Meine perfekte Schule

Über Schulreförmchen wird in Österreich viel und oft gestritten. Aber wie müsste Schule sein, damit sie wirklich erfüllend und sinnvoll ist? News hat die Träume von Betroffenen und Experten aufgezeichnet.

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Bildungsreform - Meine perfekte Schule

Er ist erst 14, aber er weiß schon ganz genau, was er will: weniger Schüler, mehr Lehrer, ein anderer Unterricht. Ein Gespräch mit einem Pflichtschüler reicht aus, um zu erkennen, dass es in unserem Schulsystem noch so einiges zu reparieren gibt. Daran wird auch die gerade beschlossene Bildungsreform wenig ändern. Nicht nur, dass sie erst 2025 tatsächlich greifen soll, sie geht vielen auch gar nicht weit genug. Die, die damit arbeiten sollen, würden sich noch viel mehr und weit radikalere Änderungen wünschen. Hier geben wir ihnen eine Stimme: Schülern, Lehrerinnen, Müttern, Schulexperten und Architekten sprechen über ihren Traum einer perfekten Schule.

Schüler
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Demokratischer Prozess

Dabei auf einen Nenner zu kommen, ist gar nicht so einfach. "Ich weiß nicht, wie eine Schule aussehen müsste, die allen Anforderungen gerecht werden könnte, da die einander zum Teil gegenseitig ausschließen", sagt Bildungsfachmann Stefan Thomas Hopmann: "Schule ist immer ein Kompromiss zwischen verschiedenen Erwartungen." Nachsatz: "Das ist in einer Demokratie auch gut so." Eine Schule, die alles kann, habe, so Hopmann, für ihn sogar "eher etwas von einem Albtraum".

Und doch gibt es genügend Menschen, die sich den Kopf zerbrechen, was unsere Ausbildung besser machen könnte. So hat sich etwa die Initiative "Schule im Aufbruch" formiert, die nach dem bereits danach arbeitenden Vorbild der Evangelischen Schule Berlin Zentrum auch in Österreich mehr Schulen schaffen will, "die die angeborene Begeisterung und Kreativität von Schülern erhalten und fördern". Passieren soll das unter anderem mit neuen Lernformaten und "Lob und Vertrauen statt Negativ-Auslese oder Laisser-faire".

Schule
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Mehr Flexibilität

Hedwig Wölfl ist Psychologin, Mutter dreier Kinder und Vizepräsidentin der Österreichischen Liga für Kinder-und Jugendgesundheit. Ihr fällt eine ganze Liste von Maßnahmen ein, die dazu führen würden, dass es Kindern in der Schule besser geht. In der idealen Schule, wie Wölfl sie sich vorstellt, gibt es eine Gleitzeitregelung. Die Kinder können ab halb acht gebracht werden und noch toben, lesen oder sich ausruhen, bevor der Unterricht um halb neun oder neun beginnt.

Gerade bei jüngeren Kindern, die sich noch nicht so lange konzentrieren können, sei es wichtig, die Länge der Unterrichtsstunden flexibel zu gestalten, so dass sie etwa nach einer halben Stunde Sitzen aufstehen und sich bewegen dürfen. Mehr Bewegung sei überhaupt das Um und Auf, sagt die Psychologin. Das setzt auch entsprechende bauliche Maßnahmen voraus; nicht nur konventionelle Klassenzimmer, sondern Bewegungsräume, Rechercheräume, Essräume. Kurz: "Lebensraum, wo verschiedene Lernformen möglich sind."

Offene Lernlandschaft

Die deutsche Architektin Susanne Hofmann ist auf Schulbau spezialisiert. Mit ihrem Büro Baupiloten hat sie in Berlin zahlreiche Schul-und Kindergartenbauten realisiert. Die Kindertagesstätte "Taka Tuka Land" etwa wurde nach den Vorstellungen der Kindergartenkinder gebaut: Ein grün-gelber schräger Bau, der von der Faszination der Kinder für Pippi Langstrumpfs geheimnisvolle Eiche, in der Limonade wächst, inspiriert wurde.

