Alles anders

Mit Babler mag sich die SPÖ schwertun, ins Kanzleramt zurückzukehren. Aber das ist jetzt nebensächlich. Sie hat eine größere Krise zu bewältigen – und dafür könnte er der Richtige sein.

von Politische Analyse - Alles anders © Bild: Privat

Analyse

In der Sozialdemokratie passt sehr vieles zusammen: Zunächst ist die Mitgliederbefragung über den Vorsitz vermurkst worden, dann hat man auf dem außerordentlichen Parteitag im Linzer Design Center nicht einmal das Ergebnis der entscheidenden Kampfabstimmung über den Vorsitz korrekt erfassen können. Angaben seien "vertauscht" worden, hieß es zwei Tage später offiziell: Nicht der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, sondern der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler habe sich durchgesetzt, erfuhr man plötzlich. Dieser wollte auf Nummer sicher gehen und verlangte eine nochmalige Überprüfung des Ergebnisses.

Die Selbstbeschädigung der SPÖ, die damit einhergeht, ist schier unendlich, jedenfalls aber wohl noch lange nicht abschätzbar. Politischen Gegnern ist das Argument "geschenkt" worden, dass die Partei nicht einmal in der Lage sei, einfachste Demokratie zu organisieren – für Regierungsverantwortung habe sie sich damit disqualifiziert; nur gut, dass sich die ÖVP in Niederösterreich und Salzburg gerade dafür entschieden habe, den Freiheitlichen den Vorzug zu geben für eine Zusammenarbeit; und dass es auch auf Bundesebene in diese Richtung gehe.

Glück im Unglück für die SPÖ: Mit Babler wird sie es noch am ehesten schaffen, derlei zu begegnen. Wenn einer vielleicht noch einen Neubeginn verkörpern kann, dann er. Schon seit Wochen gelingt es ihm, in den eigenen Reihen auch damit Zuspruch zu ernten, dass er nie Teil der Auseinandersetzungen zwischen Doskozil und seiner Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner war. Ja, dass er es geschafft hat, eine Basisbewegung gegen ein "Establishment" in der SPÖ zu bilden. Also gegen die Männer und Frauen in Vorstand und Präsidium etwa. Babler ist vor diesem Hintergrund geradezu optimal für den Vorsitz: Er ist für all die Pleiten am wenigsten verantwortlich.

Vieles andere ist nebensächlich geworden. Der 50-Jährige hat mit seiner flammenden Rede auf dem Parteitag unterstrichen, wofür er steht: für eine leidenschaftliche, kompromisslos-linke Sozialdemokratie.

Mit ihm mag es schwer werden für die Partei, in Regierungsverantwortung zu kommen. Eine Koalition mit Freiheitlichen geht gar nicht, eine solche mit der ÖVP und den Neos ist aufgrund von Forderungen wie jener nach einer Vermögensbesteuerung de facto unmöglich. Und für die Grünen ist Babler, der sich nicht einmal in Klimafragen groß unterscheidet von ihnen, ein gefährlicher Mitbewerber. Er könnte ihnen so viele Stimmen wegnehmen, dass sich Rot-Grün nicht ausgeht, die SPÖ also in Opposition bleibt.

Das hat bisher durchaus gegen ihn gesprochen. Jetzt ist es kein Handicap mehr: In absehbarer Zeit hat Babler anderes zu tun, als darüber nachzudenken, wie er für die Partei das Kanzleramt zurückerobern könnte. Er hat mit ihr eine größere Krise zu bewältigen.

Zahl

"Ehe light" boomt

All jene, die geglaubt haben, die Ehe Mann und Frau vorbehalten zu müssen bzw. homosexuelle Paare mit der Eingetragenen Partnerschaft abspeisen zu können, haben sich nichts Gutes getan. Die Eingetragene Partnerschaft, die da und dort auch als "Ehe light" bezeichnet wird, boomt heute ausgerechnet bei verschiedengeschlechtlichen Paaren: Im vergangenen Jahr wurden 1.492 der insgesamt 1.598 Begründungen durch ebensolche vollzogen. Das waren mehr als 90 Prozent und so viele wie noch nie. Begründungen durch homosexuelle Paare sind dagegen zur Ausnahme geworden. Viele dieser Männer oder Frauen ziehen eine klassische Eheschließung vor, die nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes genauso wie die Eingetragene Partnerschaft seit 2019 allen offensteht.

Vor allem in der ÖVP waren beharrliche Kräfte einst groß gewesen. Es galt als Fortschritt, dass sich der damalige Hoffnungsträger der Partei, Josef Pröll, 2007 dafür aussprach, Homosexuellen eine Eingetragene Partnerschaft zu ermöglichen. In den eigenen Reihen machte er sich damit nicht nur Freunde. Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber leistete bis zuletzt Widerstand dagegen. Verhindern konnte er die Einführung wenig später nicht, kündigte jedoch an, dass es für Begründungen an den Bezirkshauptmannschaften seines Bundeslandes sicher keine feierliche Zeremonie geben werde.

Rechtlich sind sich die Ehe und die Eingetragene Partnerschaft im Laufe der Zeit immer ähnlicher geworden. Es ist eher nur noch so, dass diejenigen, die es schlichter haben wollen, zur Partnerschaft tendieren. Das wäre auch eine Erklärung für den nunmehrigen Boom.

Im Sinne der Ehe sollen Unterschiede zur Eingetragenen Partnerschaft laut türkis-grünem Regierungsprogramm nun wieder deutlicher herausgearbeitet werden. Das betreffe etwa Regelungen zu ihrem Zweck. Dazu gekommen ist es bisher jedoch nicht.

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Bericht

Wohnen wird noch größeres Problem

Der Erfolg der Salzburger Kommunisten bei der jüngsten Landtagswahl (11,7 Prozent) ist ein Alarmsignal für politische Mitbewerber: Mit Kay-Michael Dankl steht ein Mann an ihrer Spitze, der sich schon lange dem Thema Wohnen widmet und dem daher von einem bedeutenden Teil der Wählerschaft die größte Glaubwürdigkeit diesbezüglich zugeschrieben wird. Das lässt sich nicht von heute auf morgen erreichen. Schlimmer für die übrigen Parteien: Sehr viel spricht dafür, dass Wohnen für eine Masse zu einem noch größeren Problem wird. Bei der kommenden Nationalratswahl könnte es damit sogar im Zentrum stehen.

Laut einer Statistik-Austria-Erhebung zu Krisenfolgen hat sich der Anteil der Mieter, die Wohnkosten als schwere Belastung wahrnehmen, innerhalb eines Jahres um die Hälfte auf ein Drittel erhöht. Jener der Eigentümer mit einem ausstehenden Kredit, die das tun, hat sich auf ein Viertel verdoppelt. Damit ist zunehmend auch die Mittelschicht betroffen.

Entspannung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: In absehbarer Zeit wird zu wenig gebaut. Im vergangenen Jahr gab es nur noch Baubewilligungen für 58.900 Wohnungen. Das kommt einem Einbruch gleich. Weniger waren es zuletzt 2012 gewesen. Im Spitzenjahr 2017 hatte es sich um rund 86.000 gehandelt. Auf der anderen Seite aber ist der Bedarf für neuen Wohnraum extrem stark gestiegen: Österreich verzeichnet den größten Bevölkerungszuwachs seit Bestehen der Zweiten Republik. Allein 2022 kamen 126.000 Menschen dazu, die ein Dach über dem Kopf brauchen. Das entspricht in etwa der Bevölkerung von Innsbruck.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at