Die Quadratur
des Kreises

Zu viel oder zu wenig Engagement? Eltern vom heute können es nicht richtig machen.

von Anna Gasteiger © Bild: News/Ricardo Herrgott

Die Katastrophenmeldungen über unsere Kinder häufen sich. Dick, faul, bildschirmsüchtig. Schuld? Hängt davon ab, wen man fragt. Die Eltern delegieren die Verantwortung gerne an die Bildungsinstitutionen, die sie flugs auf die Eltern zurückschieben, was sich wiederum kommod mit der Mehrheitsmeinung deckt. Fragen Sie eine x-beliebige Person in Bus oder Straßenbahn: Klar, die Eltern sind Schuld an der Misere, die Mütter vor allem. Mit ihrem ständigen Ins-Handy-Gestarre in Anwesenheit von Kleinkindern erzeugen sie (Hobbypsychologen sind sich hier sehr einig) schwerste Störungen bis hin zur Drogensucht, mit voller Berufstätigkeit sowieso.

Dabei wäre es doch ganz einfach, wirklich, das wissen nur viele Mamas und Papas leider nicht. Der ideale Elternteil ruht konfuzianisch in sich, erhebt nie die Stimme, hat Verständnis für alles und doch Autorität. Er ist seinem Kind Anker und Leuchtturm in einem. Er springt nachts aus dem Bett, wenn Alpträume es erfordern, und tagsüber vor Schreck an die Decke, wenn das Handy plötzlich läutet: Kind krank/ verletzt/liebesbedürftig, meldet die Betreuungseinrichtung und erwartet prompte Abholung.

Er fördert sein Kind ideal, ohne es dabei zu überfordern oder ihm gar zu sehr auf Augenhöhe zu begegnen, auch davor warnen Ratgeberbücher mittlerweile sehr. Das macht der ideale Elternteil aber intuitiv, man soll nämlich, wie in Ratgeberbüchern nachzulesen ist, auf gar keinen Fall Ratgeberbücher lesen. Denn die Angst, ein mieser Elternteil zu sein (der auf Ratgeberbücher angewiesen ist), macht einen zu einem ganz besonders miesen Elternteil, das ist allgemein bekannt. Eltern sein ist kompliziert, vielleicht geworden. Mütter und Väter von heute stehen unter Druck. Ständige Erreichbarkeit, allgemeiner Optimierungswahn, finanzielle Nöte, Angst vor Jobverlust und sozialem Abstieg. Trotzdem sollen sie entspannte, belastbare und vor allem gut verfügbare Bezugspersonen für ihre Kinder sein -und sie zugleich optimal auf die Welt von morgen vorbereiten, von der nur leider niemand so genau weiß, wie sie aussehen wird.

Die Überforderung zeigt sich an allen Ecken und Enden. Mütter, die versuchen, den optimalen Krippenplatz für Noch-nicht-Gezeugtes zu finden, als hingen ihre Leben davon ab; es aber, sobald geboren, bei erstbester Gelegenheit vor dem Tablet parken.

Kinder, die grundlegende soziale Kompetenzen erst in der Schule lernen, weil sich zu Hause so ausschließlich alles um sie drehte, dass sie sich nicht einmal in einer Warteschlange hinten anstellen können.

Fünfjährige, die Übergewicht mit sich herumschleppen müssen, weil die Mama zu beschäftigt, dumm oder arm für gesunde Ernährung ist. Die Liste ist lang.

Natürlich sind die Eltern schuld - wer denn sonst? Sie sollten sich mehr Zeit nehmen, raten Experten, auf ihr Bauchgefühl hören, dem natürlichen Mutter-(Vater-)Instinkt vertrauen. Sich nicht so stressen und unter Druck setzen lassen. Ganz einfach, wirklich. Vorschlag: Setzen wir sie alle mitsamt ihres Nachwuchses auf eine grüne Almwiese und lassen sie von früh bis spät spielen. Vielleicht können die Kinder im späteren Leben glückliche Senner werden.

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