Hofmann träumt davon, eine Schule zu bauen, die sich Schülerinnen, Lehrerinnen und andere Beteiligte wirklich wünschen - ohne konventionelle programmatische und räumliche Einschränkung. In einem Beteiligungsverfahren, das sie bereits durchgeführt hat, wurde zum Beispiel der Wunsch nach einer offenen Lernlandschaft artikuliert, die sich tatsächlich wie eine "anregende Miteinander-Lernwiese" anfühlt, berichtet die Architektin.

In ihrer idealen Schule gäbe es außerdem individuelle ruhige Nachdenkwerkstätten, ein lebendiges Forscherlabor, in dem selbst organisiert, geforscht, diskutiert und in der Gruppe gearbeitet wird. Es gäbe eine kreative Basteloase, draußen "Entspann-Oasen", in denen, "unter einem Baum sitzend", nicht nur Natur beobachtet, gegärtnert, sondern auch Hausaufgaben gemacht, geübt und vor-und nachbereitet wird. Außerdem auch "draußen wilde Wiese", in der viel entdeckt und aufgeführt werden kann.

Besonders wichtig sei ihr, sagt Hofmann, dass eine solche Schule im normalen Kostenrahmen gebaut wird, "um nachhaltig als inspirierendes Beispiel Schule machen zu können".

Schule
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Gesundes Mittagessen

Nachdem die Kinder am Vormittag gelernt haben, wartet ein gesundes Mittagessen auf sie. An vielen Schulstandorten -Stichwort: Softdrink-Automat -leider immer noch nicht Realität. Die Ernährungswissenschaftlerin Alexandra Hofer von der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung wünscht sich, dass beim Speisen-und Getränkeangebot an den Schulen "nicht nur der Preis zählt, sondern es auch verpflichtende Kriterien für die Lebensmittelauswahl, Gesundheitsförderlichkeit und Nachhaltigkeit gibt". Wichtig sei auch, die entsprechende Infrastruktur zu schaffen sowie ausreichend Zeit, um die Mahlzeiten zu genießen. Und das Thema Ernährung sei stärker im Lehrplan zu verankern.

Das ist ganz im Sinne der Ganzheitlichkeit, die auch Kinderpsychologin Hedwig Wölfl so wichtig ist. "Unseren Kindern geht es schlecht," stellt sie fest: "Fast alle Mädchen sind mit ihrem Körper unzufrieden, viele haben Kopfweh. Die Mobbing-Rate in Österreichs Schulen ist sehr hoch. Diese Themen müssen in den Schulen adressiert werden." Ein Aspekt, so banal er klingen mag, sei besonders wichtig: dass Lehrer Kinder mögen. "Lernen hat mit emotionaler Sicherheit zu tun. Wir lernen mehr von Menschen, die wir mögen."

Frustrierte oder ausgebrannte Lehrer sollten öfter die Chance bekommen, ein Jahr Auszeit zu nehmen oder im Hintergrund zu arbeiten, "damit keine Burnout-Multiplikatoren auf die Kinder losgelassen werden". Denn Demotiviertheit sei genauso ansteckend wie Motivationsgeist. Ungeeignete Lehrer müsste man leichter loswerden können, meint Wölfl: "Wir kennen einige Fälle von psychischer Gewaltausübung bis hin zu sexuellem Missbrauch. Es dauert leider oft ewig, bis schulbehördlich im Sinne des Kinderschutzes reagiert wird."

Der Nachmittag, den viele Kinder auch in der Schule verbringen, weil es der Arbeitsrealität ihrer Eltern entspricht, dient in der idealen Schule der Vertiefung von Schwerpunkten: Musik-oder Wissenschaftskurse, Exkursionen und so weiter. Zu frühe Schwerpunktsetzung halte sie dennoch nicht für ideal, meint Wölfl. Im Pflichtschulalter sollten sich die Kinder in möglichst vielen verschiedenen Bereichen erproben -unabhängig davon, wo ihre speziellen Begabungen liegen.

Und wenn am späten Nachmittag die Zeit gekommen ist, nach Hause zu gehen? Freuen sich ausgeglichene, fröhliche Kinder und Jugendliche schon auf den nächsten Tag in der perfekten Schule.

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