Das starke Geschlecht?

Sie sind dicker und sterben früher als Frauen. Was Männer dagegen tun können, und warum zwischen Erektionsstörungen und Herzinfarkt oft nur fünf Jahre liegen.

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Gesundheit - Das starke Geschlecht?

Ferdinand Fischer betreibt als Seniorchef mit seinem Sohn einen Harley-Davidson-Shop in Wien. Hier werden Bikes, Zubehör und Harley-Mode verkauft. Alles, was echte Männer eben brauchen. "Der Harley-Fahrer steht für ein gestandenes Mannsbild, das außer sich und seiner Frau nichts fürchtet. Um seine eigene Gesundheit kümmert er sich daher normalerweise nicht", sagt Fischer schmunzelnd. Das solle sich aber ändern, findet er. Und so wird schon bald bei der Waschanlage vor dem Geschäft, dort, wo normalerweise die Bikes auf Hochglanz poliert werden, eine begehbare Prostata stehen.

Das Durchschnittsalter der Kunden ist 46 Jahre. "Das optimale Alter, um sich einmal eingehend mit seiner Gesundheit zu beschäftigen", findet Fischer. Deshalb sagte er auch sofort zu, als Vertreter der Österreichischen Gesellschaft für Mann und Gesundheit anfragten, ob er sich einen Männergesundheitstag in dem Motorradgeschäft vorstellen könnte.

Urologe Michael Eisenmenger wünscht sich ebenfalls, dass sich Männer mehr um das eigene Wohlbefinden kümmern würden. "Sie sterben im Schnitt fünf Jahre früher als Frauen. Vier Jahre davon sind auf Verhaltens-und Umweltfaktoren zurückzuführen, ein Jahr ist biologische Veranlagung", sagt der Mediziner. Zu den Umweltfaktoren gehört unter anderem das höhere Risiko von Arbeits- und Verkehrsunfällen. So sind laut deutschem Männergesundheitsbericht 92 Prozent der Opfer tödlicher Arbeitsunfälle männlich.

Männer pflegen häufig auch einen anderen Lebensstil als Frauen: Sie ernähren sich ungesund, rauchen öfter und trinken zu viel Alkohol. Dazu kommt in vielen Fällen Bewegungsmangel. Gerade 47 Prozent der 30- bis 45-Jährigen betreiben die wöchentlich empfohlenen 150 Minuten Ausdauersport, ergab eine Erhebung der Statistik Austria.

Herzinfarkt und Diabetes

Diese Unsportlichkeit in Kombination mit einer zu kalorienreichen Ernährung führt dazu, dass mehr als die Hälfte der Männer in Österreich übergewichtig sind. Bei den Frauen sind es mit 38 Prozent deutlich weniger. Vor allem ab 30 Jahren steigt die Zahl der Fettleibigen stark an. Bei den 45- bis 60-Jährigen sind sogar 45 Prozent übergewichtig, jeder Fünfte ist adipös. Kein Wunder also, dass mehr als ein Drittel in diesem Alter angeben, an chronischen Krankheiten zu leiden.

"Männergesundheit ist nicht nur die Prostata", gibt Eisenmenger zu bedenken und kritisiert, dass es in Österreich keinen eigenen Lehrstuhl dafür gibt und die Angebote des Gesundheitswesen nicht auf Männer ausgerichtet sind. Der Urologe wünscht sich ein Umdenken der Gesellschaft. Sätze wie "Ein Mann kennt keinen Schmerz" oder "Nur die harten Männer kommen durch" würden viel zu oft schon Buben im Kindergartenalter zu hören bekommen. Doch diese Vorstellungen seien einfach falsch.

"Auch Männer dürfen Schmerzen empfinden, und wenn sie das Gefühl haben, etwas passt nicht, dann sollten sie zum Arzt gehen." So können Krankheiten frühzeitig erkannt und behandelt werden - und dabei gehe es nicht ausschließlich nur um Krebs, so der Urologe: "Jeder fürchtet sich vor dem Krebs. Dabei sind Herzinfarkte und Schlaganfälle viel häufiger." Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind hierzulande die häufigste Todesursache. Vier von zehn Österreichern sterben daran. Begünstigt werden sie durch den ungesunden Lebensstil. Auch für Altersdiabetes, an der immer mehr Menschen erkranken, zählen Übergewicht und Bluthochdruck zu den Hauptrisikofaktoren.

