Paul Auster: "Trumps Ära ist noch nicht vorbei"

Der Schriftsteller Paul Auster zählt seit Jahrzehnten zu den bedeutendsten literarischen Stimmen der USA. Nach seinem Meisterroman "4 3 2 1" wollte er pausieren. Dann entdeckte er Stephen Crane: Das mit 28 Jahren verloschene Dichterleben würdigt Auster mit der umfassenden Biografie "In Flammen". Mit News sprach er über Antisemitismus, Diskriminierung weißer Männer, Joe Bidens Chancen und Amerikas wahre Probleme.

von Paul Auster © Bild: imago/Agencia EFE
Paul Auster wurde am 3. Februar 1947 in Newark, New Jersey, geboren. Seine Romane und Geschichten weisen ihn als eine der bedeutendsten literarischen Stimmen der USA aus. Die Stoffe seiner Romane schöpft er nicht selten aus seinem Leben. Zuletzt erschien der Roman "4 3 2 1". Auster lebt mit seiner zweiten Ehefrau, Siri Hustvedt, in Brooklyn, New York. Das Paar hat eine Tochter, aus erster Ehe hat Auster einen Sohn.

Nach dreieinhalb Jahren täglichen Schaffens samt mehr als tausend Seiten starkem Resultat erkannte Paul Auster, dass er Abstand, eine Zeit ohne Schreiben brauchte. Der Roman "4 3 2 1", ein Gigantenwerk über das Leben des Archie Ferguson, Nachkomme jüdischer Einwanderer in den USA, hatte ihn bis zum Letzten gefordert. Auch eine Lesereise in 16 Länder und quer durch die USA war mit dem Opus magnum verbunden.

Zurückgekehrt, wollte er Abstand nehmen vom Schaffen. Dabei blieb es, bis er in seiner Bibliothek einen Band von Stephen Crane entdeckte, dem Schriftsteller und Journalisten, der in jungen Jahren ein 3.000 Seiten starkes Werk - Kurzgeschichten, Gedichte, Romane und Reportagen für Zeitschriften - vorlegte, bis ihn die Tuberkulose 28-jährig aus dem Leben riss.

Anstatt zu pausieren, holte Paul Auster diesen Mann aus dem Vergessen. Auf mehr als 1.000 Seiten entrollt er ein viel zu früh verloschenes Dichterleben. "In Flammen. Leben und Werk von Stephen Crane" erschien am 29. Jänner bei Rowohlt. Zuvor erreichten wir seinen Schöpfer in seinem Haus in Brooklyn.

Das Buch von Paul Auster "In Flammen" kann hier erworben werden.*

Affiliatelinks/Werbelinks: Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Links sind sogenannte Affiliate-Links. Wenn Sie auf so einen Affiliate-Link klicken und über diesen Link einkaufen, bekommen wir von dem betreffenden Online-Shop oder Anbieter eine Provision. Für Sie verändert sich der Preis nicht.

Herr Auster, wie kam es, dass Sie mehr als 1.000 Seiten Stephen Crane, einem zumindest in Europa weitgehend unbekannten Autor aus dem 19. Jahrhundert, widmeten?
Nachdem ich meinen Roman "4 3 2 1" fertiggestellt hatte, war ich erschöpft. Dreieinhalb Jahre hatte ich jeden Tag intensiv daran gearbeitet. Ich wusste, dass ich mir nach so einem langen Buch eine gewisse Zeit freinehmen musste. Ich brauchte eine Pause vom Schreiben und beschloss, viel zu lesen, besonders Bücher, die ich immer schon lesen wollte, ich wollte auch Filme sehen. Ich wollte offen sein für alles, was kommen könnte. Im Sommer 2016 entdeckte ich dann in meinem Bücherregal einen Band von Stephen Crane. Von ihm hatte ich jahrzehntelang nichts mehr gelesen.

In Ihrem Roman "4 3 2 1" erwähnen Sie ihn doch schon.
Aber nur kurz als einen Autor, der auch Journalist war. Der Band in meiner Bibliothek hat ungefähr 500 Seiten. Ich fing mit der Kurzgeschichte "Das Monster" aus dem Jahr 1897 an. Ganz ehrlich, ich hatte noch nie von dieser Geschichte gehört.

