Kann man Burschen-
schaften verbieten?

Die Ex-Richterin und Neos-Abgeordnete Irmgard Griss anwtwortet

Bei jedem neuen Liederbuch einer schlagenden Burschenschaft, bei jedem neuen "Einzelfall" zweifelhaften Geschichtsbewusstseins im Umfeld der FPÖ taucht rasch die Frage auf: Warum werden die deutschnationalen Burschenschaften in Österreich nicht verboten?

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Politik - Kann man Burschen-
schaften verbieten?

Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes und Bundespräsidentschaftskandidatin, nun Neos-Abgeordnete im Parlament, erklärt die Rechtslage: "Die Versammlungsund die Vereinsfreiheit sind in Österreich seit 1867 wesentliche Grundrechte. Und deshalb kann man nicht einfach sagen: ,Dieser Verein gefällt uns nicht.' Ein Staat und die Gesellschaft müssen aushalten, dass es solche Gruppen gibt, auch wenn man Bedenken hat. Und selbst wenn es Fälle wie die ,Germania zu Wiener Neustadt' gibt, heißt das nicht, dass man gleich alle deutschnationalen Burschenschaften auflöst." Denn, so Griss: "Österreich ist ein Rechtsstaat, da muss man erst schauen: Was machen die konkret? Es wäre rechtsstaatlich bedenklich, würde man davon ausgehen, dass jede Burschenschaft so eine nationalsozialistische Schlagseite hat. Man darf nicht alle über einen Kamm scheren."

»Die Versammlungsund die Vereinsfreiheit sind in Österreich seit 1867 wesentliche Grundrechte. Und deshalb kann man nicht einfach sagen: ,Dieser Verein gefällt uns nicht«

Auflösen könne man einen Verein nur dann, wenn er zum Beispiel gegen die bei der Vereinsbehörde hinterlegten Statuten verstoße. Sind die Statuten gesetzwidrig, könnte man schon die Gründung untersagen. "Wäre aus den Statuten ersichtlich, dass diese offen dem Nationalsozialismus huldigen, wäre ein Verein zu untersagen. Aber nehmen wir an, in den Statuten steht nur, man sei heimatverbunden, halte bürgerliche Werte hoch und man bekenne sich zur deutschen Volksgemeinschaft, dann wäre das noch zu wenig, denke ich. Das könnte man nicht untersagen."

»Diese unfassbaren Liedertexte sind meiner Ansicht nach Wiederbetätigung«

Ein weiterer Grund, Burschenschaften aufzulösen, wären Verstöße gegen das Strafrecht, meint Griss: "Wenn sie auf ihrer Bude Nazi-Lieder singen, dann ist das Wiederbetätigung und verstößt gegen das Verbotsgesetz. Ebenso, wenn man jemanden zu einem Vortrag einlädt, der den Holocaust leugnet." Zu den nun aufgetauchten Liederbüchern sagt Griss: "Diese unfassbaren Liedertexte sind meiner Ansicht nach Wiederbetätigung."

Und für die ehemalige Höchstrichterin stellt sich dabei nicht die Frage, ob die Lieder nachweislich gesungen wurden: "Da wäre ich sehr streng. Diese Bücher liegen nicht zufällig herum. Wenn so ein Liederbuch existiert, dann besteht die starke Vermutung, die man so gut wie nicht widerlegen kann, dass das auch gesungen wird."

Freiwillige Verletzung

Verletzungen beim Mensurfechten sind laut Griss eher kein Fall für das Strafrecht. "Die Mensur ist so weit erlaubt, als, wenn sie regelgerecht ausgeführt wird, nur leichte Körperverletzungen infrage kommen. In eine leichte Körperverletzung kann man einwilligen, in eine schwere Körperverletzung nicht." In Konflikt mit dem Strafrecht würden Burschenschaften also nur kommen, "wenn sie die Mensur so fechten, dass es so gut wie immer zu schweren Körperverletzungen kommt." Dass Österreichs Institutionen von Geheimbünden unterwandert werden, wie SPÖ-Chef Christian Kern in Zusammenhang mit den Burschenschaftern in der FPÖ gemeint hat, diesem Verdacht will Griss nicht zustimmen. "Wenn man von Geheimbünden spricht, denke ich an die Freimaurer, weil diese ihre Mitgliederlisten nicht öffentlich machen. Das hat in der heutigen Zeit nichts verloren. Sie werden ja nicht mehr verfolgt wie zu Mozarts Zeiten. Die Burschenschaften sind kein Geheimbund, da weiß ich, wer dabei ist, wer im Parlament ist. Das lässt einen Rückschluss auf die Einstellung zu, mit der ich ein Problem habe. Ob es gut ist, wenn Menschen mit einem rückwärtsgewandten Gedankengut und einem bestimmten Menschen-und Frauenbild an den Schaltstellen sitzen, ist eine andere Frage. Aber mit Unterwanderung durch Geheimbünde hat das nichts zu tun."

An der Harvard University, wo Griss unter anderem studiert hat, werde die Zulassung von Verbindungen, in denen nur ein Geschlecht vertreten ist, seit Jahren heiß diskutiert. Mitglieder solcher Verbindungen seien von Führungspositionen in Studentenorganisationen und von bestimmten Vergünstigungen ausgeschlossen.

In Österreich kommt man aus solchen Verbindungen hingegen in höchste Ämter.