"Einfach schweigen und
aussitzen, das geht nicht"

Niederösterreich hadert mit seinem skandalträchtigen neuen Kirchenoberhaupt

Alois Schwarz ist seit kurzem der neue Bischof von St. Pölten. Und das trotz der massiven Vorwürfe gegen ihn. Während die Kirche so tut, als wäre nichts gewesen, rumort es beim niederösterreichischen Kirchenvolk.

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aussitzen, das geht nicht"

Karl ist enttäuscht. Er steht vor einem Krügerl Bier an der Theke eines Lokals in der St. Pöltner Innenstadt. Ein paar Meter weiter im Dom der niederösterreichischen Landeshauptstadt wird gerade Alois Schwarz in sein neues Amt als Bischof der Diözese eingeführt. "Die Kirche stellt sich immer über die Probleme und versucht, alles auszusitzen", sagt er. Mit "Problemen" meint er Folgendes: Schwarz soll in seiner 17-jährigen Amtszeit als Bischof von Kärnten nicht nur das Zölibat mit gleich zwei Frauen gebrochen haben, sondern auch Mitarbeiter bespitzelt und einen Missbrauchstäter gedeckt haben (News berichtete). Karl bezeichnet sich selbst als gläubigen Christen. In der Kirche aktiv sei er allerdings nicht. "Und zwar genau wegen solcher Vorwürfe." Und es geht nicht nur Karl so.

»"Leute sind nicht deppert"«

In der nahe gelegenen Fußgängerzone sitzt eine Gruppe Radfahrer im Schanigarten. Beinahe alle am Tisch sind bereits vor langer Zeit aus der Kirche ausgetreten. "Die Leute sind nicht deppert und lassen sich nicht mehr von der Kirche täuschen", sagt einer. "Jeder hat die Schnauze voll, wenn er angelogen wird", sagt ein anderer. Was aber meinen sie damit? Seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Bischof Schwarz hat dieser stets alle Anschuldigungen von sich gewiesen, und das trotz vielfacher Belege. In einem ORF-Beitrag sagte er sogar, dass er Gerüchte nicht kommentieren wolle. Selbst in Bezug auf einen Missbrauchsfall in Kärnten -Schwarz scheint in den Akten als Zeuge des Täters auf - wies er jegliche Verantwortung von sich. Aber nicht nur er gibt sich in der Causa wortkarg.

Christoph Schönborn, immerhin Kardinal und Vorsitzender der Bischofskonferenz, lässt News zunächst ausrichten, dass er nicht zuständig sei. Auf wiederholte Anfrage heißt es dann, dass Schönborn keine Zeit habe. Und Nuntius Peter Zurbriggen, also der päpstliche Gesandte in Österreich, reagiert nicht einmal auf die zweimalige Bitte um eine Stellungnahme.

Politik schweigt mit

Auch vor und bei der Amtseinführung im St. Pöltner Dom werden die schwerwiegenden Anschuldigungen mit keiner Silbe erwähnt. Während Schwarz gemeinsam mit Kardinal Schönborn, Nuntius Zurbriggen und zahlreichen anderen Würdenträgern seine Amtseinführung feiert, sitzen Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka andächtig auf der Kirchenbank. Außenstehende würden meinen, es sei nie etwas vorgefallen. Ganz im Gegenteil: Im Vorfeld nannte Mikl-Leitner Schwarz einen "guten Hirten, der die christliche Botschaft in Wort und Tat lebt". Und auf die Bitte nach einer erneuten Stellungnahme nach Bekanntwerden der Vorwürfe reagiert die Landeshauptfrau erst gar nicht. Es wirkt also tatsächlich so, als ob die Kirche -und in diesem Fall auch die Politik -mit Problemen nicht anders umgehen könne als mit Schweigen.

Das kritisiert auch Helmut Schüller. Der Pfarrer der niederösterreichischen Gemeinde Probstdorf gründete 2006 die sogenannte Pfarrer-Initiative. Rund 400 Geistliche haben sich der progressiven Gruppe mittlerweile angeschlossen. Sie fordern in ihrem "Aufruf zum Ungehorsam" unter anderem den Zugang von Frauen zum Priesteramt sowie eine offene Diskussion über die Probleme innerhalb der katholischen Kirche. "Einfach schweigen und aussitzen, das geht nicht. Die Dinge verschlechtern sich dadurch nur", sagt Schüller. Doch der Klerus sei immer noch der Meinung, niemandem Rechenschaft schuldig zu sein. Die Kirche mache ja keine Fehler. "Was nicht bedacht wird, ist, dass dann bekennende Katholiken am Arbeitsplatz oder in der Schule ihren Kopf hinhalten müssen. Nach jedem Kirchenskandal halten die Schüler den Religionslehrern die Zeitung vor die Nase und fragen:'Was sagen Sie dazu?' Und sie müssen dann sagen, sie wissen es nicht, weil sie keinerlei Informationen erhalten. Das ist unfair."

Schüller fordert, dass diese "absolutistische Monarchie" einem transparenten System weichen müsse. Und dass es besser wäre, mehr Fragen zu beantworten als gefragt wurden: "So bekommt man das Vertrauen. Auch Papst Franziskus möchte, dass mit den Menschen so umgegangen wird." Der Pfarrer nimmt aber nicht nur die Geistlichen, sondern auch das Kirchenvolk in die Pflicht. "Die Gläubigen sind oft zu nachgiebig. Sie müssen darauf bestehen, Dinge zu wissen, und zwar mit Nachdruck", meint Pfarrer Schüller.

Schweigetaktik

Dass diese Schweigetaktik teilweise durchaus funktioniert, zeigt sich auch vor dem St. Pöltner Dom. Eine ältere Dame mit langen, grauen Haaren ist heute extra für die Amtseinführung angereist. Sie konnte eine der 1.200 Platzkarten für den Dom ergattern. "Es gibt viele, die den Bischof verurteilen, aber ich nicht. Ich nehme die Menschen, wie sie sind. Jesus hat die Menschen auch nicht verurteilt", sagt sie.

Josef aus dem Waldviertel sieht es so: "Irgendeinen Glauben muss man ja haben. Ich bin neugierig, wie der Neue ist." Und Julian, Mitglied der katholischen Jungschar Gföhl, meint: "Das Zölibat gehört eh abgeschafft, aber Missbrauch finde ich nicht in Ordnung. Wegen solcher Vorwürfe treten die Leute aus der Kirche aus." Warum er überhaupt bei der Jungschar ist? "Wenn die Gemeinschaft passt, dann ist es egal, welcher Verein." Diese pragmatische Einstellung könnte in Niederösterreich auch einen anderen Grund haben: Durch die Ära Kurt Krenn ist man hier vorbelastet. Zu tief sitzen die Wunden von damals, als der ehemalige Bischof den Konsum kinderpornografischen Materials im St. Pöltner Priesterseminar als "Bubendummheiten" bezeichnete. Man ist froh, dass sich endlich -und auch durch das Zutun von Krenns Nachfolger Klaus Küng -die Wogen in Niederösterreich geglättet haben. Das hört man zumindest oft. Und vielleicht begründet das auch den Umgang mancher Gläubiger mit dem neuen Bischof Schwarz - man hat genug von Skandalen und hofft auf eine Amtszeit, die vor allem eines sein soll: ruhig.

Karl sieht das nicht so. Er würde austreten, wenn "mich meine Mutter dann nicht enterben würde". Er schmunzelt. Dann nimmt er einen Schluck von seinem Bier und widmet sich dem Fernseher, auf dem gerade ein Fußballspiel läuft.