FPÖ-Hymne
wider Willen

Die John Otti Band heizt bei FPÖ-Veranstaltungen mit einem Hit der DDR-Rockband Puhdys ein. Die hat aber was dagegen.

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Politik - FPÖ-Hymne
wider Willen

Wahlabend in der Wiener Marx-Halle. Die FPÖ feiert ihren Wahlerfolg. Alles wartet auf die Ankunft von Parteichef Heinz-Christian Strache. Auf der Bühne steht die John Otti Band und heizt ein. "Hey, wir wollen den HC sehen! Ohohohohoh!" Der Song hat alles. Tempo, Mitgrölqualitäten, eine eingängige Melodie. Dann, am Ende des Refrains heißt es: "Wir hab'n den HC so gern, wir hab'n den HC so gern."

Die naiven Worte entfalten eine eigenartige Wirkung in der Halle. Wie Kinder sitzen die FPÖ-Wähler beim Bier, schwenken rot-weiß-rote Fähnchen und warten auf Papa Strache. Das Lied passt perfekt in das gerne beschworene Bild von der "großen FPÖ-Familie". Die John Otti Band, Haus-und Hofband der FPÖ, spielt es an diesem Abend zwei Mal - es gilt, stimmungsmäßig mehrere Stunden zu überbrücken, bis die Parteispitze endlich die Bühne erklimmt und sich feiern lässt.

"Hey, wir woll'n Eisbären sehen", heißt der Song ursprünglich, und selbst Schlagerkönig Jürgen Drews, der ihn 2011 coverte und endgültig zum Ballermann-Hit machte, soll die längste Zeit geglaubt haben, es handle sich um eine Ode auf die gefährdete Tierart aus der nördlichen Polarregion. Tatsächlich wurde er 1997 für den Eishockey-Club "Eisbären Berlin" geschrieben. Von den Puhdys, einer der größten und berühmtesten DDR-Rockbands.

Eigenleben

"... unser Leben wär' so leer ohne Bär'n, wir haben die Eisbären so gern." Die Melodie kriecht in die Gehörgänge und ist dort tagelang nicht mehr herauszubekommen. Die Uraufführung im Berliner "Wellblechpalast", dem damaligen Eisbären-Stadion, verlief noch unauffällig. Doch langsam entwickelte sich die Fan-Hymne zum Hit - und führt seitdem ein unberechenbares Eigenleben, erzählt Rolf Henning, Manager der Band. "Eine Gruppe aus Düsseldorf hat das gecovert, so ist das dann auf eine Disco-CD gekommen und wurde in Diskotheken hoch- und runtergespielt. Es gibt Coversongs ohne Ende davon, aus Russland, aus Belgien, aus England."

In der Regel gehen die Puhdys nicht gegen unautorisierte Coverversionen vor. Auch Angebote diverser Fußballclubs, den Song mit neuem Text zu kaufen, schlug die Band aus. "Man prostituiert sich ja ein bisschen, wenn man den Song jedem gibt. Er gehört nach Berlin. Er wird in der Eishockeyarena immer noch am Beginn und am Schluss jedes Matches gespielt, da singen dann 13.000 Menschen, das ist schon eine tolle Atmosphäre."

Aber die Großzügigkeit hat ihre Grenzen. Als Einpeitschersong für Rechtspopulist Strache will Henning die Eisbärenhymne nicht missbraucht sehen. "Sobald wir politisch eingesetzt werden, sage ich Nein", erklärt Henning. "Hier wird klar gegen Urheberrecht verstoßen." Er habe den Verlag bereits über die Angelegenheit informiert. Möglich, dass sich die John Otti Band demnächst nach einer neuen musikalischen Liebeserklärung an den FPÖ-Chef umsehen muss. Ob Reibeisenstimme Werner Otti Whitney Houstons "I Will Always Love You" stemmt?

DDR-Kapelle

Im Jänner 2016 beendeten die Puhyds ihre lange und wechselvolle Karriere offiziell mit einem Konzert in Berlin. Gegründet worden war die Band, von den DDR-Behörden als "Kapelle" bezeichnet, 1969. Zwei Jahre und ein Auftrittsverbot in Karl-Marx-Stadt später absolvierten sie ihr erstes Auslandsgastspiel in der Sowjetunion. 1973 erhielten sie einen Exklusivvertrag mit der Generaldirektion beim Komitee für Unterhaltungskunst, der es ihnen ermöglichte, ihre erste LP aufzunehmen. Die Puhdys traten bald auch außerhalb des Ostblocks auf, u. a. in Österreich, und verkauften bis zur Wende weltweit fast 20 Millionen Alben. 1988 löste sich die Band auf, fand aber bald wieder zusammen und im wiedervereinigten Deutschland zu einer neuen Karriere. Einer der letzten Songs beim letzten Konzert: eine rockige Version von "Hey, wir woll'n die Eisbären sehen." Die Menge tobte. Geschwenkt wurden Puhdys-und Eisbären-Fahnen.