EuGH kippt Kürzung
für Asylberechtigte in OÖ

Der Europäische Gerichtshof hat die oberösterreichische Mindestsicherungsregelung mit Kürzungen für befristete Asylberechtigte gekippt (C-713/17).

von Die Flüchtlinge in Traiskirchen wollen an einem Protestmarsch teilnehmen. © Bild: APA/Fohringer

In dem Urteil vom Mittwoch heißt es, dass das EU-Recht einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, Flüchtlingen mit befristetem Aufenthaltsrecht geringere Sozialhilfeleistungen zu geben als österreichischen Staatsangehörigen.

Kürzung sei europarechtswidrig

Seit Juli 2016 erhalten in Oberösterreich subsidiär Schutzberechtigte und befristet Asylberechtigte einen deutlich niedrigeren BMS-Satz (Mindestsicherung für befristete Asylberechtigte) als dauerhaft Asylberechtigte, die hier österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sind. Eine von dieser Regelung betroffene afghanische Familie hat dagegen Beschwerde eingereicht, ihr Anwalt argumentiert, dass die oberösterreichische Rechtslage europarechtswidrig sei.

Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) wandte sich diesbezüglich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser sollte klären, ob laut EU-Richtlinie befristet Asylberechtigte so zu behandeln sind wie subsidiär Schutzberechtigte oder wie Personen mit dauerhaftem Asylstatus bzw. österreichische Staatsbürger.

Oberösterreichische Regelung gestürzt

Während das LVwG der Ansicht ist, dass befristet Asylberechtigte wie österreichische Staatsbürger zu behandeln seien, stützte der Verfassungsdienst des Bundes die oberösterreichische Regelung. Die EU-Richtlinie stehe einer nationalen Regelung nicht entgegen, die "hinsichtlich der Modalitäten der Leistungsgewährung" zwischen dauerhaft und vorerst vorübergehend aufenthaltsberechtigten Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten "insofern differenziert, als auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der jeweiligen Personengruppe Bedacht genommen wird".

Die schwarz-blaue Regierung in Oberösterreich sah in der Kürzung der Mindestsicherung für befristete Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte einen wesentlichen Beitrag, die Attraktivität ihres Bundeslandes als Zielgebiet für Flüchtlinge zu senken und das Sozialsystem vor Überforderung zu schützen.

Auszüge aus dem EuGH-Urteil zur OÖ Mindestsicherung

1. Art. 29 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die vorsieht, dass Flüchtlinge, denen in einem Mitgliedstaat ein befristetes Aufenthaltsrecht zuerkannt wurde, geringere Sozialhilfeleistungen erhalten als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats und als Flüchtlinge, denen dort ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zuerkannt wurde.

2. Ein Flüchtling kann sich vor den nationalen Gerichten auf die Unvereinbarkeit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 berufen, um die Beseitigung der in dieser Regelung enthaltenen Beschränkung seiner Rechte zu erreichen.

Konkret geht es um eine Klage des Flüchtlings Ahmad Shah Ayubi gegen die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land. Ayubi war am 30. September 2016 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Flüchtlingsstatus zugesprochen worden. Dabei wurde eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter gewährt. Mit einem am 10. April 2017 zugestellten Bescheid erkannte ihm die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land eine Hilfe in Form monatlicher Geldleistungen, bestehend aus einer Basisleistung und einem vorläufigen Steigerungsbetrag, zu. Ayubi erhob im Juni 2017 Beschwerde gegen diesen Bescheid. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich setzte das Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH aus.

Oö. ÖVP und FPÖ setzen auf bundesweite Reform

Nach der negativen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes über die oberösterreichische Mindestsicherungsregelung drängen ÖVP und FPÖ weiterhin auf eine Reform der Bestimmungen. Sie setzen auf eine bundesweite Regelung. Das teilten sie in einer gemeinsamen ersten Reaktion am Mittwoch mit. Das Landesverwaltungsgericht kündigte eine "zügige" Entscheidung an.

ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer und FPÖ-Klubobmann Herwig Mahr stellten fest: "Die Entscheidung des EuGH nehmen wir zur Kenntnis." Sie betonten aber, dass sie sich politisch weiterhin zu einer Reform der Mindestsicherung, zu mehr Arbeitsanreiz und Leistungsgerechtigkeit bekennen. Eines ihrer zentralen Ziele hätten sie in jedem Fall erreicht. Aus Oberösterreich sei mit dem konsequenten Vorangehen der nötige Anstoß für eine strengere bundeseinheitliche Regelung gegeben worden, die noch im November präsentiert werden soll.

Urteil des EuGH soll analysiert werden

Die beiden Parteien wollen das Urteil des EuGH genau analysieren und verweisen darauf, dass sich auch die Verfassungsjuristen der Republik Österreich in ihrer Stellungnahme an den EuGH eindeutig für das oö. Modell ausgesprochen hätten. Geprüft habe er die seit 2016 in Oberösterreich geltende Differenzierung bei der Mindestsicherung zwischen befristet Asylberechtigten auf der einen und dauerhaft Asylberechtigten sowie österreichischen Staatsbürgern auf der anderen. Nicht betroffen sei die seit 2017 geltende Deckelung.

Die in Oberösterreich seit Juli 2016 geltende "Mindestsicherung Neu" für befristete Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte sieht monatlich 560 Euro netto für Einzelpersonen vor: 365 Euro für Verpflegung und Wohnen plus 155 Euro Integrationsbonus plus 40 Euro Taschengeld. Seit 2017 gibt es zudem eine Deckelung mit 1.512 Euro monatlich, die eine Haushaltsgemeinschaft erhalten kann egal aus wie vielen Personen sie besteht. Diese wird derzeit vom Verfassungsgerichtshof geprüft.

Landesverwaltungsgericht will "zügig" entscheiden

Das in dem aktuellen Fall angerufene Landesverwaltungsgericht wartet auf die offizielle Mitteilung des EuGH und will danach "zügig" entscheiden. Es könnte gleich in der Sache entscheiden oder den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft für die Familie, die dagegen Beschwerde erhoben hatte, aufheben. Gegen die bevorstehende Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes wären auch noch rechtliche Schritte beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof möglich. Für die Familie ändert sich aber bis zur endgültigen rechtlichen Klärung nichts. Das gilt auch für alle anderen von der Mindestsicherung Betroffenen.

Denn laut Auskunft eines Juristen handelt es sich bei dem EuGH-Urteil zwar um eine Entscheidung in einem Einzelfall, diese habe aber Auswirkungen auf die gesamte Gruppe. Der Entscheid des EuGH in der grundlegenden Rechtsfrage ist "bindend", das heißt jedes nationale Gericht und jede Behörde muss sich daran halten und der Gesetzgeber "ist gut beraten", seine Regelungen anzupassen. Da derzeit auf Bundesebene an einer österreichweiten Regelung gearbeitet wird, dürfte dabei das EuGH-Urteil darin eingearbeitet werden.

Die Anwendung der oberösterreichischen Mindestsicherung für subsidiär Schutzbedürftige ist vom Landesverwaltungsgericht bereits im vergangenen Jahr als vereinbar mit dem europäischen Recht beurteilt worden. Das ergebe sich aus der besonderen Situation dieser Personengruppe, weil sie eben weder befristet noch unbefristet asylberechtigt sind.

Sozialministerium will EuGH-Urteil berücksichtigen

Das Sozialministerium will das EuGH-Urteil zur Mindestsicherung in Oberösterreich, wonach eine geringere Leistung für Personen mit befristetem Aufenthalt nicht zulässig ist, berücksichtigen und einen verfassungskonformen Vorschlag für eine Neuregelung vorlegen. Das kündigte der Sprecher von Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) am Mittwoch an. Die Opposition sieht sich durch das Urteil bestätigt.

Auf Details der Verhandlungen wollte der Sprecher auf Anfrage der APA nicht eingehen, er betonte aber, dass die Verhandlungen der blau-türkisen Koalition "auf der Zielgeraden" seien. Dem Vernehmen spießt es sich vor allem um den Zugriff auf das Vermögen von Beziehern der Mindestsicherung, den die ÖVP beibehalten will, die FPÖ aber zumindest für sogenannte Aufstocker ablehnt.

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