Geplante Anschläge u.a. in Wien: Verdächtige aus U-Haft entlassen

"Mangels Vorliegens eines dringenden Tatverdachts"

Am 12. Dezember 2019 sind zwei Tschetschenen unter Terror-Verdacht in U-Haft genommen worden. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt verdächtigte sie, sie hätten gemeinsam mit einem zweifach vorbestraften Islamisten Anschläge im In- und Ausland geplant. Am Montag hat das Oberlandesgericht (OLG) Graz - die Ermittlungen wurden inzwischen nach Graz delegiert - die Enthaftung der beiden angeordnet.

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Graz - Geplante Anschläge u.a. in Wien: Verdächtige aus U-Haft entlassen

Das OLG gab Haftbeschwerden der Verteidiger Florian Kreiner und Wolfgang Blaschitz Folge. Die Verdachtslage gegen die 25 bzw. 31 Jahre alten Männer dürfte dürftig sein, wie sich aus dem sechsseitigen OLG-Beschluss ergibt, der der APA vorliegt. Aus den Observationsberichten sei "nichts Verdachtserhärtendes" zu gewinnen und auch aus der ausgewerteten Telefonüberwachung resultiere "aktuell kein dringender Tatverdacht" gegen die Tschetschenen, heißt es dort.

In Bezug auf den 31-Jährigen kommt das Grazer OLG zum Schluss, dass bei diesem keine Hinweise auf Sympathien für den IS, "geschweige auf von diesem (mit)geplante Anschläge" vorliegen. Hinsichtlich des 25-Jährigen führt das OLG aus, es gebe "keine Hinweise auf gemeinsame Planung [...] von Sprengstoffanschlägen". Verdachtsmomente, der Mann könnte zu Hause mittels Kochtöpfen Nagelbomben gebastelt haben, hätten sich im Zuge einer Hausdurchsuchung zerschlagen. Ein Sprengstoffhund der Polizei fand "keine Anzeichen für 'Bombenbauen'", hält das OLG fest. Die Kochtöpfe hätten "als Behältnis für eine kaukasische Speise" gedient. Zwar seien in der Wohnung des 25-Jährigen in einem Staubsauger-Beutel geringe Mengen Nitroglycerin gefunden worden, doch diese Substanz könne auch von Medikamenten stammen, räumt das OLG ein. Der 25-Jährige ist professioneller Sportler und als Mixed-Martial-Arts-Kämpfer verletzungsanfällig.

Die Männer waren in Verdacht geraten, gemeinsam mit dem in der Justizanstalt Hirtenberg inhaftierten Islamisten Sergo P. (24), der wegen terroristischer Vereinigung bereits zwei einschlägige Vorstrafen aufweist und der nach wie vor der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) zugetan sein soll, den Ausbruch von Sergio P. und anschließend eine Anschlagserie geplant gehabt zu haben. Konkret hätte ein Anschlag zwischen Weihnachten und Neujahr den Weihnachtsmarkt am Stephansplatz treffen sollen, hieß es. Danach hätten weitere Attentate in Salzburg, Deutschland, Frankreich und Luxemburg folgen sollen. Ein zunächst anonymer Hinweisgeber, der sich als Mithäftling von Sergio P. herausstellte, hatte die Sicherheitsbehörden von der vorgeblichen Verdachtslage verständigt. Nach umfangreichen Ermittlungen, Telefonüberwachungen und Observationen klickten für den 25-Jährigen sowie den 31-Jährigen als mutmaßliche Komplizen die Handschellen, der angebliche Hauptverdächtige Sergio P. wurde ins Hochsicherheitsgefängnis Stein verlegt. Gegen zwei weitere Personen wurde auf freiem Fuß ermittelt.

Für Wolfgang Blaschitz, den Verteidiger des 25-Jährigen, ist mit der nunmehrigen Entscheidung des Grazer OLG erwiesen, dass die erhobenen Anschuldigungen grundsätzlich jeglicher Grundlage entbehren. "Es handelt sich um eine reine Verleumdung des Mithäftlings von Sergo P.", sagte Blaschitz. Florian Kreiner, der Vertreter des 31-Jährigen, bezeichnete es als "unverständlich", dass die Justiz mit dieser Beweislage eine immerhin zweimonatige U-Haft rechtfertigte.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Graz um die angeblichen Anschlagpläne werden ungeachtet der jüngsten Entwicklungen fortgesetzt. Der steirische FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek kündigte nach der Enthaftung der mutmaßlichen Komplizen eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Alma Zadic (Grüne) an. "Ein entschlossenes Handeln gegen Terrorismus und Jihadismus muss im Fokus aller sicherheitspolitischen Bestrebungen stehen. Die heimische Politik ist in der Verantwortung, den radikalen Islam mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen, weswegen die Hintergründe der Haftentlassung jedenfalls restlos aufgeklärt werden müssen", meinte Kunasek in einer Presseaussendung.