Sie meinen die Geschichte von einem Schwarzen, der ein Kind aus einem brennenden Haus rettet?
Das war so stark, so überraschend, so erstaunlich, dass ich das ganze Buch gelesen habe. Dann beschloss ich, alles zu lesen, was Crane geschrieben hat. Das waren mehr als 3.000 Seiten. Ich weiß nicht, wie ein 28-Jähriger so viel geschrieben haben kann. Aber er hat es getan, und sehr viel davon ist wirklich gut. Meine Bewunderung für ihn stieg, als ich weiterlas. Zunächst wollte ich nur ein kleines Buch über ihn schreiben, hatte aber schon sehr viel über ihn herausgefunden. Ich wollte alles abdecken, genau erforschen, denn mir war klar, dass mein Leser nie zuvor von Crane gehört hat. Schon gar nicht außerhalb von Amerika. Sie doch auch nicht, oder?

Erst durch Ihr Buch.
Ich hatte mir nie vorstellen können, dass ich jemals eine Biografie von jemandem schreiben würde. Diese Arbeit war etwas ganz Neues für mich. Aber dann erkannte ich, dass auch einige meiner Bücher wie Biografien sind. In meinem ersten, "Die Erfindung der Einsamkeit", erforsche ich die Lebensgeschichte meines Vaters. Und vor Crane kamen die Fergusons.

Paul Auster
© Ander Gillenea/Getty Images CHARISMATISCHER BIOGRAF. Paul Auster, 74 und einer der wichtigsten Autoren Amerikas, würdigt den vergessenen Kollegen Stephen Crane

Der jüdische Schriftsteller Archie Ferguson und seine Familie im Roman "4 3 2 1". Auch Cranes Geschichte erzählen Sie so spannend wie einen Roman.
Ich weiß. Das ist auch keine wissenschaftliche Biografie. Crane ist eine so komplexe Figur. Um die Lebensgeschichte dieses Mannes zu erzählen, musste ich in seine Gedankenwelt vordringen. Wenn man von einer anderen Person erzählt, muss man sein eigenes Ich aufgeben, um dieses Wesen zu verstehen. So etwas machen Romanciers.

Als ich fertig war, zählte ich die Seiten, die Hälfte sind seine Zitate. Ich wollte seine Arbeit gründlich erforschen, und so wurde aus einem kleinen Buch ein großes. Ich begann im Oktober 2017 damit. Der Text war im Februar 2020 fertig. Dann musste ich noch die Anmerkungen fertig machen und die Fotos recherchieren und die Rechte dafür klären. Das war gar nicht so einfach, denn Corona war schon ausgebrochen und die Archive waren geschlossen.

Das mussten Sie alles selber machen?
Alles. Das brauchte viel Zeit. Man kann sagen, die Arbeit an diesem Buch fand während der Amtszeit von Trump statt.

Heißt das, dass dieses Buch für Sie mit einer Figur wie Trump in Verbindung steht?
Es war interessant für mich, zu sehen, wie viele Dinge von heute schon damals passiert sind, besonders in der Wirtschaft. Es ist, als ob die rauen Bedingungen des sogenannten "goldenen Zeitalters" des späten 19. Jahrhunderts wiederkehren, als die Reichen sehr reich und die meisten sehr arm waren. Natürlich haben wir jetzt einen Mittelstand, aber die Kluft zwischen Arm und Reich ist gigantisch.

Und genau zur Jahrhundertwende gab es in Amerika eine Reformbewegung. Man nennt sie "Progressive Movement". Nach und nach wurden damals Gewerkschaften erlaubt. Die Arbeitsbedingungen änderten sich für die Leute in den Fabriken, für alle, die manuelle Arbeiten verrichten mussten, wurden die Bedingungen besser. Ich würde sagen, das ging bis in die frühen 1970er-Jahre weiter. Bis zum Neoliberalismus. Ab da hieß es: Lasst das Kapital alles regieren. Von da an bestimmte der Markt alles. Das ging speziell in den USA mit der Zerschlagung der Arbeitergewerkschaften einher. 120 Jahre später waren wir wieder dort, wo wir schon in den 1890er-Jahren waren. Das ist wirklich deprimierend. Und auch diese rassistischen Animositäten sind in voller Kraft zurück. Nichts hat sich verändert. Diese Verbindungen zwischen damals und heute sind bemerkenswert.