Vorsorge ab Ende 30

Spätestens mit Ende 30 sollte sich daher jeder Mann einmal medizinisch durchchecken lassen. Eisenmenger empfiehlt in diesem Alter eine Gesundenuntersuchung beim Hausarzt, bei der unter anderem Body-Mass-Index, Bauchumfang und Blutdruck bestimmt werden. Auch ein Belastungs-EKG ist sinnvoll. Wer viel im Freien ist, geht am besten auch gleich zum Hautarzt, um die Muttermale auf bösartige Veränderungen überprüfen zu lassen.

Mit 45 Jahren ist ein Besuch beim Urologen zur Prostatakrebsvorsoge sinnvoll. Treten Erektionsstörungen auf, sollte der Arzt unabhängig vom Alter umgehend aufgesucht werden. "Das ist zwar nach wie vor ein Tabuthema. Doch 52 Prozent der 40bis 70-Jährigen sind davon betroffen", weiß Eisenmenger. Ursache der Erektionsstörungen können ernstzunehmende Erkrankungen sein, etwa eine Verkalkung der Arterien. "Da diese im Penis deutlich dünner sind als jene im Herzen, ist dieser zuerst von den Ablagerungen und damit von den Durchflussstörungen betroffen. Die Verkalkungen werden mit der Zeit mehr. So kann das Zeitfenster zwischen ersten Erektionsstörungen und dem Herzinfarkt bis zu fünf Jahre betragen und bietet die Möglichkeit frühzeitiger Abklärung, Lebensstiländerung und Behandlung der Risikofaktoren", erklärt der Mediziner.

Mit 50 bis 55 Jahren ist eine Darmkrebsvorsorge ratsam. Werden dabei Polypen entdeckt, können die entfernt werden, bevor sie entarten.

Depression und Burnout

Nicht zum Besten steht es allerdings auch um die männliche Psyche. Oft werden Depressionen oder Burnout nicht rechtzeitig erkannt. "Das Problem ist, dass Männer nicht wahrhaben wollen, wenn sie an ihre Grenzen stoßen. Sie machen so lange weiter, bis einfach gar nichts mehr geht", sagt Michael Bayer, der Unternehmen berät, Führungskräfte coacht und Menschen, die nach einem Burnout wieder in den Beruf einsteigen, begleitet. Kritisch sei vor allem die Zeit zwischen 35 und 55. Dann haben viele bereits etliche Jahre hart an ihrer Karriere gearbeitet, haben eine Familie gegründet und möglicherweise einen Kredit für eine Wohnung oder ein Haus aufgenommen -und sind damit überlastet. "Wichtig wäre, von Zeit zu Zeit in sich hineinzuhorchen und sich zu fragen: Wie geht es mir eigentlich?", rät Bayer. Und sollte etwas nicht passen, sich zu überlegen: Was möchte ich ändern?

Die Warnsignale sind sehr individuell. Manche bekommen Magenschmerzen, andere Probleme mit dem Bewegungsapparat. Doch auch länger anhaltende Schlafstörungen können auf psychische Überlastung hinweisen. Oft ändert sich auch das Sozialverhalten, etwa das Aufgeben des Privatlebens. "Nur wenige gestehen sich ein, dass sie Hilfe brauchen", weiß Bayer aus Erfahrung. Im Gegenteil: "Oft bekomme ich Antworten, wie 'Vogeldoktor brauche ich keinen', wenn ich offensichtlich überlasteten Männern vorschlage, zu einem Psychologen zu gehen." Daher lautet Bayers Tipp an alle Geschlechtsgenossen: "Seid mehr wie die Frauen. Gebt zu, dass ich nicht immer alles im Griff habt. Erlaubt euch, auch einmal schwach zu sein."

Ferdinand Fischer hofft unterdessen, dass viele seiner Kunden in den Shop kommen werden, um sich das "Männerpickerl" zu holen. Schließlich, sagt er, habe er Interesse daran, dass seine Kunden ein möglichst hohes Alter erreichen.