Wie wir mit Corona leben lernen

Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker erklärt, wie wir mit Corona leben lernen. Masken, Tests und Impfen werden bleiben. Und er kritisiert, wie die ÖVP im Sommer das Impfen bremste.

von
THEMEN:
Wie wir mit Corona leben lernen

Omikron ist auch schon in Österreich angekommen. Heißt das im Corona-Management "alles auf Anfang"?
Nein. Aber man muss die Entwicklung jetzt besonders aufmerksam beobachten, wir sind erst am Anfang beim Gewinnen von Erkenntnissen. Aber grundsätzlich ist es ja nicht überraschend, dass es immer wieder neue Varianten dieses Virus gibt. Es lässt sich nicht widerstandslos von uns bedrängen.

Wir sind ja jetzt schon in einem Lockdown. Das heißt, wir machen weiter so, oder muss es wegen Omikron strengere Maßnahmen geben?
Wir sind bei neuen Virusmutationen besonders konsequent. Wir nehmen negativ getestete Kontaktpersonen in Quarantäne, es gibt auch kein Freitesten. Im Gegenteil, alle müssen regelmäßig PCR-Tests abgeben, damit man Cluster so rasch wie möglich in größerem Rahmen isoliert.

Aber Omikron wird die Delta-Variante jedenfalls bald überlagern?
Wir können davon ausgehen, dass es wohl im Laufe der nächsten Monate zu einer Verdrängung der Varianten kommt. Und die Geschwindigkeit beeinflusst die Situation in unseren Spitälern. Wenn zu viele Menschen schwerkrank sind -und das ist ja jetzt schon ohne Omikron der Fall -, ist die Situation schwer handhabbar. Um diese Wechselwirkung in den Spitälern und die schweren Erkrankungen geht es, sonst könnte man ja sagen: Wurscht, lassen wir das Virus durchmarschieren.

»Der absolute Großteil der Menschen hat verstanden, dass jeder zur Bekämpfung der Pandemie beitragen kann und muss.«

Es wird nach dieser vierten Coronawelle wohl auch eine fünfte, sechste und siebente geben. Die Frage wird nur sein, wie hoch die sind. Wir müssen lernen, mit Corona zu leben. Aber wie?
Wir sind mitten in diesem Lernprozess. Natürlich sind wir dabei alle ungeduldig. Aber als Gesamtgesellschaft sind wir unglaublich lernfähig und lernwillig. Immerhin sind schon fast drei Viertel unserer Gesellschaft geimpft. Das ist schon großartig. Wenn ich mir anschaue, welche Fortschritte wir bei der dritten Impfung machen, ist das ebenfalls bemerkenswert. Der absolute Großteil der Menschen hat verstanden, dass jeder zur Bekämpfung der Pandemie beitragen kann und muss. Genau das ist die richtige Haltung für den Umgang mit dem Virus in den nächsten Jahren. Sars-Viren hat es in unterschiedlicher Ausprägung immer gegeben, die verschwinden nicht einfach so. Wenn es gelingt, diesen Mechanismus des Vorsorgeimpfens aufrecht zu erhalten, und die Leute merken, dass dem Virus dann die Giftzähne gezogen werden, wird es sicher nicht notwendig sein, weiter so ein extremes Pandemiemanagement zu fahren. Jetzt ist jedenfalls nicht die Zeit für Egoismen.

Lauter sind aber zurzeit jene, die protestieren und eben nicht impfen gehen wollen.
Über 70 Prozent sind geimpft. Aber das sind halt keine Breaking News. Ich verstehe, dass für Nachrichten nix fader ist, als das, was eh alle tun. Für die ist interessanter, zu schauen, was einige Exoten machen, die aus der Reihe preschen. Das sind nur ein paar Egoisten, die herumhopsen. Es gibt übrigens auch Menschen, die an Marsmännchen glauben oder daran, dass die Erde eine Scheibe ist.

