Kindergärten und Schulen vor großen Problemen

"Wie soll das gehen, wenn alle auf einmal kommen können?"

Während die Schulen stufenweise wieder ihren Präsenzbetrieb aufnehmen, müssen die Kindergärten seit dieser Woche jedes Kind, dessen Eltern Bedarf melden, betreuen. Gleichzeitig wird appelliert, die Kinder wenn möglich noch daheim zu betreuen. Jetzt könne man nur hoffen, dass die Eltern sich so entscheiden, dass das System nicht übelastet wird, erklärte Raphaela Keller vom Berufsverband ÖDKH. Auch an Schulen befürchtet man "gewaltige Probleme".

von Kindergarten © Bild: iStockphoto

"Es soll kleine Gruppen geben. Aber wie soll das gehen, wenn alle auf einmal kommen können?", fragt die Sprecherin des Österreichischen Berufsverbands der Kindergarten- und HortpädagogInnen im Gespräch mit der APA. Es gebe dafür zu wenige Pädagoginnen und auch nicht überall die räumlichen Voraussetzungen. Auch ein Ausweichen ins Freie sei nicht überall eine Option, da nicht alle Kindergärten Grünflächen direkt bei den Einrichtungen hätten.

"Es ist noch wackelig, wie das ausgeht"

"Wir hätten uns einen klaren Plan gewünscht", so Keller. "Wir befürchten, dass jetzt alle auf einmal kommen. Nachdem jetzt alles wieder aufgemacht wird, liegt das auf der Hand. Auf der anderen Seite wissen wir, dass viele Eltern Angst haben, dass sich die Kinder anstecken könnten und das heimbringen. Es ist noch wackelig, wie das ausgeht."

"Wahnsinnige logistische Herausforderung"

Für die Leitungen werde es eine "wahnsinnige logistische Herausforderung", die Gruppen so zu organisieren, dass nicht zu viele Kinder darin sind. Gleichzeitig soll die Betreuung in gleichbleibenden Teams erfolgen, es keine Durchmischung zwischen den Gruppen geben und keine Sammelgruppen gemacht werden.

Klare Vorgaben erwünscht

Keller vermisst auch einheitliche Handlungsempfehlungen, deren Umsetzung dann die Kindergärten je nach örtliche Gegebenheiten autonom umsetzen können. Keller hätte gerne klare Angaben, wie viele Kinder es in einer Kleingruppe maximal geben soll. In Wien etwa wären bereits 18 Kinder eine kleine Gruppe, am Land sehe das ganz anders aus. "Ich würde mir klare Vorgaben wünschen, was aus wissenschaftlicher Sicht jetzt wichtig wäre, um das Infektionsrisiko gering zu halten."

Hygienehandbuch: Beschränkte Anwendbarkeit

Im Erlass des Bildungsministeriums bzw. den darauf basierenden Verordnungen der Länder ist lediglich davon die Rede, dass die Kindergartenleitung Vorsorgemaßnahmen an den Einrichtungen in die Wege zu leiten haben. Darüber hinaus verweisen die Länder auch auf das "Hygienehandbuch" des Bildungsministeriums für elementarpädagogische Bildungsreinrichtungen und Schulen, in dem allerdings gleich zu Beginn auf die beschränkte Anwendbarkeit für Kindergärten hingewiesen wird. Mund-Nasen-Schutz soll etwa nur zum Einsatz kommen, wenn dadurch die Kinder nicht irritiert werden.

Zusätzliche Empfehlungen einzelner Länder

Wie ein Rundruf der APA zeigt, haben diverse Länder aber noch zusätzliche Empfehlungen gegeben. Generell angeraten wird das Vermeiden von Stauungen beim Eintreffen und Abholen der Kinder, das Führen nicht näher definierter Kleingruppen, verstärkte Reinigung von Räumlichkeiten und Gegenständen sowie das Einhalten der allgemeinen Hygieneregeln zur Eindämmung des Coronavirus (Abstandhalten wo möglich, regelmäßiges Lüften, häufiges Händewaschen, Hustenetikette).

Die steirische Bildungslandesrätin Christiane Bogner-Strauß (ÖVP) will "spätestens nächste Woche" einen Stufenplan für die Öffnung der Kindergärten vorlegen. In Kärnten soll es wie bei den Schulen, wo möglich, einen Schichtbetrieb geben, auch im Burgenland wird das vorgeschlagen. Auch Essen oder die Nutzung der Waschräume sollen in Kärnten gestaffelt erfolgen. In Tirol gibt keine fixe Obergrenze der Personen pro Raum, es soll aber das Halten von mindestens einem Meter Abstand möglich sein. Relativ genau sind die schon länger vorliegenden Empfehlungen der Stadt Wien, dafür seien sie teilweise praxisfremd, kritisiert Keller. Den Hinweis, dass jedes Kind seinen eigenen Trinkbecher oder Schnuller benutzen soll, hätte man sich etwa sparen können. "Das war schon immer so."

