Betriebsversammlungen
führen heute zu Zugausfällen

Auch auf Verspätungen müssen sich ÖBB-Fahrer heute Vormittag gefasst machen

Gewerkschaften und die Oppositionspartei SPÖ haben am Wochenende intensiv gegen das von den beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ geplante neue Arbeitszeitgesetz Stimmung gemacht. Doch auch heute geht es weiter: Es kommt österreichweit zu Betriebsversammlungen, bei denen über die Auswirkungen des geänderten Arbeitszeitgesetzes informiert wird. So auch in über 40 Dienststellen der ÖBB-Postbus GmbH. Laut dem Zentralbetriebsrat wird es deshalb zu Verspätungen kommen, auch bei den ÖBB.

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Die Gewerkschaft PRO-GE kündigte am Sonntag zudem österreichweit Betriebsversammlungen an, unter anderem an den Standorten der voestalpine, Böhler, OMV und Andritz AG. PRO-GE-Chef Wimmer fordert gemeinsam mit dem ÖGB eine Volksabstimmung über den 12-Stunden-Tag. Die Proteste werden auch nach dem 30. Juni weitergehen, so Wimmer.

Vereinzelte Ausfälle bereits in NÖ

Die Betriebsversammlungen haben in Niederösterreich bereits vereinzelte Zugausfälle zur Folge gehabt. Bundesbahnen-Sprecherin Juliane Pamme bezeichnete die Lage auf dem Hauptbahnhof in St. Pölten vorerst als "sehr ruhig". "Gravierende Einschränkungen" gab es ihren Angaben zufolge in den Ballungszentren Wien und Graz.

Es sei "bisher nichts anders als sonst", teilte Pamme kurz nach Beginn der von 6.00 bis 9.00 Uhr angesetzten Betriebsversammlungen auf Anfrage aus der niederösterreichischen Landeshauptstadt mit. Der Betriebsrat informiert die Mitarbeiter über die Auswirkungen der geplanten Änderungen im Arbeitszeitgesetz.

Die Sprecherin berichtete u.a., dass ein REX aus St. Pölten nach Scheibbs nicht verkehrt sei. Bis 9.00 Uhr fielen nach ihren Angaben auf der Strecke Salzburg - Wien zudem alle "langsamen" RJ-Verbindungen (jene mit Stopps nicht nur in den Landeshauptstädten, Anm.) aus.

"Keine Gestrandeten" in St. Pölten

Im Zusammenhang mit den Betriebsversammlungen bei den ÖBB am Montag in der Früh hat es zumindest in St. Pölten "keine Gestrandeten" gegeben. Gute Information habe zu entsprechender Kundenlenkung geführt, resümierte Bundesbahnen-Sprecherin Juliane Pamme. Österreichweit seien 250 bis 300 von 5.000 täglichen Zügen ausgefallen.

Nach den Betriebsversammlungen sei der Regelbetrieb wieder hochgefahren worden, teilte Pamme mit. Am Montagvormittag musste noch mit einigen Verspätungen gerechnet werden.

Umfassender Verkehrsstillstand in Graz ausgeblieben

Das erwartete große Verkehrschaos am Montag in der Früh in Graz wegen der Betriebsversammlungen bei den ÖBB und der Holding Graz ist ausgeblieben. Zwar kam es laut ÖAMTC zu zähem Verkehr an den Knotenpunkten um die Innenstadt und einigen Einfallsstraßen wie der Kärntnerstraße, doch hatten sich viele Verkehrsteilnehmer offenbar auf die Situation eingestellt und waren früher losgefahren.

In der Innenstadt herrschte dafür am frühen Vormittag ein verstärktes Aufkommen von Radfahrern - diese kamen wegen der ausgefallenen Bims etwa in der Annenstraße sogar schneller als sonst voran. An den Haltestellen der Graz Linien war auf den elektronischen Anzeigetafeln um Verständnis für den Ausfall der öffentlichen Verkehrsmittel wegen der Betriebsversammlung in der Remise Steyrergasse geworben worden. Ausfälle von 7.30 bis 12.30 waren auf den Tafeln angekündigt. Auch die zahlreichen Schülergruppen, die gegen Ende des Schuljahres den obligatorischen Graz-Ausflug am Programm haben, waren mit früheren Zügen und Bussen gekommen.