»Ich hätte mir ein klareres Auftreten seitens der Universitäten erwartet. Das gilt bis heute. Die sind da sehr verhalten. Das halte ich für problematisch.«

Wenn Ihnen Ihre Kinder mehr als einmal gesagt hätten, dass die Erde eine Scheibe ist, wären Sie mit ihnen ins Planetarium gegangen und hätten das Gegenteil bewiesen. Bei Fake News zum Thema Corona und Impfen hat man die Sache lange laufen lassen. Hätte man früher und vehementer dagegen auftreten müssen?
Ja, das kann schon sein. Problematisch sind da die Leugner aus den Reihen der Ärzteschaft. Ich glaube, dass da die Autoritäten aus den Reihen der Mediziner zu wenig resolut dagegen aufgetreten sind. Ich hätte mir ein klareres Auftreten seitens der Universitäten erwartet. Das gilt bis heute. Die sind da sehr verhalten. Das halte ich für problematisch. Wenn Leute, die mit Medizin nichts am Hut haben, glauben, dass Wachskugerln besser helfen als ein ordentliches Medikament - soll sein. Es soll ja auch Leute geben, die an Kraftsteine glauben. Aber wenn wir über Wissenschaft reden, wären die Unis die Orte, an denen Wissen auch geschaffen wird. Da erwarte ich mir schon eine klarere Positionierung. Der Großteil wendet sich kopfschüttelnd ab, wenn Pferdeentwurmungsmittel angepriesen werden. Das ist ja eine Lachnummer, eine derartige Intelligenzbeleidigung, dass ich mich frage, ob dieses Mittel zu einer Schrumpfung des Intelligenzzentrums mancher Meinungsbildner beiträgt. Bedauerlich finde ich, dass sie Menschen verunsichern und diese ihnen dann aus ihrer Verunsicherung heraus folgen.

Im Lockdown sitzen wir jedenfalls alle. Wie wird man es künftig schaffen, Wellen ohne Lockdown zu brechen?
Wir sind gerade mitten im Lernprozess. Die Impfung haben wir ja als Instrument noch nicht so lange. Sie ist ein wirkliches Glück und ein zentraler Schlüssel, um uns von all diesen Spielregeln irgendwann zu befreien. Wir haben in der Menschheitsgeschichte schon ganz andere Krankheiten gehabt, bei denen es ewig gedauert hat, ein Gegenmittel zu entwickeln. Dass es gelungen ist, die Pocken auszurotten, liegt an einer weltweiten Anstrengung des Impfens, nicht daran, dass ein paar erzählt haben, mit Pockennarben lässt es sich eh gut leben. Ich gehöre noch zu jener Generation, die Pockennarben auf der Schulter trägt, und ich bin froh, das es diese Seuche nicht mehr gibt.

In Österreich brauchen wir für diese gemeinsame Anstrengung eine Impfpflicht.
Eine bittere Erkenntnis.

»Plakate mit "Die Pandemie gemeistert" haben einen nicht mehr aufholbaren Schaden verursacht. Wie gesagt: Ich denke mir manchmal, da hätten wir viel lauter aufjaulen müssen.«

Sie waren immer dagegen. Gibt es einen Punkt in den letzten Monaten, an dem sie selbstkritisch sagten: Wenn wir da besser reagiert hätten, bräuchten wir jetzt keine?
Manchmal denke ich mir, wir hätten viel schärfer reagieren müssen, als die Regierung die Pandemie für beendet erklärt hat. Wir hätten klarmachen müssen, was für ein Unfug das ist. "Die Pandemie ist Privatsache. Die Pandemie ist gemeistert." Allein diese Formulierungen sind echte Chuzpe. Wir haben damals in Wien strengere Maßnahmen gesetzt, weil wir gewusst haben, dass es nicht vorbei ist. Aber nach diesen Ankündigungen ist die Impfkampagne wirklich zusammengebrochen. Wir haben in Wien versucht, das Impfen weiter aufrecht zu erhalten. Das ist uns auch gelungen. Wir sind das Bundesland mit der jüngsten Bevölkerung, da war immer klar, dass wir eine andere Impfrate in der Gesamtbevölkerung haben werden. Aber Plakate mit "Die Pandemie gemeistert" haben einen nicht mehr aufholbaren Schaden verursacht. Wie gesagt: Ich denke mir manchmal, da hätten wir viel lauter aufjaulen müssen.

Die Impfkampagne lief auf vollen Touren, als zu wenig Impfstoff da war. Kaum war genug da, gab es keine Werbung mehr.
Es war immer ausgemacht, dass das Bundeskanzleramt im Sommer eine ordentliche Kampagne fahren wird. Herausgekommen sind ÖVP-Plakate über die Meisterleistungen des damaligen Kanzlers. Das ist schon bitter. Es war immer klar, dass die ersten zwei Drittel der Bevölkerung nicht besonders schwierig zu erreichen sein werden, aber dass es für den Rest eine umso größere Kraftanstrengung brauchen wird. Wenn wir heute Gemeinden mit einer Impfrate von knapp über 50 Prozent haben, ist das unpackbar. Das ist nicht einmal wie in der Dritten Welt. Ganz im Ernst: Das ist einfach zum Schämen.

