Gedanken lesen:
Funktioniert das wirklich?

Mentalist Harry Lucas verrät, was hinter dieser Kunst steckt

Harry Lucas ist ein Mentalist, jemand der mit der Magie des Gedankenlesens verzaubert. "Fantastische Kopfspiele" heißt sein Solo-Programm, mit dem der 41-jährige Wiener im Kabarett Simpl auftritt. Im Interview verrät der österreichische Staatsmeister der Mentalmagie, wie es ihm gelingt, in die Köpfe der Menschen zu blicken - ganz ohne übersinnliches Zutun, unter die Haut geht es dennoch.

von Harry Lucas © Bild: © Daniel Willinger | dwphoto.at

Sie haben eine Nummer, die sich der Telepathie-Akt nennt: Können Sie jetzt meine Gedanken lesen und erraten, was ich Sie als nächstes fragen will?
(lacht) Der Telepathie-Akt ist ein Highlight in meinem aktuellen Programm "Fantastische Kopfspiele". Es geht darum, dass Leute mir eine ganz bestimmte Frage stellen, etwas sehr Persönliches. Das findet am Ende des Programms statt, das heißt, die Leute haben zwei Stunden Zeit sich mit mir auseinandersetzen und ich mich mit ihnen. Aber um das so ad hoc zu machen, dazu kenne ich Sie zu wenig.

Ohne Vorwissen beziehungsweise ein kurzes Kennenlernen der Person geht es also nicht.
Es hilft, Leute zu beobachten, es hilft, Leute zu kennen und eine gewisse Menschenkenntnis zu erwerben. Dafür braucht man etwas mehr Zeit.

Harry Lucas
© Felicitas Matern - feelimage.at Harry Lucas
»Mentalmagie ist eine Mischung aus vielen verschiedenen Bereichen«

Was bedeutet der Begriff "Mentalist" für Sie?
Für mich bedeutet es, ein Entertainer zu sein, der auf der Bühne steht und Leute unterhält und das auf eine sehr spezielle, persönliche Art und Weise.

In der US-Serie "The Mentalist" sagt der Hauptcharakter Patrick Jane, dass es keine Gedankenleser oder "Psychics" gibt, sondern alles auf eine gute Beobachtungs- und Kombinationsgabe sowie Tricks zurückzuführen ist. Wie wahr ist diese Aussage?
Das ist natürlich Hollywood. Es ist spannend erzählt und für ihn sehr gut auf den Punkt gebracht. Was ich mache, enthält einige Elemente daraus: Es ist Psychologie mit im Spiel und es sind Teile aus der Beobachtungsgabe, der Zauberkunst und der Hypnose dabei. Es ist ein ganzes Konglomerat, eine Mischung aus vielen verschiedenen Bereichen.

Wie sind Sie dazu gekommen, Mentalist zu werden?
Ich habe sehr früh begonnen. Mit ungefähr fünf Jahren habe ich einen Zauberkasten geschenkt bekommen, das war mein Einstieg in das Reich der Magie. Und ich habe dann festgestellt, dass es sehr spannend ist, wie wir Dinge wahrnehmen. Dass nicht unbedingt alles so ist, wie wir es wahrnehmen, dass man die Wahrnehmung ändern und Aufmerksamkeit leiten kann. Mich hat dieser psychologische Effekt immer fasziniert, das hat sich intensiviert und ich habe mich noch mehr mit den Leuten auseinandergesetzt.

Was erwartet Zuschauer in Ihrer jetzigen Show?
Ich mache eine interaktive Show, die Menschen sind Teil des Programms und das macht es auch für mich so spannend, weil jeder Abend anders ist, mit einem anderen Publikum, anderen Leuten und anderen Gedanken. Ich bin immer neugierig, was der Abend so bringt.

Werden Sie noch überrascht vom Publikum?
Ja, jeden Abend. Manchmal wird es sehr persönlich, manchmal sehr lustig, weil die Leute an lustige Dinge denken. Man kann nie wirklich genau sagen, wie der Abend verlaufen wird. Das macht es für mich und für das Publikum frisch. Die Leute merken und wissen, es passiert nur jetzt und hier einmal und wahrscheinlich nie wieder.