Am Grazer Hauptbahnhof war zumindest ein Intercity aus Prag für den frühen Vormittag angekündigt, auch einzelne S-Bahnen sollten ab 9.00 Uhr wieder verkehren - u. a. solche der Steiermärkischen Landesbahnen. Viele Menschen hatten allerdings die seit einer Woche angekündigten Ausfälle der Öffis nicht mitbekommen. Gegen 7.30 Uhr warteten etliche Menschen am Bahnhof vergeblich auf Züge oder Busse und Trams. Manche standen im Stadtbereich hektisch telefonierend an den Haltestellen: "Wo bist du? Die Bim fährt nicht. Hast du das gewusst?" war der Tenor.

Einige Mitarbeiter der Holding Graz gingen trotz Betriebsversammlungen in aller Herrgottsfrühe noch ihrer Arbeit nach - die Restmüllabfuhr lief in den Randbezirken der Landeshauptstadt am Montag in der Früh wie gewohnt. In einigen großen Grazer Betrieben gab es ebenfalls Versammlungen der Belegschaft. Dabei informierten Gewerkschafter und Belegschaftsvertreter die Beschäftigten über die Auswirkungen des geplanten Zwölfstundentages und der 60-Stunden-Woche sowie der Auswirkungen.

Neues Gesetz bringt für ÖBB kaum Änderungen

Bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ist man über die aktuellen Betriebsversammlungen und Zugausfälle nicht glücklich. Die Konzerngeschäftsführung hält das Vorgehen von Gewerkschaft und Betriebsrat für nicht notwendig, weil die neuen Arbeitszeitgesetze die ÖBB de facto kaum berühren würden. Offiziell gibt es zwar keine Aussagen dazu, ein internes ÖBB-Papier deutet aber in diese Richtung.

»12 Stunden sind im Betriebsdienst der ÖBB bereits jetzt möglich«

"12 Stunden sind im Betriebsdienst der ÖBB bereits jetzt möglich und werden von Arbeitgeber- wie von Arbeitnehmerseite mitgetragen. Jedenfalls für diesen Bereich wird das neue Arbeitszeitrecht unmittelbar kaum Änderungen bringen", heißt es in dem an ÖBB-Mitarbeiter versandten Informationspapier zum Arbeitsgesetz Neu, das der APA vorliegt und auflistet, was die vorgeschlagenen Änderungen für die ÖBB bedeuten. "Um die neuen Spielräume für den Arbeitgeber zu nützen, braucht es überwiegend Konsens mit Gewerkschaft und Betriebsrat", betont die ÖBB-Konzernführung darin.

12-Stunden-Tag bereits Realität

Der 12-Stunden-Tag ist demnach bei den ÖBB schon jetzt im Rahmen des Betriebsdienstes und dort möglich, wo Schichtdienst erforderlich ist. Der 12-Stunden-Tag sei durch Kollektivvertrag mit der Gewerkschaft für Berufe wie Lokführer, Fahrdienstleiter etc. klar geregelt. Mit der geplanten Änderung des Arbeitszeitgesetzes sollen künftig mehr Überstunden pro Tag und Woche möglich sein. Die Grenze von durchschnittlich 48 Stunden in einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen bleibe aufrecht. Um die neuen Spielräume im Arbeitszeitgesetz zu nützen, sei überwiegend Konsens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Voraussetzung, zum Beispiel bei Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarungen. Für die ÖBB werde das neue Gesetz im Betriebsdienst unmittelbar kaum Änderungen bringen, schreibt die Konzernführung weiter.

Durch die Änderung der Höchstarbeitszeit von täglich 10 auf 12 und wöchentlich 50 auf 60 Stunden würden bei den ÖBB künftig 20 statt bisher 10 Überstunden pro Woche möglich. Das Überstundenkontingent steige von 320 auf 416 Überstunden pro Jahr. Der wöchentliche Durchschnitt von 48 Stunden in einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen bleibe aber aufrecht. Zur Ausschöpfung des neuen Überstundenkontingents sei laut ÖBB-Führung eine Änderung im ÖBB-Arbeitszeit-Kollektivvertrag erforderlich, die nur im Einvernehmen mit der Gewerkschaft möglich ist. Unter Umständen müssten auch Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat neu verhandelt werden.

Auch Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe, die laut neuem Arbeitszeitgesetz viermal im Jahr möglich sein sollen, müssten bei den ÖBB durch eine Betriebsvereinbarung gedeckt werden, schreibt die Konzernspitze. Angepasst werden müssten die ÖBB-internen Gleitzeit-Betriebsvereinbarungen, für die Nutzung der Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben brauche es ein Anpassung im bestehenden Kollektivvertrag.

