BVT - Österreich trat
"freiwillig" aus Berner Club aus

Vor den heutigen Zeugen-Befragungen im BVT-U-Ausschuss ist ein neuer interessanter Aspekt in der Affäre um den Geheimdienst aufgetaucht

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Geheimdienst - BVT - Österreich trat
"freiwillig" aus Berner Club aus

Wie der "Falter" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet und das Innenministerium bestätigt, ist das BVT aus der wichtigen "Berner Gruppe" internationaler Geheim- und Nachrichtendienste vorübergehend "freiwillig" ausgetreten.

Laut "Falter" wurde Österreich "nahegelegt, von sich aus zeitweilig das Gremium zu verlassen, solange die BVT-Affäre nicht geklärt sei". BVT-Chef Peter Gridling habe verfügt, dass sich Österreich für kurze Zeit freiwillig aus dem Berner Club zurückzieht - und zwar sowohl auf repräsentativer Ebene wie auch aus den Arbeitsgruppen, "sonst wären wir rausgeworfen worden", wird ein "hochrangiger Mitarbeiter des BVT" in der Stadtzeitung zitiert.

Kardeis: Nehmen seit Herbst dieses Jahres wieder am Clubgeschehen teil

Das Innenministerium bestätigt diesen Sachverhalt, stellt das Motiv aber anders dar: "Österreich war zu keinem Zeitpunkt vom Informationsfluss und -austausch mit den Partnerdiensten und innerhalb des Berner Clubs abgeschnitten", sagte die Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, in einer Aussendung am Dienstag. Ebenso wenig sei ein Ausschluss aus dem Berner Club zur Debatte gestanden. Jedoch habe sich das BVT aus freien Stücken vorübergehend aus den Arbeitsgruppen des Berner Clubs zurückgenommen.

"Dadurch wurde Vertrauensvorbehalten bewusst entgegengewirkt", die allerdings nicht aus der medial breit berichteten "BVT-Affäre" herrührten, sondern im Zusammenhang mit einem Spionage-Verdachtsfall aus dem Jahr 2017 gegen einen ehemaligen BVT-Mitarbeiter gestanden seien. In diesem Fall sei das Innenministerium selbst mit Anzeigen aktiv geworden, die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft seien noch anhängig.

"Die Arbeitsgruppen des Berner Clubs dienen jedoch nicht dem Austausch konkreter Informationen, sondern der Erörterung einzelner nachrichtendienstlicher Themengebiete", so Kardeis. Überdies sei das BVT über die Ergebnisse der von Österreich nicht beschickten Sitzungen regelmäßig informiert worden. Sämtliche konkrete Informationen insbesondere in Bezug auf Extremismus und Terrorbekämpfung gingen ohnehin weiter ein.


"Nach der Präsentation von Reformvorhaben und der Implementierung besserer Kontrollmechanismen zum Schutz sensibler Informationen nimmt das BVT seit Herbst dieses Jahres – im besten Einvernehmen mit den Partnerdiensten – wieder am Clubgeschehen teil", so Kardeis.

Goldgruber verteidigt sich

Der Generalsekretär des Innenministeriums Peter Goldgruber hat sich Dienstagvormittag im BVT-Untersuchungsausschuss verteidigt und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Gleichzeitig nahm er Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in Schutz: "Ich habe vom Minister nie den Auftrag erhalten irgendwo aufzuräumen."

Gleich in seinem Eingangsstatement drückte der betont freundlich auftretende Spitzenbeamte seine Hoffnung aus, die Abgeordneten überzeugen zu können, dass seine Vorgangsweise in der Angelegenheit der Rechtslage entsprochen habe. Anfang des Jahres sei er mit jenem ominösen Konvolut voller Vorwürfe gegen BVT-Beamte konfrontiert worden und da habe er von seiner Führungsverantwortung her weitere Schritte setzen müssen, da das Papier Verdachtsfälle von Straftaten und Pflichtverletzungen enthalte.

