Mindestsicherung neu:
Experten schlagen Alarm

Die geplanten Änderungen der Mindestsicherung "schaden Menschen in schwierigen Situationen und machen ihr Leben noch schwieriger". Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser warnte gemeinsam mit Experten der Diakonie aus den unterschiedlichen Arbeitsfeldern vor den negativen Auswirkungen der Regierungspläne.

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Kritik - Mindestsicherung neu:
Experten schlagen Alarm

"Mit der neuen Mindestsicherung ist die alte Sozialhilfe zurück, sie ist almosenhaft und bevormundend." Die neue Regelung sehe eine Deckelung mit Maximalbeträgen nach oben, aber keine Deckelung nach unten vor. Es gebe keine Minimalbeträge. Es sei kein Zufall, dass im neuen Gesetz nicht mehr von einer "bedarfsorientierten Mindestsicherung" die Rede sei, sondern nur mehr von Sozialhilfe, so Moser. Die Grundhaltung des Vorhabens der türkis-blauen Regierung laute: "Erweise dich als würdig und du bekommst etwas."

»Die neue Mindestsicherung ist almosenhaft und bevormundend«

Die Diakonie forderte die Rücknahme der geplanten Staffelung der Kinderbeträge, wonach es für das erste Kind 216 Euro, für das zweite 130 und ab dem dritten Kind nur noch 43 Euro monatlich gibt. Auch der Arbeitsqualifizierungsbonus solle zurückgenommen werden, forderte Moser. Kritisch sahen die Experten auch die vielen Kannbestimmungen.

Wen die Kürzungen besonders hart treffen

Besonders hart treffen die geplanten Kürzungen Familien mit mehreren Kindern. So berichtete Andrea Boxhofer vom Diakoniezentrum Spattstraße von einer alleinerziehenden Mutter von vier kleinen Kindern, die jetzt schon auf 50 Quadratmetern am finanziellen Limit lebe und Angst vor dem drohenden Kürzungen habe. "Wer jetzt die Chancen von Kindern verbaut, übersieht die langfristige Wirkung. Das kommt teuer für alle", warnte Boxhofer.

»Der vorliegende Entwurf trägt umso mehr zur Manifestierung von Armut bei«

"Der vorliegende Entwurf zum Sozialhilfe-Grundgesetz trägt weniger zur Armutsbekämpfung und umso mehr zur Manifestierung von Armut bei. Besonders verletzliche Gruppen sind davon stark betroffen", analysierte Ulrike Knecht von der Heilsarmee. Sie befürchtet, dass Obdachlose künftig nicht die volle Leistung bekommen und gleichzeitig viele Menschen in die Obdachlosigkeit gedrängt werden. Vor allem die Sanktionen für Personen ohne österreichischem Pflichtschulabschluss und ohne Deutschkenntnisse sowie der Ausschluss von Straftätern von der Sozialhilfe würden Menschen in die Perspektivlosigkeit und damit in die Kriminalität und Obdachlosigkeit drängen, warnte sie.

UNHCR übt scharfe Kritik

Scharfe Kritik an der von der Regierung geplanten Reform der Mindessicherung kommt auch vonseiten der UNHCR. Einschnitte für Flüchtlinge und das komplette Streichen der Sozialhilfe für subsidiär Schutzberechtigte ließe die Betroffenen weit unter die Armutsgrenze rutschen, warnte Christoph Pinter, Leiter von UNHCR Österreich in einer Aussendung am Dienstag.

Grundsätzlich teilt man das im Gesetzesentwurf verfolgte Ziel, dass Sozialhilfe für den kürzest möglichen Zeitraum bezogen werden soll und die Betroffenen so schnell wie möglich auf eigenen Beinen stehen sollen. Die geplanten Maßnahmen sind laut UNHCR aber nicht zielführend.

Besorgnis erregend sind etwa die vorgesehenen Einschnitte für anerkannte Flüchtlinge sowie der gänzliche Ausschluss von subsidiär Schutzberechtigten, die künftig gar keinen Anspruch mehr auf Sozialhilfe haben sollen. "Anstatt die Sozialhilfe als soziales Auffangnetz und als Integrationsmotor einzusetzen, scheint hier bewusst eine Marginalisierung der Betroffenen in Kauf genommen zu werden", stellte Pinter fest.

Versteckte Wartefrist für Flüchtlinge

Anerkannte Flüchtlinge sollen die komplette Sozialhilfe nur dann beziehen können, wenn sie bereits über Deutschkenntnisse auf B1-Niveau verfügen. Dies könne aber laut Sprachexperten mit intensiven Deutschkursen frühestens nach eineinhalb Jahren erreicht werden, gibt Pinter zu bedenken. UNHCR fürchtet daher, dass über den Umweg der geforderten Deutschkenntnisse eine versteckte Wartefrist für Flüchtlinge eingeführt wird.

UNHCR appelliert an die Bundesregierung, den vorliegenden Entwurf noch einmal zu überdenken und die Neuregelung mit Blick auf die bestmögliche Integration der in Österreich schutzberechtigten Personen sowie im Einklang mit internationalem Recht umzusetzen. Es sollte versucht werden, das Potenzial, das Geflüchtete mitbringen, so gut und schnell wie möglich zu nutzen, hieß es weiters.

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