Haushaltsauflösung für Betuchte

Alles muss raus: Picassos, Meissner Porzellan, Tiffany-Lampen, ein Pokertisch. Die „Totalauflösung einer herrschaftlichen Villa“ in Wien lockte in der Vorwoche kaufkräftige Interessenten und noch mehr Neugierige an. Ein Ausverkauf der ganz exklusiven Art.

von Luxus - Haushaltsauflösung für Betuchte © Bild: Heinz Stephan Tesarek

Die alte Dame im schicken Kostüm hat eine dunkle Vorahnung. „Mein Mann wird mich für verrückt halten“, sagt sie, wirft einen letzten Blick auf den Hund aus Bronze in der Eingangshalle und eilt dem Verkäufer in den ersten Stock nach. Hier steht ein weiteres Objekt ihrer Begierde: Ein Krokodil. Im aufgesperrten Maul steckt eine Uhr. Beide Tiere könnte die Dame sofort mitnehmen – vorausgesetzt, der Ehemann hat nichts dagegen und sie hat das nötige Kleingeld dafür in der Tasche. Hund und Krokodil sind nur zwei von unzähligen hochpreisigen Ausstellungsstücken, die an diesem Freitag Nachmittag, hübsch ins Szene gesetzt, einem neuen Besitzer schmackhaft gemacht werden sollen.

© Heinz Stephan Tesarek Hietzinger Hauptstraße 53

Auch schwere Ledergarnituren, Antik- und Stilmöbel, jede Menge feinstes Porzellan und noch mehr hochwertiger Krimskrams stehen bei der „Totalauflösung einer herrschaftlichen Villa“ – so die Zeitungsannonce - in der Hietzinger Hauptstraße 53 im 13. Wiener Gemeindebezirk zum Verkauf. „Ich bin beauftragt, die Villenfläche komplett leer zu übergeben“, lässt sich Auktionator Peter Lindenfeld entlocken. Wer der Verkäufer der wertvollen Sachen ist, bleibt sein Geheimnis. Fest steht nur, dass das Mobiliar gleich aus mehreren Villenauflösungen und Kunstsammlungen stammt. Für den Verkauf in Wien wurden acht Tage veranschlagt.

© Heinz Stephan Tesarek

Eine Villa als Showroom

Der Deutsche hat sich auf Villenauflösungen, Schätzungen und Nachlässe spezialisiert. Vor Wien haben er und seine Verkäufer in der Schweiz Halt gemacht. Sein Geschäftsmodell: Lindenfeld lagert das Inventar von leergeräumten Luxusanwesen ein und bemustert damit Luxusimmobilien, die zum Verkauf stehen. Netter Nebeneffekt: Die Möbel und Einrichtungsgegenstände werden in einem ansprechenden Ambiente präsentiert. Obendrein verkauft sich möglicherweise auch die Villa, die als vorübergehender Showroom dient, dadurch besser. Auch in Wien steht nicht nur das Mobiliar, sondern ebenso die Hietzinger Villa aus dem Jahr 1890 zum Verkauf. Wer in das 1047 Quadratmeter große Palais mit seinen 21 Zimmern einziehen will, muss laut einem Immobilienportal 8,9 Millionen € auf den Tisch legen.

Doch vorher muss der Auktionator erst noch einen guten Job machen. Kleine dezente Preisaufkleber weisen beinahe versteckt darauf hin, wie tief die zahlreich anwesenden Kaufinteressenten für Kristalllüster, (teils handsignierte) Litographien, Orientteppiche & Co. ins Geldbörsel greifen müssen. Mehrere tausend Euro für ein Einzelstück sind dabei keine Seltenheit. Die Tiffanylampe kostet 3900 €, zwei Kerzenleuchter in Form eines Papagei sind um je 895 € zu haben. Auch ein Chagall um 60.000 € hängt an der Wand. Gezahlt wird bar oder mit Karte.

