May: Meine Pflicht, Großbritannien aus der EU zu führen

Premierministerin überstand zuvor Misstrauensvotum

Die britische Premierministerin Theresa May hält es für ihre Pflicht, Großbritannien aus der Europäischen Union zu führen. Das sagte May bei einer kurzfristig angekündigten Ansprache am späten Mittwochabend. Davor musste sich May einem Misstrauensvotum stellen und überstand dieses. Außerdem rief sie zu Geschlossenheit auf.

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May hatte nur wenige Stunden zuvor ein Misstrauensvotum im Parlament überstanden. Eine Mehrheit von 325 zu 306 der Abgeordneten hatte May und ihrem Kabinett das Vertrauen ausgesprochen.

Erste Gespräche mit Oppositionspolitiker

Sie habe bereits Gespräche mit Oppositionspolitikern über den weiteren Brexit-Kurs des Landes geführt, sagte May. Oppositionschef Jeremy Corbyn hatte ein Treffen mit der Regierungschefin allerdings verweigert, solange May einen ungeordneten Brexit nicht ausschließt. Sie bedauere das, die Tür stehe aber weiter offen, sagte May.

Beunruhigende Ereignisse

Sie verstehe, dass die Ereignisse der vergangenen 24 Stunden für die Menschen beunruhigend gewesen seien. "Ich glaube, dass es meine Pflicht ist, die Anweisung des britischen Volkes auszuführen, die EU zu verlassen, und ich habe vor, das zu tun."

Jetzt herausfinden, was das Parlament will

Die Abgeordneten hätten klargemacht, was sie nicht wollten, sagte die Regierungschefin. Nun müsse konstruktiv daran gearbeitet werden, herauszufinden, was das Parlament will. Es sei jetzt an der Zeit, Eigeninteressen hintanzustellen.

Die Premierministerin will dem Unterhaus am kommenden Montag darlegen, wie es weitergehen soll, um einen chaotischen EU-Austritt in zehn Wochen doch noch zu verhindern. Zuvor will sie sich weiter mit den anderen Parteien im Unterhaus beraten.

Mehrere Brexit-Szenarien sind jetzt möglich:

  • Sie könnte versuchen, weitere Zugeständnisse der EU zu erreichen und das Abkommen dann erneut zur Abstimmung zu bringen.
  • Denkbar ist auch die Forderung nach einer Verschiebung des Austrittsdatums.
  • Ansonsten würde ein ungeordneter Brexit am 29. März eintreten.

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EU signalisiert Verhandlungsbereitschaft

Die EU signalisierte Großbritannien unterdessen Verhandlungsbereitschaft über das Brexit-Abkommen. "Falls das Vereinigte Königreich künftig eine Änderung seiner roten Linien zulässt (...), wäre die EU sofort bereit zu einer positiven Antwort", sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier vor dem Europaparlament in Straßburg. Darunter fällt eine noch stärkere Ausrichtung nach EU-Regeln, um künftig eine sehr enge Handelsbeziehung zu gewährleisten. Kein Entgegenkommen sei aber bei einem der zentralen Streitpunkte möglich: Barnier bekräftigte, eine physische Grenze zwischen Irland und Nordirland müsse verhindert werden.

Austritt verschieben?

Einem Zeitungsbericht vom Mittwoch zufolge prüfen EU-Vertreter, den Austritt des Vereinigten Königreichs bis 2020 zu verschieben. Dazu würden rechtliche Wege geprüft, berichtete die Zeitung "The Times" unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Quellen. Zuvor war von ein paar Monaten Verzögerung die Rede.

Kompliziert wäre eine Brexit-Nachspielzeit allerdings durch die Wahlen zum EU-Parlament Ende Mai. Großbritannien ist dann eigentlich nicht mehr dabei, die Sitze des Landes fallen weg. Der Chef der Liberalen im Parlament, Guy Verhofstadt, warnte deswegen vor zu viel Entgegenkommen. "Auch wenn das Königreich mehr Zeit braucht, wäre es ein schlechte Idee, den Austritt auf ein Datum nach der Wahl zum Europaparlament zu verschieben." Der Urnengang ist für den 26. Mai angesetzt.

Großbritannien will die EU nach gut 45 Jahren Mitgliedschaft verlassen. Bis Ende 2020 gibt es eine Übergangsphase, in der dort noch EU-Recht gilt. Die Zeit, die notfalls um zwei Jahre verlängert werden kann, gilt aber nur, wenn London vor dem Austritt den Scheidungsvertrag mit Brüssel unterzeichnet.

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