Theaterkritik
So leben wir in
der Netflix-Hölle
Puppenhaus hinter einer Plexiglaswand: „Hotel Strindberg“ von Simon Stone im Akademietheater
Alfred, der Verfasser von Fernsehserien, und seine Frau Charlotte wohnen im Hotel, denn ihre Wohnung muss ausgeräuchert werden. Er ringt um Erfolg, sie um Zweisamkeit, die sie bei ihrem Therapeuten Philipp findet. Charlotte (Caroline Peters) und Alfred (Martin Wuttke) sind eines von jenen Paaren, die der australische Regisseur Simon Stone in seinem „Hotel Strindberg“ zusammenführt. Die Geschichten seiner Figuren basieren auf jenen des schwedischen Dramatikers August Strindberg (1849-1912), die im Band „Kammerspiele“ versammelt sind. Stone verlegt sie in die Gegenwart und erzählt in seinem nahezu fünf Stunden währenden intensiven Schauspiel, von der Hölle menschlichen Zusammenlebens. Strindbergs Thema ist die Hölle menschlichen Zusammenlebens. Nach angeblichen Wahnvorstellungen konnte Strindberg nicht mehr zwischen Dichtung und Wahrheit unterscheiden. So wie der Dramatiker Jakob (Michael Jäger) in Stones Pandämonium, der von seiner Ehefrau Sylvie (Aenne Schwarz) nicht loskommt und ihr den Tod bringt. Er ist einer jener Strindbergschen Leidensgestalten, die Unfassbares erlitten haben und dieses weitergeben. Stone fasst das Spektrum menschlicher Abgründe in weitem Umfang: Männer werden betrogen, missbrauchen oder töten gar, Frauen betrügen, beuten aus oder demütigen ihre Kinder. Keine feine Gesellschaft, aber sie funktioniert in ihrem Höllenwahn unter Stones Regie.