Ex-Minister auf Jobsuche

Die türkis-blaue Regierung ist da, und damit neues politisches Personal. Für die bisherigen Minister bedeutet das eine berufliche Neuorientierung. Doch für welche Positionen in welcher Branche sind sie überhaupt geeignet?

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Politik - Ex-Minister auf Jobsuche

Das Vertragsangebot klingt theoretisch äußerst verlockend. Immerhin winkt eine fünfjährige Anstellung in einem relativ krisensicheren Unternehmen mit Aussicht auf Verlängerung. Das Jahresbruttoeinkommen kann sich sehen lassen: mindestens 245.168 Euro. Gehaltserhöhungen gibt es freilich nur unregelmäßig. In der Theorie macht sich der Posten eines Ministers der Republik Österreich wirklich gut im Lebenslauf eines durchschnittlich ambitionierten Jungpolitikers.

Die Praxis sieht allerdings häufig weniger rosig aus: So hat es Ressortchefs gegeben, die nur knappe drei Wochen (FPÖ-Justizminister Michael Krüger) oder neun Monate lang (FPÖ-Sozialministerin Elisabeth Sickl) im Amt waren. Zeitspannen also, die für die künftige Karriereplanung der Ex-Politiker eher vernachlässigbar erscheinen. Dazu kommt die permanente Angst vor dem Jobverlust, denn die Abberufung vom prestigeträchtigen Ministerposten kann doch von heute auf morgen passieren.

Dieses Mal war es das Ergebnis der Nationalratswahl. Und die Regierungsmitglieder hatten immerhin gute zwei Monate Zeit, um sich an den Gedanken der beruflichen Neuorientierung zu gewöhnen.

Warten auf das Scheitern

Doch vor allem die SPÖ-Spitzen wollen die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr auf die Regierungsbank offenbar nicht so schnell aufgeben. Von acht sozialdemokratischen Ressortchefs wechseln nach der Angelobung der neuen Exekutive gleich sieben in den Nationalrat, um sich dort als Oppositionspolitiker zu versuchen -und im Fall des Scheiterns der türkis-blauen Koalition als Ministerreserve zur Verfügung zu stehen.

Dabei würden hochrangige Personalberater den Toppolitikern durchaus auch andere Karrierewege zutrauen. Parteivorsitzender Christian Kern -der angekündigt hatte, die kommenden fünf Jahre als SPÖ-Klubobmann im Parlament zu verbringen -sieht Natalie Bairaktaridis, Managing Partner bei Ward Howell, gleich für mehrere Branchen als hervorragend vermittelbar an: "Idealerweise wird das der Posten eines Vorstandsvorsitzenden mit Schwerpunkt Strategie und Kommunikation in der Transport-und Energiewirtschaft sein." Auch Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner -bald SP-Gesundheitssprecherin im Nationalrat -ließe sich sehr leicht unterbringen. "Hier bietet sich eine Topposition im wissenschaftlichen Bereich an", erläutert Florens Eblinger, geschäftsführender Gesellschafter bei Eblinger &Partner.

Etwas komplizierter dürfte es bei Infrastrukturminister Jörg Leichtfried laufen. Seine persönlichen Pläne sehen die Vertretung der SPÖ-Agenden als Europasprecher im Parlament vor. Die Meinungen der Headhunter in puncto außerparlamentarische Karriereplanung des Politikers sind allerdings nicht ganz konform. Während Eblinger bei dem "rein politischen Werdegang" von Leichtfried eine politische Position in einer Landesregierung oder einen Managementposten im Infrastrukturbereich in Betracht zieht, sieht Bairaktaridis den Politiker "in einer leitenden Funktion im öffentlichen Bereich oder einer NGO". Bildungsministerin und Neoparlamentarierin Sonja Hammerschmid könnte indes aufgrund ihres Lebenslaufes für eine "CEO-Stelle in den Bereichen Innovation, Forschung und Entwicklung" infrage kommen, so die Personalberaterin. Ihrem Regierungskollegen Thomas Drozda, ehemaliger Kulturminister und bald aktiver Nationalrat, traut Bairaktaridis "die kaufmännische Gesamtverantwortung im Kunst-und Kulturmanagement" zu. Drozdas "sehr gutes Netzwerk und der weite politische Weg", sagt Eblinger, machen außerdem die öffentliche Verwaltung zu einem möglichen Arbeitgeber.

Auch Sozialminister Alois Stöger könnte, sagt der Headhunter, als selbstständiger Konsulent oder im öffentlichen Dienst in leitender Funktion für Arbeits-und Sozialrecht tätig werden, wie Bairaktaridis meint. Stöger selbst will neben der parlamentarischen Arbeit auch Nebentätigkeiten nicht ausschließen: "Ich bin noch immer beim Österreichischen Gewerkschaftsbund karenziert und werde meine Erfahrung, in welcher Form auch immer, gerne zur Verfügung stellen." Staatssekretärin Muna Duzdar verfolgt dieselbe Intention: "Ich werde künftig Abgeordnete sein und mich für den sozialen Zusammenhalt in Österreich einsetzen." Aber sie will auch "ein Comeback als Rechtsanwältin" nicht ausschließen. Letzteres ist auch der Karriereweg, auf dem Personalberater Eblinger die Juristin sehen würde. Neben einer solchen selbstständigen Tätigkeit komme auch eine Cheffunktion bei einer internationalen Organisation infrage, ergänzt Bairaktaridis: "Grundsätzlich gibt es Politiker, die sowohl im öffentlichen Bereich als auch in der Privatwirtschaft sehr gut reüssieren", so die Jobvermittlerin, "in Zukunft werden aber auch sie verstärkt nach ihren Stärken und Kompetenzen beurteilt werden."

