Thomas Stelzer: "Also, es wird schon ziemlich zach"

Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer über das Coronamanagement der Regierung, einen längeren Lockdown für die Schulen und ein schwieriges Wahljahr in seinem Land

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Interview - Thomas Stelzer: "Also, es wird schon ziemlich zach" © Bild: Ricardo Herrgott News

News: Sollte es zur Jahreswende Optimismus in Sachen Corona gegeben haben, wurde der dieser Tage gedämpft: kein Freitesten aus dem Lockdown, das Impfen läuft nur schleppend an, und jetzt ist auch noch die britische Virusmutation in Österreich nachgewiesen worden. Wie ist die Lage aus ihrer Sicht?
Thomas Stelzer: Ich gehe fest davon aus, dass 2021 besser wird als 2020 und dass wir Corona heuer besiegen können. Es stimmt, wir sind immer noch auf rauer See, aber es ist zumindest Land in Sicht. Unsere Hoffnung ist, dass wir mit der Impfung ein wirksames Mittel haben und das Virus nicht mehr nur mit Wegsperren und Kontakteminimieren bekämpfen können.

Es gibt die Kritik, dass das Impfen zu zögerlich startet. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass man Impfdosen hortet und nicht impft?
Also, erstens bin ich einmal froh, dass wir Länder uns quasi vorgedrängt und gesagt haben, wir wollen auch am 27. Dezember bei den Impfungen dabei sein, und sie soll es nicht nur in Wien und Niederösterreich geben. Denn wenn die Impfung einmal vor Ort ist und es Leute gibt, die sich impfen lassen, wächst auch die Bereitschaft zur Impfung. Das Zweite ist: Es gibt zwar einen Impfplan des Gesundheitsministeriums, aber der muss aus meiner Sicht schon noch verfeinert und ausgebaut werden. Der Impfstoff ist kompliziert, muss bei niedrigen Temperaturen gelagert werden, daher kann man ihn nicht dezentral streuen. Aber wir müssen es trotzdem schaffen, dass wir die über 85-Jährigen impfen, die nicht in einem Heim leben, aber aus meiner Sicht trotzdem rasch zur Impfung kommen müssen. Dafür gibt es jetzt noch kein Konzept.

»Die über 85-Jährigen, die nicht in einem Heim leben, müssen trotzdem rasch zu einer Impfung kommen«

Man weiß seit Monaten, dass der Impfstoff jetzt kommt, aber dafür gibt es keine Planung? Wo hakt es da im Management, wer sind die Schwachstellen?
Wir müssen bei der Impfung auf Freiwilligkeit setzen, da die Bundesregierung sich darauf festgelegt hat, dass es keine Impfpflicht geben wird. Die Bereitschaft ist zwar im Wachsen, aber man hätte früher und offensiver eine Pro-Impf-Kampagne starten können. Das Zweite ist: Wir Länder sind davon abhängig, wie viel Impfstoff über den Bund kommt. Wir tun gerne alles, um möglichst vielen Menschen eine Impfung zu ermöglichen, ich kann mir dezentrale Impfstraßen vorstellen, wo auch nicht mobile Menschen teilnehmen können. Aber zuständig ist das Gesundheitsministerium, und die warten offenbar, bis wir den Impfstoff haben, der dann auch an die niedergelassenen Ärzte ausgeliefert werden kann. Der ist aber noch nicht zugelassen. Ich hoffe, das passiert bald.

Dann wären Sie In Oberösterreich startklar?
Wir impfen schon diese Woche wieder in einigen Alten-und Pflegeheimen. Ich glaube, es ist wichtig, dass man jetzt den Faden nicht abreißen lässt, denn wir haben bei den ersten Impfungen gesehen, dass die Bereitschaft bei Bewohnern und Pflegepersonal sehr groß ist. Wir haben auch schon viele Anfragen: Wann geht es endlich los?

Bewirkt die jetzige Knappheit auch, dass die Menschen die Impfung dringender haben wollen?
Ich glaube, viele Leute sehen, dass man diesen Feind Corona nur mit der Impfung überwinden und sich dadurch viel von unseren gewohnten Lebenzurückholen kann.

