf ihren Social-Media-Kanälen. Kurz nach Schulschluss ließ sie dort aufhorchen: ein "Back-up-Plan" soll einen normalen Schulstart ermöglichen und gleichzeitig Coronavirus-bedingte Schulschließungen mitbedenken.

Dabei betont sie allerdings auch für den Fall von Distance Learning für einzelne Klassen oder Schulen im News-Gespräch: "Schule muss immer ein offener Ort sein, auch im Krisenfall. Was mich im Frühjahr völlig überrascht hat, war, dass von einem Tag auf den anderen keine Kinder mehr kamen. Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass, wenn der Unterricht heruntergefahren wird, doch weiterhin an die 20 Prozent der Kinder in die Schulen kommen werden." Das solle künftig anders sein. "Schule ist auch im Krisenfall ein Ort, an den Schüler und Schülerinnen kommen können, wenn sie aus sozialen oder pädagogischen Gründen jemanden brauchen oder die Eltern eine Betreuung für ihre Kinder benötigen."

Wie aber wird der neue Schulalltag nun konkret aussehen? An manchen Details wird noch gefeilt, die groben Züge stehen aber. "Wir werden mit vollen Klassenstärken in den Schulen starten", sagt Martin Netzer, Generalsekretär im Bildungsministerium, gegenüber News. Für den Turnund Musikunterricht überlege man noch verschiedene Szenarien. Hygienevorgaben werde es auch weiter geben. Der Vergangenheit gehören aber mit Sicherheit Klassenteilungen an.

Damit dem so ist, soll auch an Schulen das Testen ab Herbst großgeschrieben werden -und rascher als bisher passieren. "Da muss es innerhalb von ein paar Stunden Klarheit geben", fordert Hamann. Es dürfe an Schulen nicht wieder zu tagelangen Unterbrechungen des Unterrichts kommen. Netzer betont, dass gemeinsam mit der Universität Wien eine Testalternative geschaffen worden sei, die sich bewährt habe: der Gurgeltest. Der Vorteil dieses Tests, bei dem man eine Minute mit einer Flüssigkeit gurgeln müsse, sei, "dass man relativ viele Kinder innerhalb einer kurzen Zeit testen kann".

Das Wichtigste für Hamann ist in diesem Kontext: "Es sollen nicht mehr, wenn es irgendwo steigende Fallzahlen gibt, reflexhaft die Schulen geschlossen werden." Hier pflichtet Netzer ihr bei: "Unser klares Ziel lautet, die Vorkehrungen für den Herbst so zu treffen, dass keine großräumigen Schulschließungen notwendig werden, wie das zuletzt in Oberösterreich geschehen ist." Nötig sei daher künftig eine gute Abstimmung der Bildungsdirektionen mit den regionalen Gesundheitsbehörden. Das Bildungswesen soll aber auch in das Ampelsystem, das derzeit im Gesundheitsministerium ausgearbeitet wird, miteinbezogen werden.

Die Zukunft des Homeschoolings

Dass allerdings immer wieder Klassen oder Schulstandorte, wenn ein oder mehrere Schüler oder Lehrer positiv getestet wurden, kurzfristig auf Distance Learning umgestellt werden müssen, davon gehen die Bildungspolitiker aus. Hier setzt auch Hamanns "Back-up-Plan" an. "Wir haben in diesem Frühjahr gesehen, wie wahnsinnig verwundbar dieses System Schule ist. Es kann aber zig Gründe geben, warum Unterricht ausfällt -das muss nicht nur das Coronavirus sein. Ich habe mir daher überlegt: Was für ein Basisnetz können wir aufbauen, sodass es nicht mehr heißt, es gibt jetzt keine Schule mehr?"

Dieses Basisnetz entpuppt sich als ein Netz aus Beziehungen, und sie sei damit, so Hamann, auch bei Bildungsminister Heinz Faßmann auf offene Ohren gestoßen. "Alleine dieses Netz zu knüpfen, wird den Schulalltag schon verändern", ist sie überzeugt. Am Beginn des kommenden Schuljahres soll daher bei jenen Schülerinnen und Schülern, bei denen man im Frühjahr gemerkt hat, es funktioniere nicht so gut, ein Kinder-Eltern-Lehrer-Gespräch stehen. Von den 1,1 Millionen Schülern wurden zu Beginn des Shutdowns etwa sieben Prozent der Kinder beziehungsweise Familien nicht erreicht, sagt Netzer. Durch die Arbeit der Schulsozialarbeiter, aber auch durch das Zur-Verfügung-Stellen von Laptops habe dieser Prozentsatz aber reduziert werden können.