Hätte man nicht auch in Wien noch stärker auf jene Zielgruppen zugehen können, die noch nicht geimpft und vielleicht skeptisch sind?
Es war durch die Aussagen der Bundesregierung einfach die Luft draußen. Wenn ein Luftballon ein Loch hat, kannst noch so fest reinblasen, der wird nicht mehr prall. Wir fahren ohnehin eine unglaubliche Kampagne. Wir impfen jetzt im Hallenbad. Wir sperren die Impf-Bim wieder auf, die bei der Grippe ein großer Erfolg war. Wir haben die unglaublichsten Orte zum Impfen entdeckt. Das funktioniert auch. Heute hat mich ein Mann angesprochen und sich bedankt. Der war im Sommer total angefressen, weil er testen musste, hat er gesagt. Jetzt war er das dritte Mal Impfen und ist froh über den vorsichtigeren Weg Wiens. Der hat es kapiert. Genau deswegen haben wir das gemacht.

Bei einer Impfpflicht müssen am Ende Sanktionen stehen. Wie sollen die aussehen?
Ich bin gespannt, was der Gesundheitsminister dazu vorschlägt. Wir diskutieren das nicht öffentlich. Das muss in Ruhe vorbereitet werden.

Wie erklärt man jenen, die sich dann "unter Zwang" impfen lassen, wenn es noch einmal einen Lockdown geben muss?
Es muss gelingen, dass wir diese einschneidenden Maßnahmen nicht mehr brauchen. Dazu muss die Durchimpfungsrate entsprechend hoch sein. Aber es kann auch dann sein, dass wir manche Spielregeln weiter brauchen: Masken an bestimmten Orten oder regelmäßige Tests in bestimmten Bereichen. Und wir können davon ausgehen, dass wir jedes Jahr Impfen gehen, so wie bei der Grippe-Impfung.

Bei der ist die Impfquote in Österreich aber inferior.
Ja, ist sie. Aber mir geht es jetzt um den Mechanismus. Es gibt ja auch andere Impfungen, die man regelmäßig auffrischen muss, weil die Widerstandskraft abnimmt oder sich das Virus verändert.

Man weiß, dass es Gruppen gibt, die bei einer Corona-Infektion schwerer erkranken, etwa Menschen mit unentdeckter Prädiabetes. Wäre es nicht sinnvoll, diese Gruppen intensiver zu betreuen?
Ja. Wir haben ein sehr passives Gesundheitswesen. Es steht zwar zur Verfügung, aber handelt nicht proaktiv. Was das allein für ein Trara war, bis wir in der Lage waren, Briefe an Nicht-Geimpfte zu verschicken. Da gab es viele Bedenkenträger im Bund, bis wir das im November einfach gemacht haben.

»Jeder Gemüsetandler schafft es, eine Mailingliste zu führen und seinen Kunden zu schreiben, dass es frische Gurken gibt. Wäre Zeit, dass das Gesundheitswesen das auch lernt.«

Und für die Risikogruppen heißt das?
Natürlich kennt man die Risikoprofile, und die Sozialversicherungen könnten diese Menschen proaktiv ansprechen. Ich bin nicht sehr zufrieden mit der Kundenorientierung und Usability des Gesundheitswesens. Das habe ich schon mehrfach deponiert. Jeder Gemüsetandler schafft es, eine Mailingliste zu führen und seinen Kunden zu schreiben, dass es frische Gurken gibt. Wäre Zeit, dass das Gesundheitswesen das auch lernt.

Stichwort Pflegepersonal: Die jetzige Krise zeigt, dass es zu wenig Intensivpflegerinnen und -pfleger gibt. Sie sind überlastet, viele denken ans Aufhören. Bildet Wien schon mehr Menschen für diesen Beruf aus?
Wir haben uns als einziges Bundesland schon viel früher mit der Frage beschäftigt, was wir an Kraftanstrengung und Ideen brauchen, um mehr Pflegekräfte zu gewinnen. Wir haben den Bedarf für die nächsten 15 Jahre erhoben und inzwischen die Zahl der Ausbildungsplätze um 2.500 erhöht. Am FH-Campus wird dafür ein neues Gebäude errichtet, das wir subventionieren.

