Fragwürdiger
Militärbesuch in Wien

Der Armeechef von Myanmar ist verantwortlich für Vertreibung und Verfolgung. In Wien empfing ihn Österreichs ranghöchster Militär trotzdem mit allen Ehren.

von Politik - Fragwürdiger
Militärbesuch in Wien © Bild: Privat

Aus Militärhelikoptern wird auf Zivilisten geschossen. Am Boden ziehen Soldaten von Tür zu Tür. Sie stecken Häuser in Brand, fackeln ganze Dörfer ab und vertreiben Abertausende. Frauen werden von Soldatengruppen vergewaltigt, deren Kinder mit Messern niedergestochen, selbst Säuglinge ermordet. Diese Schilderungen entstammen dem offiziellen Bericht des UN-Menschenrechtsrates vom Februar dieses Jahres. Detailliert wird darin dargelegt, wie die Armee in Myanmar, dem einstigen Burma, gegen die muslimische Minderheit der Rohingya vorgeht. UN-Ermittler kamen zum Schluss, dass dem Militär schwerste Menschenrechtsverletzungen vorzuwerfen sind. "Das von uns dokumentierte Vorgehen ist so systematisch und umfassend, dass es einer ethnischen Säuberung gleichkommt", stellte UN-Sprecherin Ravina Shamdasani im Februar fest.

Garde und Dinner in Wien

Szenenwechsel. Zwei Monate später in Wien. Es ist der 23. April, die Sonne scheint. Im Innenhof der Rossauer Kaserne, dem Sitz des Verteidigungsministeriums, hat Österreichs ranghöchster Militär, Generalstabschef Othmar Commenda, die Garde antreten lassen, zu Ehren eines Gastes aus Südostasien, den er für zehn Uhr erwartet. Es ist General Min Aung Hlaing, Oberbefehlshaber der Armee und damit mächtigster Mann von Myanmar. Er trägt die Verantwortung für die Gräueltaten und Völkerrechtsbrüche. Seit er 2011 den dortigen Junta-Chef ablöste, herrscht er mit eiserner Hand und führt mit seinen Truppen Krieg gegen die Rohingya-Minderheit.

In Wien werden dem Gast und seiner Delegation militärische Ehren zuteil. Nach dem Abschreiten der Garde zieht sich Generalstabschef Commenda mit dem Kommandierenden zum Austausch zurück. Anschließend bricht dieser zu einem Besuch von Schloss Schönbrunn auf und genießt das Wien-Panorama vom Donauturm aus. Am Abend trifft er erneut auf den heimischen Generalstabschef als Gastgeber. Dieser richtet für ihn ein gemeinsames Dinner im Beisein der Gattinnen in einem feinen Wiener Hotel am Parkring aus.

Viel Aufwand für einen Mann, dem bei der dieswöchigen UN-Generalversammlung in New York ausgerichtet wurde, dass er als Oberbefehlshaber einer Armee, die schwere Menschenrechtsverletzungen begeht, selbst als Kriegsverbrecher vor dem Tribunal von Den Haag enden könnte. Im Verteidigungsministerium sieht man das anders. "Es hat sich um einen reinen Höflichkeitsbesuch gehandelt", sagt Sprecher Michael Bauer, "aus Myanmar kam die Anfrage und wir haben ihr entsprochen. Dabei gibt es ein Protokoll, das regelt, was dem Gast zusteht." Ob man aber erneut die Ehrengarde mit solch einem Gast abschreiten und ihn zum anschließenden Dinner einladen würde, vermag Bauer nicht zu sagen: "Die Frage ist ja, ob damals schon das Ausmaß an Vorwürfen gegen den General bekannt war."

Kritik an Doskozil und Kurz

War es, sofern man hingeschaut hätte. Denn die Verfolgung und Vertreibung der Rohingya-Minderheit reicht in Myanmar lange zurück. "Wir sind schon seit dem Jahr 1992 mit Kliniken im Nachbarland Bangladesch aktiv, wo wir uns um die vertriebenen Flüchtlinge kümmern", sagt etwa Margaretha Maleh, die Präsidentin der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Österreich. Sie selbst war zwischen 2013 und 2014 für sechs Monate vor Ort und erinnert sich an schlimmste Zustände in den Lagern: "Ich traf dort auf unterernährte Kinder, geschlagene Frauen und verfolgte Menschen, die in Myanmar durch die Hölle gegangen waren." Mittlerweile sind 400.000 Menschen vor den Kämpfen nach Bangladesch geflohen, wo sie unter furchtbaren Bedingungen leben. Aus Myanmar selbst wurden Hilfsorganisationen ausgewiesen. "Unseren internationalen Mitarbeitern wird die Einreise ins Rohingya-Gebiet verwehrt", sagt Maleh, "und unsere einheimischen Mitarbeiter fürchten sich vor Repressionen. Zwei unserer vier Kliniken wurden bereits zerstört."

All das hätte beim Besuch des Armeechefs in Wien Thema sein können. Anstatt ihm den roten Teppich auszurollen, wäre es sinnvoll gewesen, Menschenrechtsverletzungen klar und öffentlich anzusprechen, meint der Generalsekretär von Amnesty International in Österreich, Heinz Patzelt: "Die Verantwortung, solche Besuche nicht zu einem pompösen Protokollarakt verkommen zu lassen, sondern in diesem Sinne zu nützen, liegt zuallererst bei Verteidigungsminister Doskozil und ebenso bei Außenminister Kurz, der für die Koordinierung aller politischer Außenaktivitäten der Regierung verantwortlich ist."

Bei den Austro-Flugzeugen

So aber kam der Besuch der Adelung eines Aussätzigen der Weltgemeinschaft gleich. Während hierzulande um seine Ankunft kein Aufheben gemacht wurde, wusste dieser seine Wien-Visite zu Hause medial optimal zu verwerten. Die Zeitungen im gegängelten Myanmar berichteten groß über die Anerkennung, die dessen Armeechef im Westen zuteilgeworden war. Und sie erwähnten auch, dass dieser sich am zweiten Tag seines Austro-Trips beim Flugzeughersteller Diamond in Wiener Neustadt umsah. Dort bestätigt man den Besuch: "Es besteht in Myanmar ein Bedarf an Trainingsflugzeugen für die Pilotenausbildung, hier ist unser Unternehmen marktführend", sagt Johannes Frauenberger von Diamond Aircraft, der in dem Land seit der Aufhebung der Flugverbotszone einen Markt sieht. Und so flog der General wohl voller Genugtuung zurück in die Heimat.