»Erschreckend, welchen dunklen Kurs Amerika einschlägt«

Aber jetzt hat Amerika doch einen neuen Präsidenten. Waren Sie nicht erleichtert, als er gewählt wurde?
Natürlich. Vier weitere Jahre Trump wären ein Desaster gewesen. Wir wären im Chaos. Aber die Trump-Ära ist noch nicht vorbei. Seine Anhänger sind überall. Es ist wirklich erschreckend, welchen dunklen Kurs Amerika einschlägt. Wenn wir nicht vorsichtig sind, ist die Gefahr sehr groß, dass wir unsere Demokratie verlieren. Wir vermasseln gerade alles, das sogenannte amerikanische Experiment geht zu Ende. Das ist eine traurige Angelegenheit. Ich habe das beobachtet, während ich das Buch geschrieben habe. Niemand weiß, was passieren wird.

Paul Auster und seine Frau Siri
© imago images/TT Paul Auster mit seiner Frau Siri Hustvedt in ihrem Zuhause in Brooklyn - beide waren aktiv in der "Writers Against Trump" Bewegung

Früher gab es eine Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Linken und Rechten. Heute spaltet auch ein Virus die Gesellschaft. Die Lager teilen sich in Geimpfte und Corona-Leugner. In Wien und auch in anderen Städten Europas demonstrieren jedes Wochenende Tausende, die sich nicht impfen lassen wollen. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass die meisten Impfgegner Rechte sind?
Es überrascht mich, dass es das auch in Europa gibt. In jedem Land werden die Impfgegner immer aggressiver. Ich verstehe das nicht wirklich, aber ich denke, das ist eine Art von Verbitterung. Was mich dabei am meisten erschreckt, ist diese eigensinnige Realitätsverweigerung. Denn die Impfung funktioniert. Soweit ich informiert bin, hat keine der Impfungen irgendjemanden umgebracht. Es ist dokumentiert, dass die Impfung schützt. Ich verstehe einfach nicht, wie jemand eine Impfung verweigern kann.

Man setzt nicht nur sich selbst einem Risiko aus, sondern alle Menschen. Wir wissen, dass man sich mit Corona anstecken kann, ohne Symptome zu haben, aber das Virus kann man weitergeben. Ohne es zu wollen, kann man so der Mörder seiner Frau und seiner Kinder werden. Warum sollte man das riskieren wollen? Das verstehe ich nicht. Aber was diese Leute, die dagegen demonstrieren, antreibt, ist Wut. Ihre Wut auf Autoritäten, und diese hatte Trump ins Weiße Haus gebracht. Und natürlich hat Amerika einen großen Einfluss auf den Rest der Welt. Es gibt doch jetzt viele Trump-Imitatoren in Europa und auch in Südamerika.

»Warum haben wir denn in Amerika keine starke linke Arbeiterbewegung? Weil schon immer alles auf dem Kapitalismus aufgebaut ist«

Auch die Black Lives Matter wurde von Amerika übernommen. Eine der ersten Großdemonstrationen in Wien noch in der Zeit des ersten Lockdowns stand im Zeichen dieser Bewegung. Wie sehen Sie die Entwicklung dieses Phänomens in Amerika? Ist das eine
Reaktion auf Trumps Politik? Black Lives Matter hat es schon gegeben, bevor Trump seine Kandidatur überhaupt angekündigt hatte. Das war 2014 in Missouri. Als ein junger schwarzer, unbewaffneter Mann von Polizisten in den Rücken geschossen wurde, begann ein gewaltiger Protest, und der wurde immer weiter fortgesetzt. Aber das Thema "Rassismus" geht viel weiter zurück in der Geschichte von Amerika. Ich spreche da nicht von den Vereinigten Staaten, sondern von der Kolonisation. Die Sklaverei kam erst viel später. Dass man diese überhaupt eingeführt hat, hat ursprünglich nichts mit Rassismus zu tun, diese Theorien kamen erst viel später auf, als die reichen Großgrundbesitzer den armen Weißen einredeten, dass sie über den Schwarzen stehen. Sklaverei war profitabel. Warum haben wir denn in Amerika keine starke linke Arbeiterbewegung? Weil schon immer alles auf dem Kapitalismus aufgebaut ist. Aber das ist ein großes Thema. Die amerikanische Geschichte ist so interessant, sie verdient ein grundlegendes Studium. Man muss Dutzende Bücher lesen, um wirklich zu verstehen, wer wir waren und wer wir jetzt sind.

