Kartoffelbauer und 3-jähriges Mädchen stehen auf Terrorliste

Eine von großen Banken genutzte schwarze Liste umfasst viele fragwürdige Einträge

Was haben die Umweltschutzorganisation Greenpeace, ein niederländischer Kartoffelbauer und ein dreijähriges britisches Mädchen gemeinsam? Sie alle stehen auf der meistgenutzten "schwarzen Liste" von Terroristen und Geldwäschern. 49 der 50 größten Banken der Welt greifen darauf zu und verweigern den Gelisteten dann etwa einen Kredit.

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Skurril - Kartoffelbauer und 3-jähriges Mädchen stehen auf Terrorliste

Medien aus sechs Ländern, darunter aus Deutschland der NDR und die "Süddeutsche", haben erstmals einen genaueren Einblick auf die umstrittene "schwarze Liste" der Londoner Agentur Thomson Reuters erhalten. Diese Liste soll Unternehmen und auch staatlichen Stellen gegen einen sehr hohen Preis – angeblich bis zu einer Million Euro im Jahr – die Namen von Terroristen, Entführern, Betrügern und Geldwäschern nennen, damit sie mit ihnen nicht ins Geschäft kommen. Vor allem bei Banken ist diese Liste sehr beliebt. Gegen Geldwäsche oder Terrorfinanzierung gibt es strenge Gesetze, an die man nicht anstreifen will. Laut Anbieter setzen daher 49 der 50 größten Banken der Welt auf den "World-Check", wie die Datenbank heißt.

Lange zurückliegende Anschuldigungen verwertet

Doch wie genau die umfangreiche Liste zu ihren über zwei Millionen Einträgen kommt, ist nicht nachvollziehbar. Thomson Reuters legt seine Methoden auch nicht offen. Die Analyse des Recherchekonsortiums zeigt jedoch jede Menge absurde Fälle, bei denen man sich die angebliche Verbindung zu organisiertem Verbrechen oder gar Terrorismus nicht erklären kann. So finden sich dort führende Mitglieder vieler großer Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch, Ärzte ohne Grenzen oder Greenpeace. Die in der Datenbank enthaltenen Begründungen sind knapp und oft recht wage formuliert. Herangezogen werden offenbar auch lange zurückliegende Anschuldigungen gegen Personen, die sich später als falsch herausgestellt haben.

Die im Prinzip streng geheime Liste wurde im vergangenen Jahr durch ein Datenleck teilweise publik. Sie war eine Zeit lang über das Internet abrufbar. Die Journalisten der kooperierenden Medien konnten nun die gesamte Datenbank einsehen. Und die "merkwürdigen" Einträge, über die teilweise schon im Vorjahr berichtet wurde, waren offenbar bei weitem nicht die einzigen. Schon im Dezember berichtete die "Times", dass sich auf der Liste auch die erst dreijährige Tochter eines weniger bedeutenden Mitglieds der britischen Königsfamilie befindet. Warum genau, wurde bisher nicht aufgeklärt. Auch "dubiose" Vorwürfe gegen britische Politiker aus Verschwörungstheorien fanden sich laut der Zeitung in den Begründungen der World-Check-Datenbank.

Kein Konto, kein Kredit, keine Versicherung

Ein Kartoffelbauer aus den Niederlanden schaffte es auf die Liste, weil er in eine Lokalvertretung gewählt und deshalb als Geldwäsche-Risiko eingestuft wurde. Ebenso wie die vor kurzem freigelassene amerikanische Whistleblowerin Chelsea Manning, aufgrund von "Finanzverbrechen". Zwei ehemalige Guantanamo-Häftlinge gelten für Thomson Reuters nach wie vor als gefährlich, obwohl sie entlassen und von einem Gericht freigesprochen wurden. Und auch der deutsche Sozialwissenschafter Andrej Holm, dem 2007 vorgeworfen wurde, einer linksextremistischen Gruppe anzugehören, ist nach wie vor gelistet. Dabei hatte sich der Verdacht schon 2010 als haltlos erwiesen. Wegen seines Eintrags wurde ihm 2012 bei einer deutschen Bank ein Konto verweigert – ohne dass er damals wusste, warum.

Doch die Auswirkungen für die Betroffenen können noch massiver als das sein. Privatpersonen bekommen keine Kredite oder Versicherungen, NGOs und Firmen können Förderungen oder Verträge mit anderen Unternehmen verlieren. Wer auf die Liste gesetzt wird, wird nicht kontaktiert und erfährt davon im Normalfall auch nie etwas.Banken ist nach den Vertragsbedingungen verboten, ihren Kunden davon etwas zu sagen. Daher gibt es keine Möglichkeit, sich gegen mögliche Fehleintragungen zu wehren. Datenschützer sehen darin eine große Problematik. Thomson Reuters hingegen verweist darauf, nur öffentlich zugängliche Informationen für die Listenerstellung zu nutzen. Dazu dürften neben offiziellen Daten aber auch Berichte aus dem Internet gehören, die nicht immer korrekt sein müssen.