Das ist Kickls
neue Kieberei

Kein FPÖ-Minister setzte in seinem Ressort eine so deutliche Handschrift wie Herbert Kickl. Der Innenminister baut die Polizei zügig um und rüstet sie auf. Ein Überblick.

von
Politik - Das ist Kickls
neue Kieberei

Die Koalitionsverhandlungen im Herbst 2017 waren lang und hart. Die FPÖ, eigentlich nur der Juniorpartner am Verhandlungstisch, bestand nämlich auf das Innenministerium – sie nannte es ihr „Schlüsselressort“. Und sie bekam es. Warum sie damals so vehement auf das ­Ministerium in der Wiener Herrengasse pochte, wird deutlich, wenn man sich die Zwischenbilanz genauer ansieht.

Innenminister Herbert Kickl hat mit etlichen Maßnahmen innerhalb der vergangenen sieben Monate deutliche Veränderungen markiert und eine Marschrichtung für die Zukunft vorgegeben. Immer wieder waren die geplante Reiterstaffel und das gar nicht so komplikationslose Casting der Polizeipferde prominentes Thema der Berichterstattung. Seit Kickls Amtsantritt sorgten die Anschaffungen von Pferden, Sturmgewehren, die Gründung spezieller Einsatzkommandos oder teure Kampa­gnen für Schlagzeilen (siehe Überblick rechts) – und für harsche Kritik. Die Oppositionsparteien SPÖ, Neos und Liste Pilz, aber auch Forschungseinrichtungen und Bürgerrechtsbewegungen beanstanden die rasche und intensive Aufrüstung der Exekutive. Die Neuerungen in Österreich werden sogar mittlerweile in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen.

Law-and-Order-Polizei

„Der Paradigmenwechsel von einer Bürgerpolizei hin zur Law-and-Order-­Polizei ist aber nicht nur österreich­typisch“, sagt der bekannte deutsche Kriminologe und Professor für Polizeiwissenschaften Rafael Behr aus Hamburg. „Überall dort, wo man mit der Super-Metapher ,IS-Terrorismus‘ punkten will, tritt die Polizei robuster auf als in den 90er-Jahren. Ich kenne aber keinen einzigen Fall, in dem es tatsächlich eine Militärwaffe gebraucht hätte, um einen polizeilichen Auftrag zu lösen.“ Der Sicherheitsgedanke, so der Kriminologe weiter, sei nur ein Scheinargument: „Diese Form der Sicherheit ist eine rückwärts­gewandte. Das hat mit einem modernen, partizipationsorientierten Staat nichts zu tun, sondern das ist Herrschaftsdarstellung.“ Ein Ende sieht er nicht: „Aus der Polizei gibt es keine Signale, dass man wieder wegkommen muss von dieser Hochrüstungsdynamik. Im Gegenteil – es wird eher schlimmer. Es gibt auch keine einflussreiche Gruppierung, die sagt, wir hören jetzt einmal auf mit dem Aufrüsten.“

Reiterstaffel

Im Frühsommer 2019 soll die erste Pferdestaffel durch Wien ziehen. Sie gilt als Prestigeprojekt des Innenministers, sein ungarischer Kollege Viktor Orbán hat zwei Rösser beigesteuert. Der Vorwurf der Opposition: Geldverschwendung. Über die anfangs kolportierten 45.000 Euro pro Jahr lächeln Kritiker nur müde – Schätzungen gehen vom mindestens Zehnfachen aus. Polizeiforscher Behr: „Das Hauptargument für Pferde ist die erhöhte Position und die abschreckende Wirkung. Tatsächlich sind sie für den heutigen polizeilichen Alltag funktional völlig obsolet, es gibt bessere Techno­logien, zum Beispiel Drohnen.“

Rekrutierungsoffensive

Bis 2021 will das Innenministerium 4.000, bis Ende der Legislaturperiode sogar 11.000 neue Beamte einstellen. Um ausreichend Nachwuchs zu finden, wurden die Hürden für das Auswahlverfahren nach unten nivelliert. Seit Kurzem sind tätowierte Bewerber zugelassen, auch Schwimmkenntnisse werden nicht mehr zwingend vorausgesetzt. Die Opposition kritisiert Kickls Kampagnen dazu, regelmäßig inseriert die Polizei in rechtsextremen Magazinen. Eine parlamentarische Anfrage ergab nun: 19.000 Euro an Steuergeldern flossen für Personalanzeigen an rechte Medien.