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Die Ursachen der Probleme der Kinder könnten sich dabei als sehr vielfältig herausstellen: "Ist die Lehrerin nicht in der Lage zu kommunizieren, was zu tun ist? Hat das Kind keinen Platz zu Hause? Ist die Mutter krank?" Wichtig sei jedenfalls, hier den Kontakt zu den Eltern herzustellen. "Es kann das Kind nicht mit dem Konflikt alleine gelassen werden. Es kann sich herausstellen, dass da keine Eltern sind, die sich kümmern können. Aber dann braucht das Kind einen Beistand."

Oft sind die Eltern bemüht, seien aber sprachlich oder auf Grund des eigenen Bildungshintergrunds nicht in der Lage, den Kindern schulisch zu helfen. Hier hat das Bildungsministerium im Zuge der Corona-Krise bereits mit weiterlernen.at eine Plattform eingerichtet. NGOs vermitteln hier Buddies und Mentoren an Kinder, die zu Hause keine Hilfe bekommen. "Die Plattform gibt es. Sie muss nun nur noch an den Schulen gezielter beworben werden", so die grüne Bildungssprecherin.

Hamann denkt aber auch an eine an den Schulen selbst organisierte Unterstützung: die Bildung von Kleingruppen in den Klassen, deren Mitglieder sich -auch wenn die Schule auf Distance Learning umgestellt ist -gegenseitig unterstützen. Oft passiere das von selbst, etwa wenn Kinder in der Nähe wohnen, manchmal bleibe aber ein Bub oder ein Mädchen übrig. Hier könnten sich etwa die Elternvereine oder Schulgemeinschaftsausschüsse Konzepte überlegen, wie alle Kinder in so ein Unterstützungssystem eingebunden werden. Die Schulen nimmt Hamann wiederum in die Pflicht, wenn es darum geht, dass die Schule auch im Fall der Umstellung auf Distance Learning ein offener Ort bleibt. Sie schlägt hier die Einrichtung von Arbeitsstationen vor, an denen jene Kinder lernen könnten, die zu Hause keinen Platz, keine Betreuung oder Unterstützung haben. Lehrer würden dann einerseits jene Schüler digital unterrichten, die von zu Hause aus lernen, und den Kindern, die in die Schule kommen, dort die Hilfe geben, die sie beim Bearbeiten ihrer digitalen Aufgabenstellungen brauchen.

Die technische Ausstattung -alle Zehnbis 14-Jährigen sollen Laptops oder Tablets erhalten -laufe, heißt es im Ministerium. Aber auch bezüglich der digitalen Inhalte und der Kommunikation hat man aus der Krise gelernt. "Bereits im Herbst starten wir mit dem Portal Digitale Schule, das viele Verbesserungen für Lehrer, Eltern und Schüler bringen wird", so Netzer.

Lernstoff im Netz

Hier hakt auch Hamann ein: Lehrer sollen künftig, sortiert nach Lehrplan und Schulstufe, bereits digitale Inhalte vorfinden, die im Unterricht eingesetzt werden können. Diese bieten sich zudem nicht nur für das Distance Learning an, sondern sollen - das ist etwas, was sich im Zuge der Krise bewährt hat - auch in den regulären Unterricht Einzug halten.

Dass es hier eine technologische Offensive an den Schulen selbst braucht, weiß man. Für diese Legislaturperiode wurde daher eine 200-Millionen-Euro-Digitalisierungsoffensive beschlossen. "Dort, wo wir die Infrastruktur nachrüsten müssen, werden wir das zügig tun", verspricht Netzer. Im Pflichtschulbereich, wo Länder und Gemeinden zuständig seien, müsse man aber von Seiten des Ministeriums an die Schulerhalter appellieren. Dass es oft an den einfachsten Dingen wie genügend Steckdosen in den Klassenzimmern fehlt, ist allen Involvierten bewusst. "An den Steckdosen wird das digitale Lernen aber sicher nicht scheitern", sagt Netzer.

Es sollen nicht mehr, wenn es steigende Fallzahlen gibt, reflexhaft Schulen geschlossen werden.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 29/2020).