Die Macht der Zauberer

"Scharlatane" - Ein Fachmann spricht Klartext über Mentalisten und Co.

Zauberkunst bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen kreativer Unterhaltung und schmutziger Heuchelei. Spätestens, wenn Verstorbene durch ein "Medium" zu ihren Hinterbliebenen Kontakt aufnehmen, ist die Grenze des Anstandes überschritten. Magic Christian, einer der weltweit erfolgreichsten österreichischen Zauberkünstler und Leiter des Magischen Klubs Wien, packt über die Missstände in der Magier-Branche aus.

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Magisch - Die Macht der Zauberer

An diesem Ort ist die Magie zu Hause. Im Herzen von Mariahilf findet man den Magischen Klub Wien, Österreichs ältesten Verein für Zauberkunst. In geheimnisvollen dunklen Räumlichkeiten zwischen roten Vorhängen und Vitrinen voll mit alten Zauberutensilien treffen Freizeit- und Berufskünstler aufeinander, um sich auszutauschen und die Zauberkunst weiterzuentwickeln.

Seit 1989 wird der Verein von Magic Christian geführt. Mit seinen innovativen Ideen hat er schon Menschen aus aller Welt zum Staunen gebracht. Er war einer der Vorreiter, denen die Wiener Magische Schule ihren heute renommierten Namen in der Weltzauberkunst zu verdanken hat.

Der Zauber-Nachwuchs

Eines seiner größten Anliegen war die Gründung eines Jugendclubs. Die Zauberbranche neigt dazu, von Eifersüchteleien und Neid beherrscht zu werden. Durch die strenge Geheimhaltung entsteht die Gefahr, dass die Lehre verloren geht. Der Klub bietet Raum, um das Wissen von Generation zu Generation weitergeben zu können.

Neben dem Magischen Klub Wien existieren noch andere Zaubervereine in Österreich. Manche davon sind Abspaltungen des Magischen Klubs. Doch keiner der anderen Vereine bietet ein Programm für Jugendliche und Kinder an, die Mitglieder sind meist nur ältere Männer. Vor lauter Angst, seine eigene Konkurrenz heranzuzüchten, bleiben die Vereine lieber unter sich und beginnen langsam aber sicher zu vergreisen.

Magic Christian kann diese Einstellung nicht verstehen. Den Nachwuchs zu unterrichten ist seine Leidenschaft. Er möchte die Zauberkunst weiterentwickeln, und das ist nur mit konstruktivem Austausch und Kommunikation möglich. Es ist sehr wichtig, junge Leute für die Zauberei zu begeistern.

Die Gepflogenheiten des Klubs

Ein Teil der Jugendgruppe hört ab einem gewissen Alter aus Mangel an Interesse auf, aber der andere Teil strebt eine Aufnahme in den exklusiven Erwachsenenclub an. Diese ist nicht ganz einfach: Um die Qualität der Zauberkunst zu erhalten, gibt es eine schwere Aufnahmeprüfung. Wer Mitglied im Magischen Klub Wien werden will, muss sowohl eine theoretische Prüfung bestehen, bei der nach Fachbegriffen oder nach Fakten aus der Zauberkunstgeschichte gefragt wird, als auch mit einem kurzen Vorführprogramm die Mitglieder von sich überzeugen. Über das Bestehen der Prüfung wird demokratisch abgestimmt.

Magic Christian
© news.at Magic Christian im Magischen Klub Wien

Regelmäßig gestalten die Mitglieder ein gemütliches Zusammentreffen, meist nach einem vorgegebenen Motto wie zum Beispiel Kartentricks. Sie besprechen Organisatorisches oder führen Teile ihrer Programme vor. Jeder Zauberer hat seine eigenen geheimen Tricks, die er nicht einmal seinen Kollegen verrät. Trotzdem herrscht innerhalb des Klubs kein Konkurrenzdenken. Die Mitglieder gehen respektvoll mit der Zauberkunst der anderen um und üben dabei auch konstruktive Kritik aus. Kritik ist wichtig, um zu lernen und sich weiter zu entwickeln.

Unter den 48 Klubmitgliedern findet sich auch eine Dame. Obwohl es mittlerweile viele weibliche Zauberkünstlerinnen gibt, zeigen nur wenige Interesse an Vereinsmitgliedschaften. Ob ein Zauberer sich mit anderen vernetzen will, ist freilich ihm selbst überlassen.

