Bekommt Greta Thunberg den Friedensnobelpreis?

16-jährige Klimaaktivistin ist die Favoritin in einem starken Teilnehmerfeld

Der Friedensnobelpreis feiert in diesem Jahr ein Jubiläum: Bereits zum 100. Mal wird die wichtigste politische Auszeichnung der Welt vergeben. Und dabei könnte am Freitag (11. Oktober) auch ein Rekord gebrochen werden. Als Favoritin gilt heuer die erst 16-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg - sie wäre jüngste Preisträgerin in der Geschichte der Nobelpreise überhaupt.

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Hohe Auszeichnung - Bekommt Greta Thunberg den Friedensnobelpreis?

Bisher ist das die Pakistani Malala Yousafzai, die 2014 im Alter von damals 17 Jahren ausgezeichnet wurde, die jüngste Preisträgerin. Die irakische Menschenrechtsaktivistin Nadia Murad erhielt den Friedenspreis 2018 mit 25, nach Malala der jüngste Wert. Thunberg wird erst Anfang Jänner 17 Jahre alt.

89 Männer und 17 Frauen ausgezeichnet

Seit 1901 hat das Norwegische Nobelkomitee den Friedensnobelpreis 99 Mal verliehen. In insgesamt 19 Jahren, etwa während der Weltkriege (1914-1916 oder 1939-1943) gab es keinen Preisträger. Seit 1973 wurde die Auszeichnung aber jedes Jahr vergeben. Insgesamt wurden seit Beginn 130 verschiedene Preisträger gekürt, darunter 89 Männer, nur 17 Frauen und 24 Organisationen.

301 Nominierungen

In diesem Jahr gibt es 301 Nominierungen - das ist der vierthöchste Wert nach 376 Nominierungen im Jahr 2016. Darunter finden sich 223 Persönlichkeiten und 78 Organisationen. Ihre Namen werden vonseiten der Verantwortlichen für 50 Jahre unter Verschluss gehalten.

Alle Jahre wieder....großes Rätselraten

Das große Teilnehmerfeld und die Nobelstatuten sorgen dafür, dass es vor der Bekanntgabe des Preisträgers alle Jahre wieder ein großes Rätselraten gibt. Das führt unter anderem so weit, dass man auf so ziemlich jeden bekannten Namen wetten kann: Bei den Wettanbietern kann man sein Geld selbst auf Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un, Großbritanniens Ex-Premierministerin Theresa May und den katalanischen Ex-Regierungschef Carles Puigdemont setzen. Auch US-Präsident Donald Trump steht recht weit oben auf der Liste - ihm werden teils gar bessere Chancen als etwa US-Whistleblower Edward Snowden eingeräumt.

Greta und die Bewegung

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg steht vergleichsweise erst kurz im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit - dafür aber umso intensiver. Der Beginn ihres Klimaprotestes vor dem Reichstag in Stockholm ist nicht einmal 14 Monate her. Der von ihr initiierte "Schulstreiks für das Klima" ist inzwischen zur globalen Bewegung "Fridays for Future" (FFF) geworden.

Wettbüros sehen Aktivistin vorne

Vor der Bekanntgabe der renommiertesten politischen Auszeichnung der Welt an diesem Freitag in Oslo wird sie von mehreren Wissenschaftlern zum engeren Kandidatenkreis gezählt, verschiedene Wettbüros sehen sie als klare Spitzenkandidatin, weit vor großen Namen wie denen von Papst Franziskus und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel oder Organisationen wie Reporter ohne Grenzen (ROG) oder dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR).

»Bei dem Preis geht es nicht immer um Kriege und bewaffnete Konflikte«

Der Friedensforscher Peter Wallensteen von der Universität in Uppsala weist darauf hin, dass es Thunberg geglückt sei, junge Menschen in aller Welt zu mobilisieren. Er denke, mit ihrem Handeln erfülle sie Nobels Vorgabe, für die Verbrüderung zwischen den Völkern beigetragen zu haben. SIPRI-Direktor Smith sagt: "Das Friedensnobelpreiskomitee hat Umweltaktivismus bereits in der Vergangenheit geehrt. Bei dem Preis geht es nicht immer um Kriege und bewaffnete Konflikte." Es sei das Jahr der Klimaproteste, was Thunberg zu einer offensichtlichen Kandidatin mache. "Dieser Teenager hat einen Weckruf gegeben, den die Leute gehört haben."

"Das Komitee ist sehr gut darin, die Welt zu überraschen"

Dass die Schwedin bei den skandinavischen Nachbarn in Norwegen geehrt wird, ist allerdings alles andere als ausgemachte Sache. Das liegt zum einen daran, dass sich das zuständige Nobelkomitee kaum von der öffentlichen Meinung in eine Richtung drängen lässt. "Das Komitee ist sehr gut darin, die Welt zu überraschen", sagt auch Dan Smith, der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI.

Andere Namen

Der Direktor des Osloer Instituts für Friedensforschung Prio, Henrik Urdal, hat mehrere junge Aktivisten auf dem Schirm - Thunberg zählt aber nicht dazu. Sein engerer Favoritenkreis wird von drei Jüngeren angeführt: Hajar Sharif aus Libyen, Ilwad Elman aus Somalia und Nathan Law aus Hongkong. Die Bedeutung des Einsatzes junger Aktivisten sei in den vergangenen Jahren immer deutlicher geworden, erklärte Urdal dazu. "Junge Leute setzen die Agenda für Themen, die für Frieden und Sicherheit sowohl lokal als auch global von entscheidender Bedeutung sind." Dabei forderten sie auch die übliche Machtverteilung unter den Generationen heraus.

SIPRI-Leiter Smith erwähnt aber auch einen älteren Kandidaten: den heute 88 Jahre alten US-Whistleblower Daniel Ellsberg, der 1971 die sogenannten Pentagon-Papiere enthüllt und damit die geheimen Vietnamkriegspläne der damaligen US-Regierung publik gemacht hatte. "Ich glaube, wir brauchen Whistleblower. Die Demokratie braucht sie."

»Ich denke, das Komitee wird sich für Abiy Ahmed entscheiden, den Ministerpräsidenten von Äthiopien«

Ellsberg wäre eine überraschende Wahl. Neben Thunberg fällt dagegen immer wieder ein weiterer Name, den die Experten auf dem Zettel haben. "Ich denke, das Komitee wird sich für Abiy Ahmed entscheiden, den Ministerpräsidenten von Äthiopien", sagt der norwegische Nobelhistoriker Asle Sveen. Abiy habe mit Eritrea nach vielen Jahren des Krieges ein Friedensabkommen geschlossen und einen Reformprozess in Gang gesetzt. "Das stünde im Einklang mit Alfred Nobels Testament." Auch Urdal und Wallensteen erwähnen Abiy, Smith ebenso. Der sagt aber auch: "Es gibt in diesem Jahr viele gute Kandidaten, und das in einem eher schwierigen globalen Umfeld. Ich finde, das ist ziemlich ermutigend."