Der derzeitige Lockdown soll bis 24. Jänner dauern. Aber ehrlich: Ist er dann wirklich vorbei oder wird er noch länger, weil die Zahlen nicht so schnell sinken und die neue Virusmutation ansteckender ist?
Leider können wir die Dinge oft nur tagesaktuell bewerten. Aber Bundesregierung und Länder gehen schon vom 24. Jänner aus. Wir haben auch unser Testwochenende in Oberösterreich auf diesen Termin verlegt. Aber wir sind leider schon oft genug überrascht worden. Man muss diese neue Mutation ganz genau beobachten.

Man sollte sich also für den 25. Jänner noch nichts ausmachen...
Es ist ein Fahren auf Sicht. Klar ist nur, dass das Coronatesten zu unserer Grundausrüstung gehören muss, bis wir mit der Impfung in der Breite sind.

Es gibt eine Debatte um die Schulöffnungen: Sollten sie bis zu den Semesterferien für Präsenzunterricht geschlossen bleiben?
Uns wurde gesagt, dass die neue Virusmutation ansteckender ist und offensichtlich junge Leute stärker betrifft. Ich würde schon sagen, dass man sich das genau anschauen muss: Jeder Tag in der Schule ist besser, als nicht in die Schule zu gehen, aber man sollte auch keine unüberschaubaren Risiken eingehen.

Also den Lockdown für Kinder eher verlängern, wenn sich bestätigt, dass sie nun eher erkranken?
Dann sollte man die Möglichkeiten des Distance Learnings, bei allen Herausforderungen, die das bringt, länger nutzen.

Wie gehen ihre Kinder damit um, ihre Freunde nicht treffen zu können?
Meine Tochter ist noch in der Schule, der Sohn studiert: Was überraschend gut funktioniert, sind die Online-Angebote bis hin zu Prüfungen, da sind die Pädagogen sehr engagiert. Aber das beste und lustigste Facetime-Gespräch oder die schönste Onlinekonferenz ersetzen den persönlichen Kontakt nicht. Also, es wird schon ziemlich zach, wie die Oberösterreicher sagen.

Die Länder waren in der Gesetzesbegutachtung skeptisch, was das Freitesten betrifft. Warum?
Ich trage das Konzept des Freitestens mit, allerdings ist in den ausgesandten Rechtsgrundlagen wenig Konkretes drinnen gestanden. Wir in den Ländern haben ja immer das Thema: Wir müssen das vor Ort vollziehen. Daher brauchen wir Klarheit.

»Jeder Tag in der Schule ist besser, aber man sollte auch keine Risiken eingehen«

Ist die Bundesregierung mit dem nach wie vor aufrechten Plan von Tests vor Theateroder Wirtshausbesuchen nicht ziemlich weit weg vom Leben der Menschen? In der Stadt kommt man schnell an einen Test, aber wie soll das am Land gehen?
In einem Flächenbundesland wie Oberösterreich ist das tatsächlich eine Herausforderung. Wir brauchen ja auch immer Freiwillige, die mitmachen.
Aber wir bereiten uns schon darauf vor, dass wir auch nach dem Lockdown ein ständiges tägliches Angebot haben.

Vor dem Massentests im Dezember haben Sie harsche Kritik an der Bundesregierung geübt: Sie kündige viel an, und nichts funktioniert.
Ich würde so sagen: Die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel sind eine gute Gelegenheit, dass alle die Dinge überdenken. Wichtig ist, dass man sich gemeinsam etwas vornimmt -und auch zu Ende denkt, dass es vor Ort machbar sein muss. Und zwar auch außerhalb städtischer Gebiete.

Vizekanzler Kogler hat seinerseits den Ball an die Länder gespielt und im News-Interview gesagt: "Wenn die Länder immer über Überforderung klagen, könnte man ja Kompetenzen an den Bund verlagern."
Das Zauberwort heißt: "machen". Wenn ich an die Großtestungen vor Weihnachten erinnere -da hatten wir in Oberösterreich an jedem der vier Tage 7.000 Leute im Einsatz, die allermeisten davon ehrenamtlich. Ich glaube, dass manche in den Zentralstellen sich nicht vorstellen können, wie so etwas funktioniert. Daher: Wenn man über Kompetenzverschiebungen nachdenkt, dann eher dorthin, wo es auch geschieht, organisiert und gemacht wird. Aber ich habe kein Interesse, dass wir gegeneinander aufrechnen: Unser Gegner heißt Corona, den müssen wir in die Schranken weisen. Und dabei helfen Reibereien nichts.

