Die Invasion der gelben Mieträder

Bikesharing boomt in Österreich. Doch braucht Wien so viele Fahrräder?

Mit einer offensiven Expansionsstrategie nehmen die gelben Leih-Fahrräder Wiens Straßen ein. Seit ihrem Markteintritt im August hat sich die Fahrradzahl der Bikesharing-Anbieter Obike und Ofo in Wien beinahe verdoppelt. Beschwerden über fehlende Abstellplätze häufen sich und die ersten Bedenken zum Datenschutz kommen auf.

von Ofo © Bild: shutterstock

In der Wiener Innenstadt kommt man an ihnen nicht mehr vorbei: Die gelben Fahrräder der Bikesharing-Unternehmen Ofo und Obike füllen die Radständer und gerne auch mal das Gebüsch. Die neuen privaten Mieträder funktionieren nach dem "Free-Floating"-Prinzip und werden leicht mittels Handy-App aufgeschlossen. Sie müssen im Gegensatz zu den städtischen Citybikes nicht an einem bestimmten Ort abgegeben werden. Das chinesische Unternehmen Ofo genauso wie das Startup Obike aus Singapur starten mit einer offensiven Expansionsstrategie in Europa durch. In kürzester Zeit ist die Zahl an Mietfahrrädern auf dem asiatischen Heimatmarkt in die Höhe geschnellt. Allein 6,5 Millionen Fahrräder der Marke Ofo sind in asiatischen Städten unterwegs. Die Behörden kämpfen darum, das Verleihchaos in geregelte Bahnen zu lenken. Jetzt startet der Service weltweit durch – mit mehr oder weniger positiver Resonanz.

Bikesharing als Chance?

Von Seiten der Stadt Wien blickt man der gelben Fahrradflotte entspannt entgegen. "31 Prozent der Bürger sagen, dass sie nicht Radfahren, weil sie kein Fahrrad besitzen", erläutert Kathrin Ivancsits von der Mobilitätsagentur Wien. "Das Angebot macht den Zugang einfacher und die Schwelle zum Radfahren sinkt." Man hofft vor allem auf die Förderung von umweltfreundlicher Mobilität und da kommen die neuen Mietmöglichkeiten gerade recht. Einfluss auf die von der Stadt und der Gewista betriebenen Citybikes haben die neuen Angebote nicht. "Es ist ein gutes System, das in der Qualität erhalten bleiben soll", so Ivancsits.

»31 Prozent der Bürger sagen, dass sie nicht Radfahren, weil sie kein Fahrrad besitzen«

Während sich die Befürworter über umweltfreundliche Fortbewegungsmittel freuen, ist die Kritik über das Rad als Wegwerfobjekt groß. Die hochgelobte Share-Economy wird durch ihr günstiges und zahlreiches Angebot für manch einen zur Wegwerf-Economy. Im australischen Melbourne braucht es mittlerweile ein extra Schiff, das die Räder aus dem Fluss holt. In München stapeln sich die Räder im Englischen Garten und so manch einer fragt sich, ob es eine "Leihradüberversorgung" gibt. Und auch in Wien scheint bei einigen die Liebe zu den Drahteseln nicht besonders groß zu sein: Ein paar Mieträder wurden schon im Wien Fluss gesichtet.

Rasantes Wachstum

Bei der Mobilitätsagentur ist man sich über die "vereinzelten Fälle" bewusst, aber es würde sich für die MA 48, die für den Abtransport zuständig ist, im "üblichen Ausmaß" bewegen. Die Kosten für den Abtransport von illegal abgestellten Fahrrädern muss der Besitzer, in dem Fall das Unternehmen, tragen. Noch stellen die willkürlich in Gebüsche oder Flüsse geworfenen Räder in Wien kein Problem dar. Dies könnte aber auch daran liegen, dass es in Wien - verglichen mit anderen Metropolen - derzeit noch nicht entsprechend viele sind. In München ist die Anzahl der Obikes in kürzester Zeit auf 7.000 Stück hochgeschnellt. In Wien sind es aktuell 800 Fahrräder des Anbieters Obike und 700 von Ofo.

Laut Medienberichten plant Obike die Anzahl bis Frühjahr 2018 auf 7.000 zu erhöhen. "Uns gegenüber hieß es, dass es keine Aufstockung mehr geben wird", sagt die Mobilitätsagentur und geht davon aus, dass sich die Zahl nicht rapide erhöhen wird. Bei etwa 3.000 Fahrradständern, die jährlich in Wien hinzukommen, wäre die Platzfrage dann durchaus nicht einfach zu regeln. Betrachtet man die Fahrradstapel an den Ständern oder in Gebüschen im Vergleich zu den wenigen Rädern auf der Straße, stellt sich die Frage: Wer braucht die vielen Fahrräder?

Zweifel am Umgang mit Kundendaten

Neben der Anzahl der Räder wird ein weiteres Thema heiß diskutiert: Datenschutz. Das Geschäftsmodell und der Umgang mit User-Daten ist undurchsichtig. Obike speichert die Bewegungsdaten seiner Nutzer und bis jetzt ist unklar, was damit passiert. Obike soll bereits mehreren Städten die Daten angeboten haben. Diese sollen damit erkennen können, wo es neue Radwege benötigt. Wie die Städte mit dem Leihrad-Boom umgehen, ist allgemein noch unklar. Öffentliche Infrastruktur wird kommerziell genutzt, doch für die Städte springt derzeit wenig dafür raus. Noch befindet sich das Geschäftsmodel in Wien in der Startphase und es bleibt abzuwarten, was aus dem Wiener Leih-Boom wird.

In Melbourne hat man indes nicht lange gezögert und aus den Obikes kurzerhand ein Kunstwerk geschaffen: