Wien und Bratislava
sollen sich näher kommen

Die beiden nächstgelegenen europäischen Hauptstädte sind nicht ideal verbunden

Vom Zentrum Wiens ins Zentrum Bratislavas sind es nur knapp 55 Kilometer Luftlinie. Das ist in Europa einzigartig. Gefühlsmäßig sind sie aber weiter voneinander entfernt, was auch mit der Verkehrsanbindung zu tun hat. Dabei könnten beide Städte voneinander profitieren.

von Bahnausbau - Wien und Bratislava
sollen sich näher kommen © Bild: Marc Ryckaert/CC BY 3.0

Im Marchfeld wird gerade gebaut. Seit Herbst 2016 wird die (Marchegger) Ostbahn, die von Wien bis zur slowakischen Grenze führt, elektrifiziert und teilweise zweigleisig ausgebaut. Die Eisenbahnkreuzungen werden durch Über- und Unterführungen ersetzt. Dadurch soll die Höchstgeschwindigkeit bis 2023 auf 160 km/h erhöht und die Fahrtzeit zwischen Wien und Bratislava von 65 auf 40 Minuten verkürzt werden. Die ÖBB investieren über 500 Millionen Euro, auch auf slowakischer Seite wird die Bahnstrecke modernisiert. Und wie nun bekannt gegeben wurde, werden auch die an der Strecke gelegenen S-Bahn-Stationen Hirschstetten und Aspern Nord neu errichtet und in Aspern Nord ein Anschluss an die U2 geschaffen.

Eiserner Vorhang beim Verkehr noch spürbar

Denn noch sind Europas sich nächstgelegene Hauptstädte bemerkenswert schlecht miteinander gebunden. Auch fast 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ist bemerkbar, dass es in den Verkehrsnetzen beider Länder einst keinen großen Bedarf dafür gab, über "die Grenze" hinaus zu planen. Mit dem Auto braucht man von Zentrum zu Zentrum rund eine Stunde, und das bei nur 55 Kilometern Luftlinie. Auch die Bahn ist wie erwähnt nicht schneller. Mit dem Schiff ("Twin City Liner"), für gewöhnlich bei weitem nicht das schnellste Verkehrsmittel, sind es da nur 15 Minuten mehr. Dabei ist die Verbindung schon lange Teil großer europäischer Pläne: Für den "Ostsee-Adria-Korridor" von Danzig bis Rimini ist sie ebenso wichtig wie für die "Magistrale für Europa" zwischen Paris und Budapest.

Ein futuristischer "Hyperloop"-Röhrentransporter, wie er von slowakischen Regierung im Vorjahr öffentlichkeitswirksam für die Strecke angedacht wurde, ist für die nächste Zeit nicht unbedingt realistisch. Das solarbetriebene "Rohrpost-System" sollte Wien und Bratislava in nur acht Minuten verbinden können. Doch bereits der nun angelaufene Ausbau der Bahn ist ein großer Fortschritt. Steige die Auslastung weiter, könnte die Strecke bis 2030 sogar zur Gänze zweigleisig werden, heißt es von den ÖBB. Das würde die nun geplante Fahrtzeit von 40 Minuten weiter reduzieren. Und dass der Austausch zwischen den Städten, gerade der von Arbeitskräften, noch weiter zunimmt, ist realistisch. Denn Bratislava boomt.

Bratislava bereits wohlhabender als Wien

Während es derzeit noch ganz überwiegend slowakische Arbeitnehmer sind, die nach Wien fahren, wird in Zukunft auch der Pendlerstrom in die andere Richtung zunehmen. Denn die Wirtschaft in der Slowakei wächst deutlich stärker als in Österreich. Wichtig für den Erfolg ist die Automobilindustrie, das umsatzstärkste Unternehmen des Landes ist Volkswagen. Aber auch im Technologiebereich (IBM) und als Standort für die Osteuropa-Zentralen internationaler Konzerne gewinnt Bratislava an Bedeutung – und steht dabei in Konkurrenz zu Wien. Beim Wohlstand hat die slowakische Hauptstadt ihre österreichische Zwillingsstadt schon heute überholt. Mit 186 Prozent des Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts war sie 2014 die sechstreichste Region der EU und die reichste in allen "neuen" EU-Mitgliedsstaaten. Wien lag mit 158 Prozent und Platz 17 deutlich dahinter.