"Freiwilligkeit besteht
nur auf dem Papier"

Koalition hat ihren Abänderungsantrag fertig - Kritik von ÖGB und AK

Die Regierungsfraktionen haben ihren Abänderungsantrag fertiggestellt, mit dem sie die versprochene "Freiwilligkeitsgarantie" in das Gesetz zur Arbeitszeitflexibilisierung einbringen wollen.

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Arbeitszeit - "Freiwilligkeit besteht
nur auf dem Papier"

Er soll kommende Woche zusammen mit dem Initiativantrag für die neuen Arbeitszeitregeln beschlossen werden.

Laut der nun getroffenen Einfügung steht es Arbeitnehmern damit frei, Überstunden "ohne Angaben von Gründen" abzulehnen, wenn diese die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschreiten würden. Das betrifft explizit auch Wochenend- und Feiertagsarbeit. Im ursprünglichen Antrag war die Ablehnung der 11. und 12. Stunde nur aus "überwiegenden persönlichen Interessen" des Arbeitnehmers vorgesehen.

Nein des Beschäftigten darf für ihn keine Nachteile bringen

Nun darf ein Nein des Beschäftigten zu keinen Benachteiligungen hinsichtlich Entgelt, Aufstiegsmöglichkeiten und Versetzung führen. Kündigungen wegen der Überstunden-Ablehnung können bei Gericht angefochten werden, sieht der Abänderungsantrag vor. Arbeitnehmer können wählen, ob diese zusätzlichen Stunden mit Geld oder durch Zeitausgleich abgegolten werden.

Festgelegt wird auch, dass bei Gleitzeit das Arbeiten über die Normalarbeitszeit von zehn Stunden hinaus als Überstunden gilt, wenn es vom Arbeitgeber angeordnet wird. Gleitzeitvereinbarungen, die eine tägliche Normalarbeitszeit von zwölf Stunden zulassen, müssen künftig vorsehen, dass es einen Ausgleich durch längere zusammenhängende Freizeit gibt und auch eine Vier-Tage-Woche möglich ist.

ÖGB: Abänderungsantrag "ändert gar nichts"

Für den ÖGB und die Arbeiterkammer ändert sich durch den Abänderungsantrag der Regierung nichts an ihrer Kritik am geplanten Gesetz zur Arbeitszeitflexibilisierung. "An der Sache ändert sich dadurch aber gar nichts: Freiwilligkeit besteht nur auf dem Papier", so der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz. Der "Abänderungsantrag ist ein Papiertiger", meint auch AK-Präsidentin Renate Anderl.

»An der Sache ändert sich dadurch aber gar nichts«

Der heutige Abänderungsantrag sei eine Nebelgranate, um die Öffentlichkeit zu verwirren und von der von allen Seiten geäußerten Kritik abzulenken, führt Achitz am Freitag in einer Presseaussendung aus. "Im Vergleich zur geltenden Rechtslage werden für die Arbeitnehmer durch den Initiativantrag selbst unter Berücksichtigung des heutigen Abänderungsantrages keine neuen Rechte, sondern ausschließlich neue Pflichten geschaffen, während den Arbeitgebern zahlreiche neue Möglichkeiten eingeräumt werden", betont Achitz.

"12-Stunden-Tag wird zum Normalfall"

"Der nun vorliegende Abänderungsantrag der Regierung ändert nichts am grundlegenden Problem: Der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche werden von der Ausnahme zum Normalfall. Das kostet die Menschen Familie, Freizeit und Gesundheit. Insbesondere die Ausweitung der höchstmöglichen Anzahl der Überstunden pro Jahr von derzeit 320 auf 416 wird zu einer massiven Mehrbelastung der ArbeitnehmerInnen führen", so auch AK-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung.

Sowohl die 11. und 12. Arbeitsstunde als auch Sonntags-/Feiertagsarbeit könnten ohne weiters angeordnet werden, so Achitz. Viele Arbeitnehmer würden sich nicht trauen zu sagen, dass sie keine Überstunden machen wollten. "Sogar dann, wenn sie tatsächlich freiwillig geleistet werden, sind überlange Arbeitszeiten gesundheitsschädlich", so Achitz weiter. Außerdem würden freiwillige Überstunden auch Kolleginnen und Kollegen unter Drucks setzen, ebenfalls "freiwillig" Überstunden zu leisten.