Auch Schulen erwarten "gewaltige Probleme"

Ab 18. Mai soll, wie bekannt, auch an den Schulen schrittweise wieder der Betrieb aufgenommen werden. Um die Klassen zu verkleinern, wird im "Schichtbetrieb" unterrichtet. Bei Bedarf müssen aber zusätzlich auch jene Schüler betreut werden, die laut "Schichtbetrieb" nicht an der Schule sein sollten. Wie bei den Kindergärten, erwartet Thomas Bulant von den Sozialdemokratischen LehrerInnen Österreich (SLÖ) auch in den Schulen "gewaltige Probleme".

»Das wird zu gewaltigen Turbulenzen führen«

An den Schulen gebe es oft nicht die dafür benötigten Räume, warnt Bulant. An seiner Schule, einer NMS in Wien-Favoriten, müsste man für die Betreuung auf Speisesaal, Werk- und Computerräume oder Turnsäle ausweichen. Während man aber in den Klassen durch die Tischordnung noch das Abstandhalten gewährleisten könne, sei das in anderen Räumen bei Kindern mit ihrem ausgeprägtem Bewegungsdrang schwer vorstellbar. "Das wird zu gewaltigen Turbulenzen führen, wo viele von uns (Lehrern, Anm.) die Angst haben, wie wir als 'Hygienewächter' hier aktiv werden können?"

Personalprobleme an Volksschulen

An den Volksschulen stehe man bei der Betreuung zudem vor Personalproblemen. Immerhin gebe es dort großteils neben den Klassenlehrern nur noch Lehrer für Religion und Werken. Wenn nun zusätzlich zu den Gruppen, die laut "Schichtbetrieb" Unterricht haben, viele Schüler zur Betreuung ins Haus kommen, gebe es nicht ausreichend Betreuungspersonal für alle Gruppen.

"Verpönter Frontalunterricht erlebt Renaissance"

Bulant fragt sich auch, wie Lehrer ihre Schüler bei der Hausübung unterstützen und gleichzeitig den Sicherheitsabstand wahren sollen. "Im Prinzip erlebt mit diesen Unterrichtswochen der verpönte Frontalunterricht seine Renaissance, denn damit können wir alle miteinander Abstand halten." Die Lehrer müssten nun hoffen, dass nicht zu viele Eltern die Betreuungsmöglichkeit in Anspruch nehmen.

Querlüften oft nicht möglich, oft nur Kaltwasser

Probleme sieht Bulant auch bei der Ausstattung der Schulen. An manchen Standorten sei ein Querlüften wegen der Bauweise der Fenster gar nicht möglich, an anderen gebe es nur Kaltwasser. Die Alternative Desinfektionsmittel sei schlicht nicht vorhanden. In Wien sollen die Schulen sich laut Bulant nun selbst darum kümmern, es aufzutreiben.

"Es wird suggeriert, dass die Schulen bestens vorbereitet sind. In Wirklichkeit wird alles, was nicht zentral gelöst werden kann, in die Schulautonomie gegeben." Das findet Bulant insofern perfide, als die Schulleitungen schließlich dafür verantwortlich gemacht würden, wenn die Pläne des Ministeriums nicht umsetzbar seien.

Zeit vor und nach Schule "werden wir nicht unter Kontrolle haben"

Sorgen macht Bulant auch, dass die Schulen für die Zeit direkt vor und nach der Schule verantwortlich gemacht werden könnten. Die Sozialkontakte in dieser Zeit seien das, was die Schüler am meisten vermisst hätten. Diese seien aber nicht gut in der Lage, Abstand einzuschätzen und einzuhalten. "Das werden wir nicht unter Kontrolle haben."

Vorschlag: Nur Schüler von Abschlussklassen in Schulen holen

Der SLÖ-Chef schlägt deshalb vor, nur die Schüler der Abschlussklassen von Volks- und Neuen Mittelschulen wieder an die Schulen zu holen. "Die kann ich dann sogar in Fünfergruppen unterrichten und ihnen so einen anständigen Abschluss ermöglichen", immerhin würden diese im Herbst in andere Schulformen übertreten.

Verschiebung des Schuljahres

Außerdem plädiert Bulant dafür, die Sommerferien um eine oder zwei Wochen vor- und in den Juni hineinzuverlegen und dafür nach den neunwöchigen Ferien bereits Ende August das neue Schuljahr zu beginnen - und zwar in allen Bundesländern gleichzeitig, eine Staffelung wegen des Urlaubsverkehrs sei angesichts der Coronakrise heuer ohnehin nicht notwendig. Eine Verschiebung des Schuljahres ist für Bulant unter den aktuellen Klimabedingungen ohnehin ein Gebot der Stunde. "Wenn es im Juni wieder so heiß ist wie in den vergangenen Jahren, ist der Unterricht im Juni in Wahrheit nur getarnte Beaufsichtigung."