Und junge Menschen wollen das auch lernen, wenn sie die Bilder aus den Spitälern sehen?
Selbstverständlich ist die Arbeit schwer, und daher haben wir schon in der Ausbildung einen finanziellen Anreiz mit WAFF (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds, Anm.) und AMS geschaffen und sie auch inhaltlich attraktiv gestaltet. Es gibt einen Schippel junger Leute, die sagen: "Das interessiert mich." Ich habe den Modellversuch Pflegeausbildung mit Matura gestartet, da sind die Klassen inzwischen mehr als voll. Die Pflegeausbildung hat insgesamt ein anderes Image bekommen, es kommt Schwung hinein. Aber klar ist: Die Ausbildung zur Intensivpflegekraft dauert echt lange. Da kann man nicht einfach mit den Fingern schnippen und hat sie.

Welche Anreize gibt es für die, die jetzt schon arbeiten. Der 500-Euro-Bonus...
ist hilfreich, aber nicht das zentrale Argument. Was zählt ist das Arbeitsklima. Da wird in den Wiener Spitälern echt gute Arbeit geleistet. Natürlich gibt es auch welche, die sagen: "Mir reicht es, und jetzt pfeif ich drauf." Aber es gibt auch viel positive Motivation. Nur: Wenn man für ein Interview einen Verzweifelten sucht, wird man auch einen Verzweifelten finden. Wichtig ist, dass man den richtigen Mix findet, mit den Emotionen umzugehen. Und klar ist: Diese Menschen arbeiten jetzt viele Stunden, aber der Arbeitgeber wird diese Stunden auch wieder zurückgeben. Es ist auch groß artig, wie viele professionelle und motivierte Mitarbeiter wir in den Spitälern haben.

»Wir haben niemals Versprechungen abgegeben, immer Tacheles geredet, reinen Wein eingeschenkt. «

Das AKH berichtet von alarmierend vielen Suizidversuchen bei Jugendlichen. Die Krankenkassen melden, dass die Verschreibung von Antidepressiva bei jungen Patientinnen und Patienten um 41 Prozent gestiegen ist. Was tun Sie für die Jungen?
Der Sündenfall der Bundesregierung war, Dinge zu versprechen, die man nicht halten kann. Von mir werden Sie kein Interview finden, wo ich das gemacht habe. Ich habe höchstens gesagt: "Ich bin mir nicht sicher über diese oder jene Entwicklung." Weil das einfach stimmt. Das ist das Geheimnis des gesamten Corona-Managements unserer Stadt. Wir haben niemals Versprechungen abgegeben, immer Tacheles geredet, reinen Wein eingeschenkt. Man sieht das jetzt in den Umfragen zur Glaubwürdigkeit.

Aber bei den betroffenen Kindern geht es ja nicht darum, ob was Politiker sagen und ob sie in Umfragen als glaubwürdig gelten.
Jein! Zu versprechen, dass die Schule überhaupt nie betroffen sein wird, wie das die Ansage der Bundesregierung im Sommer für den Herbst war, das kann man nicht halten. Wir haben Ecken in Österreich, da ist die Inzidenz bei den unter 15-Jährigen bei 3.500. Das heißt, 3.500 von 100.000 sind infiziert. Wenn man dann noch von 100 Prozent Dunkelziffer ausgeht, sitzt jetzt in jeder Schulklasse im Schnitt einer, der grad positiv ist. Wie sollen Jugendliche da glauben, dass die Schule nicht betroffen ist? Die sehen bei ihren Freunden, die erkrankt sind, dass die gar nicht lustig drauf sind. Ich glaube, dass das ein Teil der Geschichte ist. Man darf auch Kindern und Jugendlichen nicht Dinge vorgaukeln, von denen man weiß, dass sie möglicherweise nicht zu halten sind. Das führt zu Frustration. Mein Stil ist das nicht.