Erhalten hat Goldgruber das Konvolut vom Anwalt Gabriel Lansky, der ja im Ausschuss die Aussage fast zu 100 Prozent verweigert hatte. Vorher habe er diesen nicht gekannt, den Kontakt habe der Stadthauptmann des Ersten Wiener Gemeindebezirks hergestellt. Lansky habe ihn auch auf Staatsanwältin Ursula Schmudermayer aufmerksam gemacht, da bei dieser seines Wissens ein Verfahren in Sachen BVT anhängig gewesen sei.

An diese habe er sich dann auch wenig später gewendet, wobei auch deren Vorsitzender Wolfgang Handler bei einer Besprechung anwesend gewesen sei. Dass er nicht an den Generalsekretär des Justizministeriums (Christian Pilnacek) herangetreten sei, begründete Goldgruber unter anderem mit Datenschutz-Argumenten.

Bestritten wurde von Goldgruber, Druck auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ausgeübt zu haben. Das wäre schon daher nicht möglich gewesen, da er über den Ermittlungsstand nicht informiert gewesen sei. Dass man möglichst geheim und ohne elektronischen Verkehr kommuniziert habe, sei Wunsch der Staatsanwaltschaft gewesen.

Der BMI-Generalsekretär schilderte ferner bei der Befragung durch den Verfahrensrichter, dass er der Staatsanwaltschaft offeriert habe, eine Einheit für die Hausdurchsuchung im BVT zur Verfügung zu stellen. Dass seine eher ungewöhnliche Wahl auf die Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität gefallen war, begründete er einerseits mit deren Professionalität, andererseits damit, dass diese im Gegensatz zu anderen Einheiten im Vorwurfskonvolut nicht vorgekommen sei. Dass er die EGS angewiesen habe, Notizen im Zusammenhang mit der Razzia zu vernichten, bestritt Goldgruber.

Debatte um Extremismus-Referatsleiterin

Breiten Raum in der Befragung von Innenministerium-Generalsekretär Peter Goldgruber nahm der angebliche Versuch ein, die Leiterin des Extremismusreferats im BVT Sibylle G. aus ihrem Amt zu drängen. Dass es entsprechende Überlegungen gab, legen auch interne Aussagen der Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, nahe, die heute bekannt wurden.

Goldgruber bestätigte bloß, BVT-Vizechef Dominik Fasching damit beauftragt zu haben, zu schauen, ob dienstrechtliche Verfehlungen G.'s bestanden hätten und allfällige Missstände abzustellen. Was die Vorwürfe angeht, blieb der Generalsekretär eher vage. Verwiesen wurden beispielsweise auf die chaotischen Zustände, die in ihrem Büro geherrscht haben sollen. Entsprechende Eindrücke waren im Ausschuss bereits mehrfach behandelt worden.

Über die Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, die durch ihre antisemitischen Liederbücher und das vorübergehende Polit-Aus von FPÖ-Politiker Udo Landbauer bekannt wurde, hat Goldgruber mit G. eigenen Angaben zu Folge nicht gesprochen. Sehr wohl haber er aber mit ihr über Vorwürfe geredet, wonach sie Informationen an Medien weitergebe. In freiheitlichen Kreisen soll es ja die Vermutung geben, G. habe die Liederbücher an Medien "gesteckt".

Dass G. gedrängt worden sei, statt der Extremismus- die Sportabteilung im BVT zu übernehmen, sieht der Generalsekretär nicht als Abstieg. Zudem sei diese Überlegung entstanden, weil die Leitung dieser Abteilung gerade frei gewesen sei. Indirekte Vorwürfe, dass so das Extremismus-Referat quasi lahmgelegt werden sollte, wies Goldgruber scharf zurück: "Das Wissen ist nicht exklusiv bei der Frau G. geparkt", verwies auf die Fachkompetenz der anderen Beamten ihrer Abteilung.

Zumindest nicht bestritten wurde von Goldgruber ein Treffen von ihm mit Kardeis und BVT-Chef Peter Gridling, wo es um Mitarbeiter im Extremismus-Referat gegangen sei. Bestätigt wurde vom Generalsekretär, dass er nachgefragt habe, gegen welche deutschnationalen Burschenschaften ermittelt werde bzw. worden sei. Wackelig wurde er zur Frage, ob er auch nach den Namen von verdeckten Ermittlern in dem Bereich gefragt habe. Zuerst schloss er das aus, nach der Drohung des Abgeordneten Peter Pilz mit einer Anzeige relativierte er, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit keine entsprechenden Fragen gestellt habe.