Alles reduziert

„Sie wissen, alles wird nochmal reduziert. Einfach fragen!“ Mit diesem Satz im lupenreinen Hochdeutsch wird jeder Besucher am Treppenaufgang der Villa begrüßt. Oben im ersten Stock hält eine Frau ein kleines Holzauto unschlüssig in den Händen. 575 € steht auf dem Preisschild – um 400 € kann sie es mit nach Hause nehmen. Ihr Zögern macht sich auch für das Pärchen vor den beiden Schiele-Bildern bezahlt. 900 € würde der Abzug vom Original kosten – um 1300 € können sie beide haben.

© Heinz Stephan Tesarek

Die meisten der Besucher sind ohnehin wegen der Bilder da: Matisse, Kandinsky, Hundertwasser, Fuchs, Picasso, Miro, Dali. Die Auswahl an Originalen und Abzügen ist groß. Chagals „Frau mit grünen Esel“ soll für 1990 € den Besitzer wechseln; ein Beethoven-Druck von Andy Warhol um 2000 €.

© Heinz Stephan Tesarek An der Wand: Salvador Dali
© Heinz Stephan Tesarek

Das Prunkstück des Hauses ist freilich ein original amerikanischer Pokertisch aus echtem Leder mit passenden Stühlen. „So ein Stück ist außergewöhnlich und selten“, erklärte einer der Verkäufer, die durch das Haus und um die potenziellen Käufer schwirren. Außergewöhnlich ist auch der Preis: 47.500 € soll das edle Stück kosten. Überhaupt scheinen Pokertische bei jeder Verkaufsshow von Peter Lindenfeld eine tragende Rolle zu spielen. Je nach Ort und Villa variieren allerdings die Preise, wie ein Blick in diverse Zeitungsartikel zeigt: Mal gibt es den Tisch um 25.000, dann wieder um 35.000 €.

Blick durch das Schlüsselloch

Weder für den Pokertisch noch für Teller und Tassen aus Meißner Porzellan interessiert sich das junge Paar, das auf der dunkelgrünen wuchtigen Couch gerade ein Selfie schießt und nicht die Einzigen sind, die sich auf einem Bild in der Kulisse der herrschaftlichen Villa verewigen. „Wir wollen nichts kaufen. Wir sind aus purer Neugierde hier“, erzählen sie. Beide wohnen im Nebenhaus und wollten einfach mal sehen, wie der Nachbar sich häuslich eingerichtet hat. Einen Nachbarn, den sie in der Vergangenheit allerdings nie zu Gesicht bekommen haben. Jetzt, wo sie in seinem Wohnzimmer mit dem auf Hochglanz polierten Parkettfußboden stehen, sind sie fast ein bisschen enttäuscht. „Alles schaut so aus, als ob hier nie jemand drinnen gewohnt hat.“

© Heinz Stephan Tesarek

In der Tat werden jene Besucher, die nur vorbeigekommen sind, weil sie einen Blick durch das Schlüsselloch werfen wollten, eher enttäuscht nach Hause gehen. Nichts deutet auf einen Vorbesitzer hin: Im Bett fehlt längst die Matratze, der mit goldener Tapete ausgelegte Einbauschrank ist leer und auch das Badezimmer hat wohl schon seit Ewigkeiten keine Seife mehr auf der Ablage gesehen.

© Heinz Stephan Tesarek

Unbenutzt scheinen auch die weißen Gartenmöbel im französischen Stil auf der schmalen Terrasse. Und die werden schon seit geraumer Zeit von einem Ehepaar unter die Lupe genommen. Am Ende zückt der Mann die Geldbörse: 2500 € für einen Tisch und sechs Stühle. Zwei Vogelhäuschen gibt es als Draufgabe. Einen Kaufinteressenten hätte es an diesem Nachmittag auch für die zahlreichen Flügeltüren im Haus gegeben, verrät einer der Verkäufer. Doch hier sucht man das Preisschild vergeblich. Sie sind ebenso unverkäuflich wie der beeindruckende Kristallleuchter im Treppenhaus.

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