Okay, das war die Vorgeschichte. Und jetzt?
Jetzt müssen wir diese Kinder auffangen, völlig klar. Die Österreichische Gesundheitskasse hat versprochen, dass die Zahl der Psychotherapieplätze erhöht wird. Die müssen jetzt bei den Leuten ankommen. Wir werden darüber nachdenken müssen -bei seelischen Kindergesundheit, aber auch in anderen Bereichen -, ob wir weiter bei dem Mechanismus bleiben, dass wir Leute in unseren Spitälern ausbilden, die dann sofort nach der Ausbildung in einer Privatordination aus dem öffentlichen Gesundheitssystem verschwinden.

Also mehr leistbare Therapieangebote für Kinder und Jugendliche.
Absolut. Da gibt es gerade eine Entwicklung, die mich mit Sorge erfüllt und die so nicht bleiben kann.

Das heißt in Zukunft: Wer seine Ausbildung auf Kosten der öffentlichen Hand macht, muss sich verpflichten, zumindest eine Zeitlang eine Kassenordination zu betreiben bzw. dort zu arbeiten?
Das ist das Mindeste. Man wird aber auch darüber nachdenken müssen, ob es wirklich an jeder Ecke eine Privatordination geben kann, während Kassenordinationen bestimmten Regularien unterliegen.

Blicken wir auf die nähere Zukunft: den 12. Dezember. Sie wollen zwar nichts versprechen...
Sie bekommen von mir auch keine Perspektive, weil es einfach noch zu früh ist. Wir werden erst Ende dieser Woche sehen, ob sich der Lockdown tatsächlich auf die Sieben-Tage-Inzidenz auswirkt. Und selbst das ist dann noch spekulativ. Das Abflachen, das wir jetzt sehen, liegt daran, dass wir in einigen Teilen Österreichs so hohe Infektionszahlen haben, dass schon eine Art Sättigung erreicht ist. Daher darf man diesen Rückgang nicht überinterpretieren. Aber mit belastbaren Zahlen kann man erste Rückschlüsse ziehen, und mit noch einer Woche Verzögerung sehen wir dann, was in den Spitälern passiert. Und dann kann man seriös über die weitere Notwendigkeit entscheiden.

»Die neue Corona-Variante ist schon da. Es ist einfach zu früh. Tut mir leid. Ich halte nichts von offiziellem Orakelwesen.«

Die Aussagen der Bundesregierung, am 13.12. sei der Lockdown für Geimpfte vorbei, die Forderungen der Neos nach einzelnen Einkaufstagen schon vor diesem Datum sind also nicht so schlau? Ich verstehe das alles.
Ich verstehe die Bedürfnisse, sich zu artikulieren und den Menschen Weihnachtseinkäufe zu ermöglichen. Ich hab auch noch keine Geschenke, mich quält die gleiche Frage: Was schenk ich meinen Lieben, wenn ich nicht einkaufen kann? Aber die Situation ist noch immer ernst. Die neue Corona-Variante ist schon da. Es ist einfach zu früh. Tut mir leid. Ich halte nichts von offiziellem Orakelwesen.

Sie haben bereits die Glaubwürdigkeit der Politik angesprochen und dass die Wiener Regierung diesbezüglich in Umfragen besser abschneidet. Aber ist es wirklich ein Grund zur Freude, dass die Bundesregierung so schlecht dasteht? Von der Politikverdrossenheit, die daraus entsteht, könnten irgendwann alle mit erfasst werden.
Wir nehmen unseren Job ernst, mehr kann ich dazu nicht sagen. Wir hatten Anfang vorigen Jahres als Erste in Österreich einen Krisenstab und haben ein klares Krisenmanagement aufgezogen.

Macht Ihnen die wachsende Politikverdrossenheit in Österreich Sorge?
Die beschäftigt mich schon länger, als ich selber in der Politik bin. Sie ist auch ein wichtiger Grund, warum ich das Angebot von Michael Ludwig, in seine Regierung zu kommen, angenommen habe. Demokratische Politik muss ein tägliches Ringen sein. Ich kann sagen, wir bemühen uns redlich. Das Entscheidende ist, dass die Bevölkerung sieht, dass man sich anstrengt und für die Menschen da ist. Wir haben ein anderes Verständnis als andere Regierungen in unserem Land, wie wir Politik machen und unsere Verantwortung sehen. Politik heißt: Man strengt sich jeden Tag an, für die Menschen das Leben einfacher, besser oder verständlicher zu machen. Wenn man das mit maximaler Anstrengung macht, kommt das auch als positives Feedback zurück.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News-Magazin Nr. 48/2021.