Hinterfragt wurde von der Opposition die mögliche Beeinflussung von Belastungszeugen durch den Generalsekretär. Dies wies Goldgruber zurück. Er habe nur mit zwei der Auskunftspersonen gesprochen. Die hochrangigere davon habe er gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Udo Lett in einem Lokal getroffen. Dabei sei aber der Dienstunfall das Hauptthema gewesen, bestätigte er W.'s Aussagen im Ausschuss. Dessen Angaben, wonach ihm Goldgruber gesagt habe, vor der Staatsanwaltschaft aussagen zu müssen, relativierte der Spitzenbeamte. Er habe ihm nur auf die Anzeigepflicht hingewiesen.

Ein weiteres Mal bestritt Goldgruber, vor der Staatsanwaltschaft davon gesprochen zu haben, vom Minister den Auftrag zum Aufräumen zu haben. Auf weiteres Nachbohren, ob er das auch nicht sinngemäß gesagt habe, relativierte der Generalsekretär zum wiederholten Male: Das sei ihm nicht erinnerlich.

Wieder einmal thematisiert wurde die Frage, ob die Belastungszeugen ordentlich von ihrer Amtsverschwiegenheit entbunden wurden. Goldgruber war in seinen Antworten zwar nicht rasend präzise, blieb aber letztlich dabei, dass er die Zeugen über Lett mündlich entbinden habe lassen. Wäre das nicht geschehen, hätten die Aussagen wohl gar nicht verwertet werden dürfen.

Goldgruber will keine Infos über Razzien

Keine allzu spannenden Enthüllungen hat die Schlussphase der medienöffentlichen Befragung von BMI-Generalsekretär Peter Goldgruber ergeben. Bis dahin im Ausschuss kein Thema war allerdings, dass Goldgruber vor einer Hausdurchsuchung bei einem FPÖ-Funktionär wegen Rechtsextremismus informiert worden sei. Das habe er aber abgedreht und sogar gebeten, die Razzia zu verschieben, damit er über den Termin nicht informiert sei.

An die medienöffentliche Befragung angehängt wurde eine kurze geheime, da in dieser hoch klassifizierte Akten bearbeitet werden sollen. Der Abgeordnete Peter Pilz kündigte hier schon eine Anzeige gegen Goldgruber an, weil er vermutet, dass dieser Falschangaben gemacht hat, was die Frage nach verdeckten Ermittlern angeht.

Dass das BVT durch die Affäre großen Schaden genommen hat, wollte Goldgruber nicht so sehen. Es wurde ja nur gegen einzelne Beamte ermittelt und nicht gegen das ganze Amt. Dass ein italienischer Dienst nicht mehr mit dem BVT kooperieren wolle, höre er zum ersten Mal. Die Hausdurchsuchung im Bundesamt sei auch nicht so turbulent gewesen wie immer wieder dargestellt, sonst wäre sie ja früher in den Medien aufgetaucht.

Zur Razzia im Bundesamt bestätigte der Generalsekretär letztlich, angeregt zu haben, dass keine unnötigen Dokumentationen angelegt werden sollen, damit diese nicht in falsche Hände fallen. Am Tag nach der Hausdurchsuchung seien jedenfalls die Sicherstellungsprotokolle von der EGS bei ihm unaufgefordert vorbeigebracht worden.

Relativ ergebnisarm waren die Befragungen zu Goldgrubers Begegnungen mit Anwalt Gabriel Lansky, der ihm das ominöse Vorwurfskonvolut übergeben hatte. Komisch kam ihm daran nichts vor, auch wenn gegen Lansky ja in der Kasachstan-Affäre selbst vom BVT ermittelt wurde und hier eine Racheaktion vermutet hätte werden können. Zu Staatsanwältin Ursula Schmudermayer sei er jedenfalls selbst hingegangen, Lansky habe er nur um Klärung gebeten, ob diese tatsächlich in der Causa zuständig sei.

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