Eine Schüssel
heißer Suppe

Für die meisten Menschen, die sich beim Canisibus um Suppe anstellen, ist sie die einzige warme Mahlzeit. Sie sind obdachlos oder können sich kein Essen leisten

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Suppenbus - Eine Schüssel
heißer Suppe

Die Küche ist klein und nur mit den Nötigsten eingerichtet. Dazu zählen die Erdäpfelschälmaschine, das Gewürzbord mit den großen Gläsern, Arbeitsflächen und das Herzstück, der 190 Liter fassende Suppenkessel. Er ist seit 24 Jahren täglich in Betrieb, wurde damals gebraucht gekauft, und wenn er ausfällt, muss improvisiert werden. Es ist jedes Mal eine Zitterpartie, ob ihn der Techniker wieder warten kann. Schließlich warten bis zu 450 Gäste auf die Suppe, die ihnen der Canisibus der Caritas jeden Abend bringt. Sie haben kein Zuhause oder kein Geld für Essen. Für die meisten ist die Suppe die einzige warme Mahlzeit am Tag.

Heute gibt's Erdäpfelsuppe, und die ist, wie sich später am Abend zeigt, äußerst beliebt. 20 bis 30 Kilo Erdäpfel kommen in den Kessel, dazu je fünf Kilo Karotten, gelbe Rüben, Sellerie und 20 Zwiebeln. Dampf steigt hoch. Zivildiener Jan und Julian, der ein freiwilliges soziales Jahr macht, kosten, würzen gleich häferlweise nach und machen nebenbei sauber. Dann kommt das "Teigerl" aus Mehl, Milch und Sauerrahm dazu, das die Suppe schön dick macht.

© Michael Mazohl Gewürzt mit Kräutern und Gewürzen aus großen Gläsern. Die jungen Männer haben die Menge schon im Gefühl

Jetzt wird der große Kessel gekippt und so die Suppe in 30-Liter-Transportkessel umgefüllt. Die jungen Männer haben längst im Gefühl, wo die sechs Behälter stehen müssen, damit nichts danebengeht.

Ein bissel Pech reicht

Im Nebenraum schneidet derweil Ernst das von der Firma Ströck jede Woche gespendete (und dazwischen eingefrorene) Brot in Scheiben. Er ist in Pension und schon seit zehn Jahren im Suppenbus-Team. Jeden Dienstagnachmittag fährt er von Melk nach Wien-Ottakring, kocht, fährt die Bustour mit und spät am Abend wieder hundert Kilometer heim nach Melk: "Es gibt einem etwas. Ich weiß: Meine Güte, ein bissel Pech im Leben -Scheidung, Krankheit oder Kündigung -und man steht auf der anderen Seite. Ich habe Glück gehabt."

© Michael Mazohl Ernst hilft seit zehn Jahren. Er reist jeden Dienstag von Melk an und wieder retour

120 regelmäßig anpackende Freiwillige zählen zum Canisibus-Team, PensionistInnen, Studierende und Erwerbstätige wie Verena, die seit anderthalb Jahren dabei ist. Sie hat einen Bürojob und überlegt, in den Sozialbereich zu wechseln: "Es gibt mir irrsinnig viel. Heuer bin ich das erste Mal zu Weihnachten dabei und freu mich schon darauf. Ich hab gehört, dass das etwas Besonderes ist." Christian ist seit 14 Jahren dabei, Jaqueline seit zwei Jahren im Team. Sie kommen um 16 Uhr, putzen Gemüse, kochen, räumen weg, beladen die beiden Canisibusse und fahren die Stationen ab, alles unentgeltlich.

Bevor es losgeht, setzen sie sich nebenan, im Jugendhaus der Caritas, wo rund hundert junge Wohnungslose untergebracht sind, zusammen und essen Suppe. Alle finden: Sie ist gut geworden. Man merkt, die Leute kennen einander, sie planen einen Schiausflug und wollen einmal zusammen Punsch trinken gehen. Das ist eines der Erfolgsgeheimnisse, warum das Canisibus-Projekt schon seit 24 Jahren funktioniert. Die freiwilligen HelferInnen wachsen zusammen und bleiben im Durchschnitt vier Jahre dabei.

Die Gäste warten schon

Jetzt sind die Kessel, die Plastiksuppenschüsseln, die Becher, Löffel, leere Gurkengläser mit Deckel und die Kisten mit Brot in den zwei Bussen, und los geht's. Die eine Tour führt von der Friedensbrücke zum Bahnhof Floridsdorf, dann zu Praterstern und Schottentor. Der andere Bus startet am Bahnhof Wien Meidling, fährt zum Hauptbahnhof, dann zum Karlsplatz und Westbahnhof.

Um 19.45 Uhr ist der Suppenbus am Bahnhof Meidling. Gleich darauf kommen die ersten Busgäste. Sie wissen, wann der Bus hier hält und haben schon gewartet. Die meisten reden nicht viel, bitten um Schüssel oder Becher, nicken oder bedanken sich und ziehen sich gleich wieder zurück. Sie sind Einzelgänger, suchen den Schutz vor Kälte und Blicken. Einer bittet um eine zweite Portion im Gurkenglas, "für meine Frau". Er ist einer der wenigen Redseligen und erzählt später, dass seine Frau gar nicht in Wien lebt.