Vor allem die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber lasse nur in Ausnahmefällen Freiwilligkeit zu, da bei mehrmaliger Ablehnung von Überstunden prinzipiell immer langfristige Folgen bei Beförderungen oder Rationalisierungsmaßnahmen zu erwarten seien.

Keine freie Entscheidung, wann Freizeit konsumiert wird

Auch wenn Arbeitnehmer selbst entscheiden könnten, ob sie Überstunden durch Freizeit abgegolten haben wollen, dürften sie nicht selbst entscheiden, wann sie diese Freizeit konsumieren. "Dafür ist immer die Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich", so Achitz. Somit gebe es weiterhin nicht die versprochenen Freizeitblöcke nach Tagen mit langer Arbeitszeit.

Bisher sind laut Achitz die 11. und 12. Stunde nur ausnahmsweise zulässig und der Arbeitgeber muss einen Grund nachweisen und mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (BV) abschließen. Diese BV sind anlassbezogen und daher befristet. Sie erlöschen, wenn z. B. der Großauftrag abgearbeitet ist und bleiben daher keinesfalls bestehen.

"Diese Betriebsvereinbarungen sind es aber, die Ausgleichsmaßnahmen regeln, zum Beispiel 100 Prozent Überstundenzuschlag statt nur 50 Prozent", betont Achitz. Künftig seien solche BVs nicht mehr nötig, da der Arbeitgeber die 11. und 12. Stunde wie eine normale Überstunde anordnen könne, und damit nicht mehr auf die Zustimmung des Betriebsrats angewiesen sei.

Wimmer droht mit Streiks während der EU-Präsidentschaft

PRO-GE-Vorsitzender und FSG-Chef Rainer Wimmer droht mit Streiks während der EU-Präsidentschaft Österreichs. Man werde sich den Zeitpunkt für Kampfmaßnahmen gegen die Arbeitszeit-Verlängerung genau ansehen. "Wie wir wissen gibt's ganz besondere Zeitfenster, wenn Österreich im europäischen Blickpunkt steht", so Wimmer am Freitag gegenüber dem ORF Vorarlberg.

Bundeskanzler Kurz (ÖVP) habe kürzlich davon gesprochen, dass er mit Streiks und "Reibungsflächen" rechne. Damit habe Kurz die Menschen schon fast dazu aufgefordert, in Kampfmaßnahmen einzutreten, sagte Wimmer, der am Freitag in Vorarlberg mehrere Betriebsversammlungen besuchte. Er gehe davon aus, dass die umstrittene Arbeitszeitneuregelung am 5. Juli beschlossen werde. Man werde aber nicht zu kämpfen aufhören, bis das Gesetz zu Fall gebracht sei.

Die Betriebsversammlungen und die Großdemonstration seien erst der erste Schritt. Reagiere die Regierung nicht, seien schärfere Maßnahmen geplant. "Wenn man sieht, dass die Regierung überhaupt nicht darauf reagiert, sind strengere Maßnahmen geplant", erklärte Wimmer, der von einer "Ausbeutung ohne Mitwirkungsrechte der betroffenen Menschen" sprach. Zunächst gehe es aber um Aufklärung.

Dass Kanzler Kurz erklärte, es sei das gute Recht der Arbeiterkammer, die Fahrt- und Hotelkosten für die Demonstranten zu übernehmen, stieß Wimmer sauer auf: "Ich bin überrascht, dass von oberster Spitze, also vom Bundeskanzler, hier mit Fake News ganz bewusst Stimmung gemacht wird." Genau 38 Kollegen fahren laut Wimmer mit dem Bus nach Wien. Da diese deshalb nicht innerhalb von 24 Stunden die Heimreise antreten könnten, realisiere man für die Mitglieder Übernachtungsmöglichkeiten, "so wie es jeder andere Verein auch macht". Wie Kurz das wiedergebe sei "eine Unverfrorenheit". "Das ist schon sehr tief", befand Wimmer.

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