SPÖ-Reform auf der langen Bank -
Basis zürnt, Spitze beschwichtigt

Die überraschend beschlossene Absage der SPÖ-Organisationsreform sorgt für innerparteilichen Streit.

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Aufgeschoben - SPÖ-Reform auf der langen Bank -
Basis zürnt, Spitze beschwichtigt

Während die Basis am Montag zürnte, beschwichtigte die erst neu formierte Spitze. Kritik kam von der Wiener SPÖ-"Sektion 8" sowie von der Parteijugend. "Es ist ein Verschieben", meinte Obfrau Pamela Rendi-Wagner vor ihrer einstimmigen Wahl zur Klubchefin.

Pläne sollten Ende November abgesegnet werden

Ursprünglich sollten die Pläne zur Öffnung der Partei und Stärkung der Mitgliedermitbestimmung beim Parteitag Ende November abgesegnet werden, wofür sich bereits die Partei-Mitglieder in einer Befragung mit über 70 Prozent ausgesprochen hatten. Nun soll die Reform auf Druck der Wiener SPÖ überarbeitet und erst am nächsten Parteitag in zwei Jahren umgesetzt werden. Der Beschluss erfolgte bei der Präsidiumsklausur am Sonntag still und heimlich und kam auch bei der anschließenden Presseerklärung nicht zur Sprache.

Erste Kritik kam von der Wiener SPÖ-"Sektion 8". Es gebe keinen inhaltlichen oder organisatorischen Grund, diesen "Minimalkompromiss zu kübeln", hieß es und weiter: "Es gibt nur einen machtpolitischen und, mit Verlaub, den haben wir satt". Die SPÖ-Jugendorganisationen übten in einem Schreiben an den SPÖ-Bundesparteivorstand heftige Kritik und kündigten Widerstand in den SPÖ-Gremien an. Das Vertrauen der Mitglieder dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. Die Parteireform sei "in Stein gemeißelt".

Rendi-Wagner sieht nur ein "Verschieben"

Kein Problem sah die neue SPÖ-Spitze in der Maßnahme. Rendi-Wagner kündigte zwar eine Diskussion darüber an, sieht aber nur ein "Verschieben" der Reform. Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda verteidigte den Beschluss via "Parteipost" an die Mitglieder. Die Organisationsreform werde nicht mit einem Wurf vollendet sein. "Wir werden sie weiter fortsetzen - allerdings ohne Zeitdruck. Selbstverständlich ist dabei das Ergebnis unserer Mitgliederbefragung Richtschnur unserer Entscheidung", so der Bundesgeschäftsführer.

Aus den Ländern gab es Rückendeckung für den Beschluss. Niederösterreichs Landesparteichef Franz Schnabl sieht keinen Zeitdruck für eine Reform, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser ist es "wichtig, das Inhaltliche in den Mittelpunkt zu stellen". Tirols SPÖ-Chefin Elisabeth Blanik hält eine neuerliche Diskussion über die Organisationsreform der Partei für "legitim" - ebenso für Burgenlands Landesparteivorsitzenden Hans Peter Doskozil und den steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer. Ähnliche Wortmeldungen gab es vom Vorarlberger SPÖ-Landesvorsitzenden Martin Staudinger und Salzburgs SPÖ-Chef Walter Steidl.

Ludwig will Fokus nicht auf "Vereinsmeierei" legen

Wiens Bürgermeister und SPÖ-Landesparteichef Michael Ludwig begründet die Verschiebung der Organisationsreform der Bundespartei damit, dass man den Fokus auf die neue Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner und die inhaltliche Ausrichtung der Partei und nicht auf "Vereinsmeierei" legen wolle. Auf diese Vorgangsweise habe man sich gemeinsam im Bundesparteipräsidium geeinigt, versicherte er am Montag.

"Ich persönlich bin der Meinung, wir sollten uns bei diesem Parteitag nicht in Vereinsmeierei ergehen, sondern wir sollten uns mit den Themen beschäftigen, die auch für die Bevölkerung relevant sind", sagte Ludwig. "Im Vordergrund steht, dass wir in der Öffentlichkeit deutlich machen, dass wir hinter unserer neuen Bundesparteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner stehen, dass wir ein klares Programm für die Zukunft Österreichs haben und dass wir uns inhaltlich und personell für die kommende Wahl zum Europäischen Parlament gut aufstellen."

Verschiebung mit einer Enthaltung einstimmig beschlossen

Die Verschiebung der Organisationsreform sei mit einer Enthaltung einstimmig im Bundesparteipräsidium beschlossen worden. "Wir haben das nach eingehender Diskussion für richtig empfunden und zwar gemeinsam", sagte er. Angesprochen auf sein Veto gegen die Zwei-Drittel-Schwelle für öffentliche Ämter, wenn das entsprechende Mandat bereits zehn Jahre ausgeübt wird, meinte Ludwig, er wolle den Fokus in dieser "doch sehr herausforderenden Situation für die Sozialdemokratie" nicht auf "Statutenreiterei" legen.

Durch den Rückzug von Christian Kern vom Parteivorsitz und von der Spitzenkandidatur für die EU-Wahl müsse man nun eigentlich drei Parteitage zusammenfassen, argumentierte Ludwig: einen für den Beschluss des Parteiprogramms und der Anträge, einen für die Wahl der neuen Vorsitzenden und einen für die Erstellung der Liste für die EU-Wahl. Daher habe man sich für einen zweitägigen Parteitag Ende November entschieden.

Zur deutlichen Kritik an der vorläufigen Absage der Reform, die unter anderem von der "Sektion 8" und den Jugendorganisationen gekommen war, meinte er: "Die Parteibasis ist eine sehr breite. Wir haben in Wien über 230 Sektionen, wenn sich da eine Sektion mit starker Unterstützung der Medien meldet, ist das noch nicht die gesamte Basis." Den Parteimitgliedern, die sich in einer Befragung zu 70 Prozent für die Reform ausgesprochen hatten, sage er "ganz offen, dass man Prioritäten in der Politik setzen muss und die Priorität jetzt, in einer schwierigen Situation der Sozialdemokratie, ist Einheit".

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