Die Leichtgläubigkeit der Leute

Der Beruf des Zauberers macht Magic Christian sichtlich Freude. Bei seinen zahlreichen Auftritten auf der ganzen Welt hat er schon viel erlebt. Ein Trick ist dann gelungen, wenn er die Menschen zum Nachdenken anregt. Verblüffte Gesichter sind das beste Kompliment für einen Zauberkünstler. Um in der Branche erfolgreich sein zu können, muss man den Trends folgen. Momentan sind Gedankenübertragungen und Mentalisten oder Kontaktaufnahme durch ein Medium besonders gefragt. Über die letzten Jahrzehnte hat Magic Christian die Erfahrung gemacht, dass Menschen in Krisensituationen offener für magische oder spirituelle Unterhaltungsformen sind. "Die Leute sind erschreckend leichtgläubig", erzählt er besorgt.

»Die Leute sind erschreckend leichtgläubig«

Erlebnisse mit Zusehern, die ihn nach den Shows voller Erwartungen darum bitten, ihre kranken Angehörigen wieder gesund zu zaubern, lassen ihn immer wieder erschaudern. In Zeiten von Wirtschaftskrisen oder Krieg scheinen sich die Menschen eher nach spirituellen Eingebungen, als nach sachlichen Diskussionen und verifizierten Informationen zu sehnen. Deshalb tragen er und die Branchen-Kollegen große Verantwortung, der nicht jeder Zauberer gerecht wird.

Heuchelei und Scharlatane

Manche Zauberkünstler oder Mentalisten schlagen hemmungslos Profite aus der Not der Menschen. Für den Fachmann Magic Christian, der weiß, wie die Tricks funktionieren, ist das oft schwer mitanzusehen. Es ist heutzutage sehr leicht, sich so genannte "Cold Reading“-Fähigkeiten anzueignen. In Workshops und später durch Erfahrung kann man lernen, wie man Menschen schnell einschätzt und möglichst viele Informationen aus ihrer Körperhaltung und Erscheinung herauszufiltern. Die Zauberkünstler verwenden dieses Wissen, um ihre Gedankenübertragungen und ähnliche Tricks vorzuführen.

Mentalist Zauberer
© shutterstock.com/Milles Studio Die Kunst des "Cold Reading" ist leicht zu lernen. So kann man die Zuseher täuschen und so tun als könne man Gedankenlesen.

Sie lassen Verstorbene zu ihren Angehörigen sprechen oder heizen den Glauben an das Übernatürliche mit billigen psychologischen Spielereien an. Es sind die Zauberer, die hinterher nicht zugeben, dass es ein Trick war und auf die Echtheit ihres Programms pochen, die für die Menschen eine große Gefahr darstellen. Magic Christian findet es verwerflich, Leute zu motivieren an etwas zu glauben, an das man selbst nicht glaubt.

»Es ist verwerflich, Leute zu motivieren an etwas zu glauben, an das man selbst nicht glaubt«

Die Kunst der Zauberei bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen kreativem Unterhaltungsprogramm und schmutziger Heuchelei. Er persönlich möchte mit seinem Unterhaltungsprogramm, das hohe Fingerfertigkeit, Professionalität und Spontanität voraussetzt, das Publikum verblüffen und zum Grübeln bringen. Dabei muss aber klar sein, dass es ein Trick ist. Er vergleicht sein Handwerk etwa mit dem eines Malers, Musikers oder Schauspielers, nur dass im Unterschied dazu die Zauberkunst auch die grauen Zellen anregt.

Obwohl der erfahrene Unterhaltungskünstler von sich selbst behauptet, dass er spätestens nach etwas Recherche jeden Trick aufdecken kann, lässt er sich selbst gerne von einer guten Show verzaubern.

Zauberei ohne Heuchelei

Magic Christian und weitere Mitglieder des Magischen Klub Wien treten regelmäßig im Hotel Stefanie auf. Weitere Informationen gibt es unter www.zauberdelikatessen.at

Kommentare

Scharlatane und Karten :)
Passt ja hervorragend zum (Brief)Wahlkartendebakel ;)
Ist ja fast schon wie bei Tricky Niki :)

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