Man hat den Eindruck, dass sich die Verhältnisse umkehren. Viele behaupten, Schwarze seien jetzt im Vorteil. Der Literaturnobelpreis ging an Abdulrazak Gurnah aus Tansania, David Diop, ein Franzose mit senegalesischen Wurzeln, wurde mit dem Man-Booker- Preis ausgezeichnet. Ist das Zufall?
Nein, die Leute schämen sich so dafür, wie sie sich zu Schwarzen verhalten haben, dass sie glauben, sie müssen das wieder gutmachen. Ich finde aber nichts falsch daran. Natürlich, ich bin ein alter, weißer Mann und meine Zeit ist vorbei. Ich werde in ein paar Wochen 75, das ist alt. Ich fühle mich aber nicht alt. Was soll ich sagen?

Fühlen Sie sich jetzt diskriminiert?
Nein. Ich unterstütze diese Dinge, aber wenn man ganz fair ist, sieht man, dass diese Tendenzen auch zu Exzessen führen können.

»Cancel Culture - wir müssen uns um viel ernstere Dinge Sorgen machen«

Meinen Sie Cancel Culture, politische Korrektheit?
Den Rechten ist das alles egal, die sagen einfach, Cancel Culture zerstört unsere Universitäten. Aber sie zerstören unsere Demokratie und wollen Amerika zu einem autoritären Staat machen. Die halten nach allem Ausschau, was das Feuer in dem Kulturkrieg, der hier in Amerika stattfindet, zum Lodern bringt. Daher will ich eigentlich über diese Dinge gar nicht sprechen. Denn das ist alles so mickrig im Vergleich zu den wirklich großen Problemen, mit denen wir konfrontiert sind. Auch nur einen Atemzug an solche Fragen zu verschwenden, ist ein großer Fehler. Wir müssen uns um viel ernstere Dinge Sorgen machen.

Was meinen Sie?
Wie können wir verhindern, dass es in der Hälfte der Vereinigten Staaten für die Menschen unmöglich ist, zu wählen? Das ist ein Problem. Wenn wir nicht wählen können, haben wir keine Demokratie. Es gab Reformen, die es Minderheiten ermöglicht haben, zu regieren. Ich möchte hier keine lange Vorlesung darüber halten, aber ich möchte darauf hinweisen. Wissen Sie, was das Electoral College ist?

Die Wahlleute, die den Präsidenten wählen.
Durch dieses System konnte schon zweimal ein Kandidat die Wahl gewinnen, obwohl er weniger Stimmen hatte als sein Gegner. Diese waren George W. Bush und Donald Trump. In jeder anderen Demokratie hätten die beiden verloren. Dann hätte Amerika in den vergangenen Jahrzehnten einen ganz anderen Kurs eingeschlagen. Und denken Sie an eine Institution, die von allen respektiert wird, den amerikanischen Senat. Jeder unserer 50 Bundesstaaten hat zwei Senatoren. Das Problem ist, Kalifornien hat 40 Millionen Einwohner, Wyoming hat 500.000. Beide können gleich viele Senatoren entsenden. Das ist doch keine Demokratie! Jetzt haben wir 50 Republikaner und 50 Demokraten im Senat, das heißt aber nicht, dass diese je die Hälfte der USA repräsentieren. Die Republikaner stehen für 42 Prozent, die Demokraten für 58 Prozent. Das System muss geändert werden. Noch etwas: Sagt Ihnen der Begriff "Gerrymandering" etwas?