Zuletzt gab es Streit zwischen Regierung und Opposition ums Freitesten aus dem Lockdown, das nun nicht kommt. Verstehen das die Leute?
Natürlich ist es immer am besten, wenn die Dinge, die präsentiert werden, auch umgesetzt werden und dass es Klarheit gibt. Aber wenn jetzt keine Mehrheit dafür zustande kommt, tu ich nicht herumsudern. Es ist so.

Sie müssen in dieser schwierigen Zeit wahlkämpfen. Wie legen Sie es an?
Wir haben im Herbst Landtags-und Gemeinderatswahlen. Aber jetzt ist mein ganzer Kopf voll mit anderen Themen: Wie gehen wir mit Corona um? Wie organisieren wir die Tests? Wie geht das mit dem Impfen? Ich hab keinen Geist für Wahltaktik. Ich glaube auch, dass die Leute dafür null Interesse haben. Woran sie aber Interesse haben, ist, dass der Landeshauptmann konsequent Verantwortung übernimmt. Das versuche ich zu tun. Das werden wir auf die Waagschale legen, wenn es so weit ist.

Alle Regierenden haben im Umfragen sehr gute Werte, gleichzeitig ist die Unzufriedenheit mit dem, was sie tun, derzeit sehr hoch. Was wird am Wahltag schwerer wiegen?
Da kann sich noch vieles ändern. Aber ich glaube, dass man seine Verantwortung wahrnehmen muss, dass die Leute erwarten, dass entschieden wird, und dass sie sehen, dass sich Dinge positiv ändern. Diese Erwartungen will ich erfüllen.

Meist verteilen Regierungen in Wahljahren Wahlzuckerln. Was verspricht man in Coronazeiten?
Wir haben einen Oberösterreich-Plan versprochen, der heuer beginnt. Wir investieren in den nächsten fünf Jahren zusätzlich zum laufenden Budget 1,2 Milliarden Euro, um möglichst schnell aus der wirtschaftlichen Coronakrise herauszukommen, Infrastruktur und Arbeitsplätze zu schaffen bis hin zur Gründung einer Digitaluniversität.

Funktioniert das noch? Die Regierung gibt Geld aus, und die Leute merken es sich bis zum Wahltag?
Was funktioniert, ist, dass die Leute fragen: "Was tust du oder was hast du getan?" Wir handeln eben. Geschenke oder Zuckerln zu verteilen, davon halte ich sowieso nichts, weil das ist schon längst durchschaut worden.

In Umfragen zeigt sich, dass sich viele Menschen schon vor Sparpaketen fürchten, die die Krisenkosten wieder hereinbringen sollen.
Wir haben in den letzten Jahren in Oberösterreich eine sehr solide Haushaltspolitik gemacht, was uns mehr Möglichkeiten gibt. Jetzt müssen wir in die Vollen greifen, indem wir viel Geld investieren. Wir bekommen dafür ja auch etwas: Wir sichern Beschäftigung, und das wird ja nach Corona wieder zu Wachstum und Einnahmen führen. Jetzt sind wir mitten in der Krise. Über ausgeglichene Haushalte reden wir danach wieder.

Sie regieren mit der FPÖ, die auf Bundesebene gegen viele Coronamaßnahmen ist. Wie wirkt sich das im Regierungsalltag aus?
Wir haben bisher die großen Coronaherausforderungen als Regierung sehr konsequent bearbeiten können. Wir kommen schnell zu den wichtigen Beschlüssen. Aber ich kann nicht oft genug sagen: Eine Koalition besteht aus verschiedenen Parteien, die auch konträre Standpunkte haben.

Die Grünen machen sich Hoffnungen, dass es künftig in Oberösterreich Türkis- Grün gibt. Wie zufrieden sind Sie mit dieser Konstellation im Bund?
Ich bin zunächst zufrieden, wie wir unsere Partnerschaft in Oberösterreich leben. Im Kontakt mit der Bundesregierung konnten wir einiges erreichen: Wir haben den Zuschlag für die neue Digital-Uni bekommen und sind gerade beim Abschluss der Verhandlungen für ein großes öffentliches Verkehrsprojekt im Großraum Linz. Ansonsten ist es wie immer: Es muss erst einmal gewählt werden, dann muss man schauen, was sich ausgeht und worauf man sich einigen kann.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr.1/21

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