Forderung nach
lebenslanger Haft für Zschäpe

Bundesanwalt fordert im NSU-Prozess lebenslange Haft für Beate Zschäpe.

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lebenslanger Haft für Zschäpe © Bild: Christof STACHE / POOL / AFP

Im Prozess um die Mordserie der rechtsextremistischen Terrorgruppe NSU hat die deutsche Bundesanwaltschaft lebenslang für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe gefordert. "Die Angeklagte ist für ihr Verhalten in vollem Umfang strafrechtlich verantwortlich", sagte Bundesanwalt Herbert Diemer am Dienstag in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht München.

Diemer betonte, dass diese Strafe für jeden einzelnen der zehn Morde fällig sei. Die 42-Jährige verfolgte Diemers Worte ohne erkennbare Regung, das Kinn auf die Hände gestützt.

Zschäpe sei zwar den Ermittlungen zufolge nicht selbst an den Tatorten anwesend gewesen, jedoch wegen ihres Wirkens im Hintergrund mitverantwortlich für die Taten ihrer beiden Gefährten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die sich das Leben nahmen. Diemer äußerte sich während seines Plädoyers zunächst nicht dazu, ob er eine besondere Schwere der Schuld oder einen Grund für eine Sicherungsverwahrung Zschäpes sieht. In diesen Fällen wäre eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ausgeschlossen.

Die Gruppe, die sich Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nannte, hat laut Bundesanwaltschaft neun Männer türkischer und griechischer Abstammung sowie eine Polizistin getötet. Zschäpe ist den Ermittlungen zufolge die einzige Überlebende des Trios. Böhnhardt und Mundlos nahmen sich bei der Enttarnung der Gruppe im Jahr 2011 das Leben. Mit einem Urteil wird frühestens in einigen Wochen nach den Plädoyers der Nebenkläger und Verteidiger gerechnet.

Neun Kleinunternehmer und eine Polizistin als Mordopfer

Inzwischen ist es mehr als zehn Jahre her, dass im April 2007 mit dem Tod der Polizistin Michele Kiesewetter die NSU-Mordserie endete. Zehn Menschen sollen durch Schüsse von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gestorben sein.

ENVER SIMSEK war das erste NSU-Mordopfer. Der aus der Türkei stammende 38-Jährige wurde am 9. September 2000 vor seinem mobilen Blumenstand in Nürnberg mit acht Schüssen aus zwei verschiedenen Waffen niedergeschossen und starb zwei Tage später im Krankenhaus.

ABDURRAHIM ÖZUDOGRU ist das zweite von insgesamt drei Opfern aus Nürnberg. Der ebenfalls türkischstämmige 49-Jährige wurde am 13. Juni 2001 durch zwei Kopfschüsse in seiner Änderungsschneiderei getötet.

SÜLEYMAN TASKÖPRÜ starb zwei Wochen später am 27. Juni 2001 in einem von seinem Vater betriebenen Obst- und Gemüsegeschäft in Hamburg-Bahrenfeld. Der 31 Jahre alte Vater einer Tochter starb wie Simsek durch Schüsse aus zwei Pistolen, einer als Haupttatwaffe der NSU-Morde geltenden Ceska und einer Bruni Modell 315.

HABIL KILIC wurde am 29. August 2001 in seinem Obst- und Gemüseladen in München erschossen, er wurde 38 Jahre alt. Nach diesem dritten Mord des Sommers 2001 sollen Böhnhardt und Mundlos bis 2004 keine weiteren Morde begangen haben.

MEHMET TURGUT ist das fünfte NSU-Mordopfer. Er starb am 25. Februar 2004 durch drei Kopfschüsse vor einem Dönerimbiss in Rostock. Der 25 Jahre alte Turgut war erst kurz vorher aus Hamburg nach Rostock gekommen und wollte am Tattag spontan als Aushilfe in dem Imbiss seines Freunds arbeiten.

ISMAIL YASAR wurde am 9. Juni 2005 in seinem Nürnberger Dönerimbiss erschossen. Er wurde 50 Jahre alt und stammte wie acht der Opfer aus der Türkei. Nach diesem sechsten Mordfall sprach die Polizei fälschlicherweise offen davon, die bisherigen sechs Opfer könnten "in Verbindung mit türkischen Drogenhändlern aus den Niederlanden" stehen. Dass mehrere Zeugen am Tatort zwei Männer auf Fahrrädern sahen, brachte die Polizei noch immer nicht auf die richtige Spur.

THEODOROS BOULGARIDES starb am 15. Juni 2005 im Laden seines Schlüsseldiensts in München. Der zweifache Vater wurde 41 Jahre alt, er hinterließ Frau und zwei Kinder. Boulgarides ist das einzige Opfer mit griechischen Wurzeln.

MEHMET KUBASIK wurde am 4. April 2006 in seinem Kiosk in Dortmund erschossen. Kubasik wurde 39 Jahre alt, der Deutschtürke hinterließ Frau und drei Kinder.

HALIT YOZGAT wurde nur zwei Tage später mit zwei Kopfschüssen in einem von ihm betriebenen Internetcafé getötet. Yozgat war mit 21 Jahren das jüngste NSU-Opfer. Während der Tatzeit befand sich ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes in dem Internetcafé - dieser bestreitet, etwas von der Tat mitbekommen zu haben.

MICHELE KIESEWETTER starb am 25. April 2007 durch einen gezielten Kopfschuss auf einem Parkplatz in Heilbronn. Die 22 Jahre alte Polizistin machte dort zusammen mit einem Kollegen eine Pause. Dieser erlitt ebenfalls einen Kopfschuss, überlebte aber. Da es in diesem Fall keinen fremdenfeindlichen Hintergrund gibt, könnte Waffenbeschaffung ein Tatmotiv sein - Mundlos und Böhnhardt stahlen die Waffen der beiden Polizisten. Mit dem Mord an Kiesewetter endete die NSU-Mordserie - danach lebten Böhnhardt, Mundlos und Beate Zschäpe noch viereinhalb Jahre unerkannt im Untergrund weiter.