Warten auf den Chefposten

Hans Peter Doskozil muss sich indes vorerst keine Sorgen um seine politische Zukunft machen. Sobald er als Verteidigungsminister abtritt und die neuen Regierungsmitglieder angelobt sind, wechselt der Sozialdemokrat ins Burgenland. Als Finanzlandesrat in spe gilt er außerdem als potenzieller Nachfolger von Landeshauptmann Hans Niessl. Ein Posten, für den er laut Bairaktaridis hervorragend geeignet ist, hatte er sich doch bereits in der Vergangenheit als Krisenmanager qualifiziert.

Warten auf das Studienjahr

Die ÖVP-Minister, die aller Voraussicht nach der neuen Regierung nicht mehr angehören wollen, wenden der P0litik hingegen großteils den Rücken zu. "Genauso gerne, wie ich 2013 in die Politik gekommen bin, gehe ich jetzt auch wieder zurück an die Wirtschaftsuniversität Wien", sagt Vizekanzler und Justizminister Wolfgang Brandstetter. Er habe seine "Studentinnen und Studenten schon vermisst" und freue sich darauf, "ihnen jetzt neue Lehrinhalte zu präsentieren, angereichert durch Erfahrungen aus vier Jahren Regierungstätigkeit". Was Brandstetters weitere Karriere betrifft, hält Personalberater Eblinger einen Rektorenposten für möglich.

Finanzminister Hans Jörg Schelling hat bereits Ende November bekannt gegeben, der neuen Regierung nicht mehr als Finanzminister zur Verfügung zu stehen. "Ich ziehe mich zur Gänze aus der Politik zurück und werde mich nach einer Zeit der Ruhe neuen Aufgaben widmen." Eine davon könnte die Mitarbeit in dem von ihm aufgebauten Weingut sein. Geschäftsführerin und Schelling-Tochter Julia scherzt: "Mein Vater kann sich ja bewerben." Die Personalberater sehen ebenfalls die Privatwirtschaft als ideales Betätigungsfeld für den früheren Firmenchef Schelling - eventuell auch die Funktion als Mitglied eines Aufsichtsrates, so Eblinger. Dazu würde passen, dass Schelling außerdem als Nachfolger des Nationalbankpräsidenten Claus Raidl im Gespräch ist.

Auch Familienministerin Sophie Karmasin wird wieder ins Familienbusiness einsteigen. Sie will nach Ende ihrer Amtszeit ein weiteres "Unternehmen der Meinungs-und Motivforschung" aufbauen: "Alle Erfahrungen, die ich in den vergangen vier Jahren sammeln durfte, werden mich auch in meinem weiteren Leben - beruflich wie privat -begleiten", ist die Politikerin überzeugt. Bairaktaridis hält Karmasin ebenfalls in diesem Bereich oder auch im öffentlichen Sektor für sehr gut vermittelbar.

Wirtschaftsminister Harald Mahrer bleibt dem politischen Umfeld indes treu. Er wird noch vor Weihnachten als Chef des ÖVP-nahen Wirtschaftsbundes bestätigt werden und voraussichtlich im ersten Quartal des kommenden Jahres Christoph Leitl auch als Präsident der Wirtschaftskammer Österreich nachfolgen. Wäre nicht dieser Karrieresprung bereits für Mahrer vorgesehen, hätte sich Headhunterin Bairaktaridis den Politiker aber auch gut als CEO eines Start-ups vorstellen können.

Warten auf den Ruf

Zwei Minister der Volkspartei sind sich hingegen noch im Unklaren über ihre Zukunft. Sie haben lediglich ein Nationalratsmandat als Absicherung gewählt. Immerhin ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ganz klar, ob Innenminister Wolfgang Sobotka und Umweltminister Andrä Rupprechter nicht doch in der einen oder anderen Form auch der neuen Regierungsmannschaft angehören werden. In dieser Situation ist Zuwarten vermutlich die einzige richtige Lösung.

Findet die Karriere in der Bundespolitik doch ein vorzeitiges Ende, kann sich Bairaktaridis für den Niederösterreicher eine "leitende Funktion auf Landesebene im öffentlichen Bereich" vorstellen. Eblinger glaubt in gleichem Maß, dass aufgrund der "rein politischen Laufbahn Sobotkas seit 1996 nur eine politische Position auf nationaler oder EU-Ebene infrage kommt".

Da hat es der Rupprechter ein bisschen einfacher. Vor seiner Berufung in die Regierung war er Direktor für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im Generalsekretariat des EU-Rats in Brüssel und hat auch ein Rückkehrrecht dorthin. Der Personalberater sieht den Politiker daher "in einer Top-EU-Funktion im Bereich Agrarund Forstwirtschaft". Insgesamt, so Eblinger, seien Headhunter aber nicht die erste Anlaufstelle für Ex-Politiker: "Meist führt deren Weg zu Selbstständigkeit, EU-Posten oder anderen politischen Funktionen."

Garantiert keine Unterstützung bei der Jobsuche braucht lediglich ein aktiver Minister. Außenressortchef Sebastian Kurz kann sich ziemlich sicher sein, dass er auch der nächsten Regierung angehören wird -noch dazu in der besonders mächtigen Position eines Bundeskanzlers.