© privat

Sturmgewehre

Nicht gewohnt öffentlichkeitswirksam wie sonst, sondern fast heimlich nahm die Polizei vor zwei Wochen knapp 700 Sturmgewehre entgegen – Waffen, die sonst nur beim Militär verwendet werden. „Es ist davon auszugehen, dass in naher Zukunft jeder einzelne Streifenpolizist diese Waffe tragen wird“, mutmaßt Experte Behr. Tatsächlich: Das Ministerium orderte weitere 6.500 Stück für 2019. „In Deutschland behält man Kriegswaffen nur speziell ausgebildeten Einsatzgruppen vor. Das sind ja hoch aufgerüstete Krieger. So zu tun, als erhöhe das die Sicherheit der Bevölkerung, ist reine Simulation.“

© privat

Grenzschutzeinheit

Spielfeld, an der österreichisch-slowenischen Grenze, im Juni 2018: Der erste Auftritt der neu gegründeten Grenzschutzeinheit Puma. 600 Polizisten trainierten den „Flüchtlings-Ernstfall“, die Inszenierung der Übung wurde wenig später international kritisiert. Und die Vorwürfe reißen auch nicht ab: Seit voriger Woche ist das Innenministerium mit dem Uniformlogo konfrontiert. Ein Freund Kickls höchstpersönlich vermachte dem Ministerium das Design – angeblich gratis. Warum ist darauf eigentlich ein Puma abgebildet? „Das hat eine lange Tradition, dass sich polizeiliche Spezialeinheiten Tiernamen geben, die gefährlich klingen, meistens Greifvögel oder Raubtiere wie ‚Cobra‘. Da geht es immer um etwas, das springt, beißt, schnell ist und gegen das man keine Chance hat“, erklärt der Hamburger Polizeiforscher.

Elektroschocker und Bodycams

Seit Kurzem dürfen nicht mehr nur wie bisher Sonderkommandos wie die Cobra oder die Wega, sondern auch die Bereitschaftseinheiten der Wie-
ner Polizei Taser verwenden. Neuere Versionen des Elektroschockers verschießen dünne Metallspitzen, über einen dünnen Draht können elektrische Impulse gesetzt werden, die schmerzhafte Muskelkrämpfe auslösen und so handlungsunfähig machen. Das Innenministerium bestellte außerdem 24.000 stichfeste Unterziehwesten, 6.000 schusssichere Westen sowie 300 Bodykameras. Letztere, um Amtshandlungen mitzufilmen. Kriminologe Behr: „Die Polizei tritt martialischer auf als früher, und das wird noch weitergehen.“

Präsenz im öffentlichen Raum

Vielen Bürgern ist es längst aufgefallen: Die Exekutive nimmt auch in der Öffentlichkeit mehr Raum ein. So wurden beispielsweise wiederholt Großrazzien am Wiener Praterstern abgehalten – begleitet von Wega und Hundestaffeln. Immer häufiger kreisen außerdem Hubschrauber über der Hauptstadt, meist nachts. Vom Innenministerium heißt es dazu, die Fahndung nach Einbrechern sei durch die Verwendung der Wärmebildkameras deutlich effektiver. Man profitiere zudem von einem weiteren Effekt: psychologischer Verunsicherung flüchtiger Gesuchter.

Überwachungspaket

Im April war es so weit: Das umstrittene und lang diskutierte Sicherheitspaket wurde vom Nationalrat beschlossen. Die Novelle ermöglicht der Polizei künftig direkten Zugriff auf einen Großteil der öffentlichen Überwachungs­kameras. Mit dem sogenannten „Bundestrojaner“, also dem Einsatz staatlicher Spionage­software, können Ermittlungsbehörden nun auch verschlüsselte Nachrichten von Messengerdiensten (wie Whatsapp) auslesen. Auch das Briefgeheimnis wird aufgeweicht. SPÖ und Neos sprechen von „maßloser Massenüberwachung“ und zielgerichteten Schritten in den „polizeilichen Überwachungsstaat“.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe 33 2018