Der Anschober und ich

Das mit der Eigenverantwortung funktioniert besser als oft geunkt. Mutmaßliche Lehren aus dem 8. Dezember

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Anna Gasteiger © Bild: News/Ricardo Herrgott

Der 8. Dezember, Mariä Empfängnis, übrigens nicht der Tag, an dem Maria empfangen hat -das ginge sich mit Weihnachten schlecht aus -, sondern jener, an dem sie empfangen wurde, ist auch in normalen Jahren ein lustiger Tag. Ein Feiertag, der zugleich kein Feiertag ist und an dem eine quasi gesetzliche Pflicht besteht, sich genervt durch Einkaufszentren zu schieben. Heuer aber war er besonders lustig. "Geht nicht alle einkaufen", flehte im Vorfeld die Regierung, die doch selbst beschlossen hatte, am Tag vor dem 8. Dezember den Lockdown aufzuheben. Dann gingen alle nicht einkaufen, mutmaßlich eher aus eigenem Antrieb als aus Angst vor Nehammers SCS-Truppen, und jetzt beschwert sich die Wirtschaft darüber, dass alle nicht einkaufen gingen. (Es hätte wahrscheinlich eines ausgeklügelten Systems bedurft, um die optimale Shopper-Frequenz -so viel, dass der Handel einigermaßen zufrieden ist und der Innenminister nur ein bisschen schimpfen muss -sicherzustellen: Alle Döblingerinnen über 40 müssen einkaufen gehen, alle Dornbirner unter 20 dürfen nicht usw. Im Planen von Massenevents ist die Regierung ja spitze.) Das Müssen und Dürfen war im vergangenen Jahr ein großes Thema. Wir mussten in den ersten Lockdown, dann durften wir wieder raus, dann durften wir so viel, dass wir auf einmal wieder mussten, und als alle müssen wollten, durften sie wieder dürfen. Einer alten These zufolge stehen "wir" Österreicher und -innen -Menschen, die ohne österreichischen Pass in unserem schönen Land leben und sich mit dieser Schrulle ebenfalls identifizieren können, sind mitgemeint -darauf, wenn man uns sagt, was wir tun sollen, weil wir die Regeln, die wir zuerst fordern, dann lustvoll brechen wollen. Ich halte das für überholt. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass das mit der Eigenverantwortung in Österreich weitaus besser funktioniert, als immer behauptet wird. Sehr viele Menschen haben es in den letzten Monaten geschafft, sehr verantwortungsvolle Wege zu finden, um ihren Alltag zu meistern. Sie lassen sich testen, bevor sie ihre Eltern oder Großeltern besuchen. Sie rufen bereits bei leichten Symptomen 1450. Sie vermeiden unnötige Begegnungen, tragen Maske, auch wenn es nicht explizit vorgeschrieben ist, und gehen am 8. Dezember nicht ins Einkaufszentrum. (Die Medien, die ausgerückt waren, um von marodierenden Schnäppchenjägerschwärmen zu berichten, trafen nur vernünftige Plankäufer an.) Nicht weil sie müssen -kaum jemand durchschaut noch die aktuelle Gesetzeslage, die Botschaften der Regierung sind maximal verwirrend und missverständlich -, sondern weil sie können. Und weil ihnen halt nichts anderes übrig bleibt, als sich ein eigenes Set an Vorsichtsmaßnahmen zurechtzulegen.

Vielleicht ist es zu optimistisch, vielleicht vernebelt ein Ausbruch von vorweihnachtlicher Milde mein Urteilsvermögen, aber es ist doch immerhin nicht ausgeschlossen, dass viele Menschen heuer gemerkt haben, dass es die eine -legitime - Sache ist, sich an "denen da oben" und ihrem mehr oder weniger erfolgreichen Kampf gegen die Corona-Pandemie abzuarbeiten. Aber wenn ich meine alte Oma besuche, dann schützt ihr Leben nicht der Anschober. Das schütze ich.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: gasteiger.anna@news.at

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