Nein. Was geschieht da?
Der Begriff geht auf Elbridge Gerry zurück. Er war Anfang des 19. Jahrhunderts Vizepräsident. "Gerrymandering" bedeutet, dass die Wahlkreise neu bestimmt werden. Das geschieht alle zehn Jahre. Zuletzt haben die Republikaner die Wahlkreise neu bestimmt. Damit können Sie die nächste Kongresswahl gewinnen. Im Fall der Republikaner heißt das, sie können so die Demokraten blockieren. Dann kommt noch dazu, dass es im Senat noch immer das System des Filibuster gibt.

Das heißt, Senatoren können mit langen Reden Entscheidungen hinauszögern.
Und solange das nicht geändert wird, haben wir ein Problem. Es gibt die Möglichkeit dazu, aber es wird nicht gemacht. Ich bin im Moment ziemlich pessimistisch.

Hat Biden da überhaupt eine Chance, seine Pläne umzusetzen?
Hat er, aber es kommt darauf an, was passiert. Unbedingt müssen die Demokraten den Filibuster abschaffen.

Themenwechsel zu Ihrer Lebensgeschichte. Stimmt es, dass Sie österreichische Vorfahren haben?
Überhaupt nicht. Meine Vorfahren kamen aus Galizien, dem äußeren Osten der österreichisch-ungarischen Monarchie.

Das heißt, aus der Gegend von Joseph Roth, dem Chronisten der untergehenden Monarchie?
Genau, viele jüdische Schriftsteller stammen aus dieser Gegend, auch Einsteins Familie und Freuds Familie. Das war ein Ort, wo sich die Juden ansiedeln durften.

»14 Millionen Juden! Dass dieses kleine Volk der Auslöser für so viel Furcht und Zorn auf der Welt sein soll, das ist schon merkwürdig«

In Europa ist der Antisemitismus jetzt wieder sehr stark, es gibt den rechten, den importierten mit muslimischen Hassparolen und den getarnten, der sich gegen Israel richtet. Wie sehen Sie das?
Als jüdische Person weiß ich nur zu gut, dass Antisemitismus eine Konstante in den vergangenen 2.000 Jahren ist. Es gibt Momente, in denen er schlimmer ist als in anderen, aber er verschwindet nie. Wenn es Schwierigkeiten gibt, egal, ob ökonomische, politische oder eine Kombination aus beiden, sucht man meist nach Sündenböcken. Historisch gesehen sind die Juden da unter den beliebtesten. Das ist verrückt. Auf der ganzen Welt gibt es 14 Millionen Juden! Bei einer Weltbevölkerung von acht Milliarden ist das wie ein Tropfen im Ozean. Dass dieses kleine Volk der Auslöser für so viel Furcht und Zorn auf der Welt sein soll, das ist schon merkwürdig. Und Israel ist ein Phänomen in der Weltgeschichte. Es wurde zum Staat ein Jahr, nachdem ich geboren wurde. Das zeigt, wie neu Israel ist. Ich hatte immer Bedenken gegen das israelische Projekt. Ich hielt es nie für eine gute Idee, einen Staat auf einer Religion zu gründen. Aber das ist zu kompliziert, wir werden das nicht lösen.

Zum Ende noch etwas ganz Wichtiges: Man kann beruhigt annehmen, dass Sie unbeschadet durch die Pandemie gekommen sind?
Ich denke, Siri (Austers Ehefrau, die Schriftstellerin Siri Hustvedt, Anm.) und ich hatten es bereits zu Beginn, Siri etwas mehr als ich. Aber seither nicht mehr. Jetzt sind wir geboostert. Zu Weihnachten feiern wir meistens zu elft, mit Siris Schwestern und den Kindern, aber die Kinder wurden positiv getestet, so waren wir in diesem Jahr nur sieben. Alle diese Viren verlieren ihren Dampf, und dann kommt die nächste Pandemie. Und zum Abschied unseres Gesprächs gebe ich Ihnen noch Folgendes mit: Wenn diese Pandemie so etwas wie ein Testlauf dafür war, wie wir alle zusammenarbeiten können, um das Aussterben der Menschen zu verhindern, dann war das kein vielversprechender Beginn.