Sind Sie beim Gedankenlesen schon einmal daneben gelegen?
Ja, klar. Das ist keine 100-prozentige Wissenschaft.

Und wie reagieren Sie dann auf der Bühne?
Ich bin nur ein Mensch: weitermachen. (lacht)

Wann tun Sie sich schwer, "Gedanken zu lesen"?
Das Spannende daran ist, wenn ich auf Leute treffe, die sehr dagegen arbeiten und das unbedingt verhindern wollen. Das macht sie interessanterweise vorhersehbarer, weil sie ihre Verhaltensweisen einengen. Eigentlich ist das kontraproduktiv. Ich mag Menschen, die offen sind, gerne dieses Spiel mitspielen und Spaß daran haben, Dinge über sich selber zu erfahren.

Sie haben einmal erwähnt, dass Kinder Ihre Tricks oft leichter durchschauen als Erwachsene. Warum ist das so?
Das hat mit der Wahrnehmung zu tun. Kinder haben noch nicht den Erfahrungsschatz von Erwachsenen und gehen mit einem unverbrauchten Blick an das Ganze heran. Sie kommen so auf Dinge drauf, die für sie ganz banal und klar sind, für Erwachsene aber völlig undurchschaubar.

Wenn ein Zauberer seine Tricks verrät, ist man hinterher oft enttäuscht, weil man der Illusion beraubt wurde. Trifft das auch auf die Magie des Gedankenlesens zu?
Zum Teil. Ich glaube nicht, dass man es auf so simple Dinge herunterbrechen kann. Menschen sind komplex und das ist auch das Schöne daran. Weil es so interaktiv und kein klassisches Schauspiel ist und ich nicht weiß, was gleich kommt, ist es spannend. Ich habe mir ein Ziel gesetzt, wo ich die Leute gerne hinführen möchte, aber es gibt viele Wege, die dort hinführen. Wenn der Plan A nicht geht, dann nimmt man den Plan B.

Ich stelle mir diese Fähigkeiten sehr praktisch vor. Wenden Sie Ihre Techniken auch im Alltag an?
Wenig, aber ich glaube, dass ich jemand bin, der manchmal mehr mitbekommt. Das sind oft kleine Nuancen. Wenn jemand auf eine gewisse Art reagiert und das, was er sagt, nicht zu seiner Körpersprache passt, werde ich hellhörig. Meistens liege ich damit richtig, wie ich herausgefunden habe.

Welchen Trick oder Kniff aus Ihrem Repertoire können Sie zum Abschluss verraten?
Was ich den Leuten raten oder empfehlen kann, ist, mehr auf ihr Bauchgefühl zu hören. Ich habe festgestellt, je mehr ich mich darauf eingelassen habe, umso richtiger bin ich gelegen und umso klarer kann man Leute einschätzen. Manche hören nicht auf ihr Bauchgefühl und ärgern sich später darüber, weil es eigentlich die Anzeichen schon gegeben hat.

Auch News.at-Redakteure sind durchschaubar. Harry Lucas zeigt spontan anhand eines Münztricks, wie "Gedankenlesen" funktionieren kann:

© Video: News.at

Und wer jetzt denkt, ein Münztrick ist auch nicht allzu schwierig, der sollte sich dieses Video anschauen:

Zur Person:
Schon früh hat es den 1976 geborenen Wiener Harry Lucas zu seinem jetzigen Beruf hingezogen. Bereits mit fünf Jahren interessierte er sich für Zauberkunst. Seine Faszination für Menschen, Psychologie, Suggestion, Verhalten und Körpersprache hat ihn dazu gebracht, Mentalist zu werden. Mittlerweile kann der österreichische Staatsmeister der Mentalmagie auf über zwanzig Jahre Karriere zurückblicken. Bekannt wurde der Wiener unter anderem durch die Fernsehserie "Magic Mushrooms" im ORF und seiner aktuell vierten Show "Fantastische Kopfspiele" im Kabarett Simpl. Live zu sehen ist Mentalist Harry Lucas mit seiner Show wieder am 12. November 2017 (Tickets unter: www.harrylucas.com).