Wenig Verständnis für ÖBB-Betriebsversammlungen

Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) hat für die heutigen Betriebsversammlungen bei den ÖBB "nur bedingt Verständnis". Er habe den Eindruck, dass die große Mehrheit der Mitarbeiter dort bei der per Betriebsvereinbarung bestehenden 12-Stunden-Regelung bleiben wolle.

Bei den Österreichischen Bundesbahnen gebe es in vielen Bereichen bereits seit Jahren Betriebsvereinbarungen über 12-Stunden-Dienste. Der aktuelle Gesetzesentwurf zur Arbeitszeitflexibilisierung sehe vor, dass sich an diesen Vereinbarungen auch nichts ändere. Sollte es aber innerhalb der Belegschaft den Wunsch geben, auf einen Dreischichtbetrieb zu je 8 Stunden umsteigen zu wollen, dann stehe es dem Betriebsrat frei, entsprechende Vereinbarungen mit dem Management zu treffen.

Laut ersten Schätzungen seien am Montag rund 250 der täglich 5.000 fahrende Züge ausgefallen bzw. verspätet gewesen, verweist Hofer auf Angaben der ÖBB. Keine Beeinträchtigungen habe es in Tirol, Vorarlberg und Kärnten sowie im internationalen Fernverkehr gegeben.

Aus Oberösterreich sagte der dortige regionale ÖBB-Pressesprecher Karl Leitner im Ö1-"Morgenjournal" des ORF-Radio, es habe "Ausfälle so gut wie im gesamten Streckennetz in Oberösterreich" gegeben "mit Ausnahme der Salzkammergutbahn, der Almtalbahn und der Donauuferbahn". Im Frühverkehr gebe es normalerweise 160 Züge - ungefähr 30 bis 35 seien ausgefallen, für die Hälfte davon gebe es einen Ersatzverkehr. Im Fernverkehr seien bisher fünf Railjets ausgefallen, vier von Salzburg nach Wien und einer von Wien nach Salzburg.

Verkehrschaos in Oberösterreich ausgeblieben

Das befürchtete Verkehrschaos durch Betriebsversammlungen im Zusammenhang mit geplanten Änderungen im Arbeitszeitgesetz ist Montagfrüh in Oberösterreich ausgeblieben. Vorgewarnt durch die Berichterstattung in den Medien hatten sich offenbar etliche Benützer rechtzeitig Alternativen gesucht. Außerdem wurden ausgefallene Züge teilweise durch Autobusse ersetzt.

Laut der Gewerkschaft vida gab es in Oberösterreich 20 Betriebsversammlungen, darunter eine große in Linz. Sie fanden in einem Zeitfenster zwischen 6 und 9 Uhr statt. ÖBB-Sprecher Karl Leitner berichtete, dass deswegen 44 von planmäßigen 190 Zügen nicht gefahren seien. Für etwa die Hälfte davon wurde ein Schienenersatzverkehr angeboten. Am Linzer Hauptbahnhof wurde das Info-Personal verdoppelt.

Etliche Reisende waren mit Verspätung unterwegs oder sind überhaupt gestrandet. Darunter befanden sich einige Schülergruppen, die in der letzten Woche vor den Ferien noch Ausflüge unternehmen wollten. Allerdings hatten nicht alle an den Bahnhöfen vor, mit dem Zug zu fahren. Das war nur der Treffpunkt für eine Fahrt mit einem privaten Busunternehmen. Auch 200 von etwa 450 ÖBB/Postbus-Verbindungen fielen aus. Nach 8 Uhr nahmen wieder alle Fahrt auf. Es dürfte bis Mittag dauern bis alles wieder planmäßig verkehrt, schätzte man bei den ÖBB. Die Linz Linien berichteten, dass es keine Verspätungen durch Betriebsversammlungen gegeben habe.

Durch den Umstieg auf Pkw nahm Montagmorgen das Verkehrsaufkommen auf Oberösterreichs Straßen vor allem im Zentralraum zu. Allerdings brachen viele vorsichtshalber früher als sonst auf, dadurch verteilten sich die Fahrzeuge über einen längeren Zeitraum und die Staus waren nicht größer als sonst zu Wochenbeginn.

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