Unsichtbare Armut

Macht nichts. Die Canisibus-Leute können einschätzen, wie groß der Andrang heute ist und ob sich eine zweite Portion ausgeht. Manch einer bringt auch einem Freund oder Kollegen ein Glas voll Suppe mit, denn nicht jeder ist gut genug zu Fuß, um selbst herzukommen.

Einige sind tadellos gekleidet, nie sähe man ihnen an, dass sie auf die Suppe angewiesen oder obdachlos sind. Andere sind vom Leben auf der Straße gezeichnet. Heinzl ist der Koordinator für den Canisibus und der einzige Hauptamtliche im Team. Er sagt: "Die meisten unserer Gäste werden oft ungut angeschaut. Bei uns sind sie Gäste. Und jeder, der Hunger hat, kann sich Suppe holen. Wir verlangen keinen Ausweis." Ein älterer Mann sagt, er habe eh einen Ofen zu Hause, es ist ihm wichtig, das mitzuteilen. Aber Suppe hat er dort keine, deshalb kommt er hierher. Der Canisibus gibt den Menschen am Rande der Gesellschaft ein Stück Sicherheit: Jeden Abend steht er zur selben Zeit am selben Platz. Und hier wird ihnen mit Wertschätzung begegnet. Frauen sind in der Minderzahl, auch beim nächsten Halt am Hauptbahnhof. Ihre Obdachlosigkeit ist versteckt, denn Frauen tun viel, um sie zu verbergen. Heinzl sagt: "Frauen gehen oft Beziehungen ein, die nicht gut für sie sind, nur damit sie ein Dach über dem Kopf haben." Heinzl hat Theologie und Religionspädagogik studiert und war in der Seelsorge im Altersheim. Jetzt ist er für den Ablauf und alle Eventualitäten zuständig: wenn einer der Freiwilligen ausfällt oder etwas kaputtgeht, die Schälmaschine oder die Lüftung in der Küche -oder auch ein Auto. Manchmal, sagt er, ist es eng, aber bisher hat er noch immer Ersatz für jeden und alles gefunden. Und er begleitet die Freiwilligen. Er wirkt so wie alle, die mitarbeiten, zufrieden -mehr als viele andere Menschen, die so oft über ihre Arbeit und überhaupt alles klagen.

"Danke schön, super Suppe", sagt ein Gast. Die Erdäpfelsuppe kommt besonders gut an. Auf dem Speiseplan stehen alle Arten von Gemüsesuppen. Einmal bekam der Canisibus 80 Kilo Spargel geschenkt, das war etwas Besonderes. Hofer und die Wiener Tafel spenden Gemüse, und der restliche Bedarf wird aus Spenden zugekauft. Normalerweise ist alles vegetarisch, nur zu Weihnachten und Ostern wird Gulaschsuppe ausgeschenkt. Und einmal, erzählt Verena, haben sie am Weihnachtsmarkt warme Waffeln für ihre Gäste bekommen.

Den ganzen Abend über hat es genieselt, inzwischen ist die Kälte allen unter die Kleidung gekrochen. Die Füße sind eiskalt, dabei haben wir Stiefel, und die erfahrenen Freiwilligen tragen ein zweites Paar Socken. Um 22 Uhr ist auch auf der letzten Station die Suppe ausgeschenkt. Meist fahren alle gemeinsam zurück in die Caritas-Zentrale in Ottakring und entladen den Bus. Es ist halb elf geworden. Wenn sie dann durchfroren heimkommt, sagt Verena, "in die warme Wohnung mit Dusche, weiß ich, wie viele das nicht haben. So geht's fast jedem von uns. Im Endeffekt kann's jeden treffen."

So kann man helfen

Wer mit Sachspenden helfen will: Gebraucht werden haltbare Lebensmittel wie griffiges Mehl, Trockenbohnen und Linsen, Kaffeebohnen, Teebeutel, Gewürze, Haltbarmilch, Zucker, Süßigkeiten, Taschentücher, Handschuhe, Socken, Schals. Und zum Ausgeben der Suppe: Suppenteller, leere, saubere Gurkengläser mit Deckel und Joghurtbehälter aus Kunststoff.

Spendenkonto: BIC: RZBAATWW. IBAN: AT16 3100 0004 0405 0050. Kennwort: Canisibus www.caritas-wien.at/canisibus

96.000 Teller Suppe jährlich werden ausgegeben. Freiwillige kochen und fahren acht Stationen ab. Bis zu 450 Gäste täglich warten auf den Canisibus und die Suppe

50 € kostet das Gruft-Winterpaket. Es besteht aus Schlafsack, einem warmen Essen und Aufwärmen in der Gruft. www.gruft.at/gruft-winterpaket

Kältetelefon

01-480 45 53

Rund um die Uhr ist das Kältetelefon der Caritas besetzt. Wer ein Obdachlosen-Schlaflager unter freiem Himmel entdeckt, ruft beim Kältetelefon an (oder Mail an: kaeltetelefon@caritas-wien.at), gibt den genauen Ort bekannt und beschreibt die Person/en. Die Streetworker der Caritas rücken dann aus und bieten ihre Hilfe an, bringen die Obdachlosen in Notquartiere oder versorgen sie mit Tee, Essen, Kleidung und Schlafsäcken. Wer selber etwas tun will: Für das Kältetelefon werden Freiwillige gesucht.

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Arbeiten!!! Wäre auch für Flüchtlinge genug!

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