Pandemie zurück, Unterstützungsfonds weg

Während der Gesundheitsminister schon wieder an Schließungsphantasien laboriert, richten sich die Bühnen ohne zu murren auf immer schärfere Maßnahmen ein. Die haben aber zu genügen.

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Wohin immer der Gesundheitsminister mit seiner Kampagne gegen die exponentiell wachsende Impfbereitschaft zu gelangen wünscht (ich weiß, andere sehen es anders, aber das hier ist nun einmal meine Parzelle): Schon seine ersten Wortmeldungen zum sich anbahnenden Schließungsbedarf haben mich alarmierend an die miserable Zeit zwischen November 2020 und Mai 2021 erinnert. Dass ich das schon bei den amtlichen Versagensakten gelagerte Thema wieder hervorholen muss, ist geeignet, mich in Verzweiflung zu versetzen. Aber tut es denn sonst jemand? Der Gesundheitsminister jedenfalls nicht. Der nannte gleich, als es nach monatelangem Dilettieren wieder ans Schließen ging, "Veranstaltungen" unter den Spitzenkandidaten.

Nun gibt es solche und solche Veranstaltungen: Es gibt solche in Theatern und Konzerthäusern, die auf Grund ihrer selbst entwickelten, wegweisenden Präventionskonzepte die zweitsichersten Orte nach der Quarantänestation sind. Die aber endlos geschlossen blieben. Und es gibt andere. Zum Beispiel die von den Grundrechten gedeckte Zusammenrottung von Psychopathen, die nächstens wieder unter Missachtung der gesetzlichen Vorgaben Zugpassagiere und -personal bedrohen werden. Um dann, ferngesteuert durch einen Wurmmittel-Junkie, in der Stadt zu randalieren.

Die dürfen nämlich. So wie auch am Grundrecht auf religiöse Trostbevorratung nicht gerüttelt wird (dabei will dem türkisen Erlöser nach Verstreichen der drei Tage ohnehin niemand mehr beim Auferstehen zusehen). Der Verfassungsgerichtshof in Komplizenschaft mit gemeingefährlichen NGOs hat sich schon einmal als verlässlicher Verbündeter des Virus profiliert, als er die dilettantischen Verordnungen des Gesundheitsministeriums reihenweise außer Kraft setzte. Jetzt hört man aus seinem Umkreis schon wieder Bedenken gegen den Teil-"Lockdown", mithin Sympathien für den kompletten.

Nun hat sich zwar nichts an der Koalition an sich, wohl aber Entscheidendes an den in ihr handelnden Personen geändert. Die inferiore Kulturstaatssekretärin Lunacek ist schon länger durch eine kompetente Nachfolgerin ersetzt, der Kunstvizekanzler aber leider nach wie vor entscheidungsbefugt. Die Beantwortung der Frage, ob sich das Gesundheitsressort seit Anschober verbessert hat, verbleibt im Bereich der demoskopischen Unschärfe. Aber der Bundeskanzler ist ein anderer: Schallenberg ist ein hochgebildeter, kunstverständiger und grundzivilisierter Mann (also Punkt für Punkt das Gegenteil des Vorgängers wie des Koalitionspartners). Er war während der Übergangsregierung ein kundigerer Kunstminister als Blümel vor ihm und Kogler nach ihm mitsammen.

Von ihm ist also zu erwarten, dass er Mückstein, der die zweitkunstfernste Parlamentsfraktion als Prototyp repräsentiert, nicht nach Schlechtdünken gewähren lässt. Und tatsächlich will der seine Ausgangssperre vorläufig bloß mit 22 Uhr begrenzen. Was schon wieder Verteidiger der "Nachtgastro" (Deppenwort), aber nicht der Theater mobilisiert. Die sind in Wien mittlerweile, anders als Handel und "Gastro", bereits mit der 2Gplus-Regelung belegt, begehren nicht auf und beginnen sich vorsichtshalber auch schon mit dem Vorstellungsende 22 Uhr zu arrangieren. Nach grobem Überschlag wäre mit Aufführungsbeginn 18.30 Uhr (die Heimfahrt müsste auf dem Kulanzweg ermöglicht werden) alles zu bewältigen. Wobei "Parsifal" sowie Handke und Jelinek in Castorf’schem Titanenüberhang auf die Wochenendnachmittage verwiesen wären. Die Maskenpflicht ließe ich mir noch zusätzlich einreden. Und dann sind die Theater ein für allemal in Ruhe zu lassen.

Derweil türmt sich allerdings ein noch wuchtigeres Problem auf: "Die Pandemie ist zurück, die Unterstützungsfonds sind weg", fasst der Autorenvertreter Gerhard Ruiss die Situation zusammen. Im Gefolge der messianischen Anordnung, die Pandemie habe sich mit Sommer 2021 vom Acker zu machen, laufen per 31.12. auch die letzten Hilfsmaßnahmen aus. Die Pandemie wollte allerdings leider nicht gehorchen, und das Publikum macht noch für längere Zeit keine Anstalten zum Strömen. Nun gibt es in Wien namhafte Bühnen, die ihre Vorstellungen praktisch unbesucht hinter sich bringen. Die haben es gut. Sie bilanzieren auf Null, heißt: Sie verbrauchen als quasi geschlossenes System ohne Publikumsbeteiligung ihre Jahressubvention, was mit bescheidenen Zuwendungen bei entsprechender Genügsamkeit zu bewältigen ist. Aber andere werden ihre gigantischen Eigendeckungen nicht halten können, also schlicht mehr Geld brauchen. Das wird noch ein Thema, verlassen Sie sich da bitte auf mich.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz@news.at