Gute Knolle, schlechte Knolle

Rund zehn Prozent der weltweiten Treibhausgase werden durch weggeworfene Lebensmittel verursacht. Wie ein Gemüsebauer versucht, den Ausschuss zu minimieren, und was jeder von uns dazu beitragen kann.

von Gute Knolle, schlechte Knolle © Bild: Ricardo Herrgott

Mitte Oktober schloss Stephan Prischink die Kartoffelernte ab. Bereits in dritter Generation baut der Niederösterreicher Kartoffeln und Zwiebeln an. "In unserer Gegend wird klassisch Schweinezucht betrieben. Mein Großvater hat nach Alternativen gesucht und ist so auf den Gemüseanbau gekommen", sagt der Landwirt.

Seither pflanzen die Prischinks auf gut 100 Hektar Zwiebeln und unterschiedliche Kartoffeln von festkochend bis mehlig an. "Aus einer Knolle entstehen je nach Sorte zwischen zehn und zwanzig neue", erklärt er. Zu den beliebtesten zähle "Ditta", ein intensiv schmeckender Salaterdapfel, so Prischink.

Viel Ausschuss

Nachdem Stephan Prischinks Eltern, die nach wie vor auf dem Hof tätig sind, den Betrieb im kleinen Ort Rottersdorf übernommen hatten, bauten sie diesen weiter aus. Mittlerweile werden hier jährlich rund 8.000 Tonnen Kartoffeln und 1.000 Tonnen Zwiebeln geerntet und verpackt. Die Hälfte davon stammt aus eigenem Anbau, die andere Hälfte von Bauern aus der Region.

© Ricardo Herrgott Die Zwiebeln werden zuerst in der riesigen Halle, später in einem Kühllager aufbewahrt. Der Großteil davon wird schließlich an Spar geliefert

Nach der Ernte lagern die Zwiebel und Erdäpfel bis zu mehreren Monaten in den riesigen Hallen. Die jeweils bestellte Menge kommt noch vor dem Waschen und Verpacken zur Sortiermaschine. Dort entfernen Mitarbeiterinnen zunächst die schadhaften Knollen. "Rund ein Viertel unserer Kartoffel gelangen nicht in den Handel", sagt Prischink. "Sie weisen etwa eine grüne Stelle auf, sind faulig oder haben ein Loch vom Drahtwurm. Bei etlichen der Mängel würde es reichen, zweimal drüberzuschälen, und die Kartoffeln wären nach wie vor essbar."

25 Prozent der von Stephan Prischink geernteten Kartoffel sind nicht für den Verkauf im Supermarkt geeignet. Von den Zwiebel gelangen rund 15 Prozent nicht in die Regale der Lebensmittelgeschäfte.

Bei den Zwiebel ist der Ausschuss mit 15 bis 20 Prozent etwas geringer.

Auswirkungen auf das Klima

Lebensmittelverschwendung hat einen gravierenden Einfluss auf das Klima, erklärt Felicitas Schneider, Koordinatorin der Collaboration Initiative Food Loss and Waste am Thünen-Institut in Braunschweig: "Bei der Produktion werden respektable Mengen an Treibhausgasen freigesetzt. Man schätzt, dass die weltweit weggeworfenen Lebensmittel für zehn Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Dazu müssen viele Ressourcen wie Wasser, Düngemittel und Treibstoff bei der Produktion eingesetzt werden."

Lebensmittelverluste halbieren

Um das Problem in den Griff zu bekommen, wurden mittlerweile sogar politische Ziele definiert. So ist in der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen eine Halbierung der Lebensmittelverluste bis zum Jahr 2030 festgelegt. Zudem müssen die EU-Mitgliedsländer seit 2020 alle vier Jahre über ihre Lebensmittelabfälle berichten. Wie Österreich dabei abschneidet, ist allerdings bisher nicht bekannt, da die Einreichfrist für den Bericht bis Mitte 2022 läuft und daher noch keine Daten vorliegen.

»Es ist wichtig, Nahrungsmitteln gegenüber wertschätzend zu sein«

Seit über 20 Jahren beschäftigt sich Felicitas Schneider mit diesem Thema. Sie bemerkt, dass in den vergangenen Jahren das Bewusstsein sowohl in der Bevölkerung als auch bei Produzenten und Händlern deutlich zugenommen hat. "Im Produktionsbereich gibt es neue Technologien mit künstlicher Intelligenz, um den Absatz besser vorhersagen zu können", so Schneider. "Die Konsumenten kommen immer öfter zu dem Schluss, dass nicht alle Äpfel und Karotten gleich ausschauen müssen, um gut zu schmecken."

© Ricardo Herrgott Sind die Zwiebeln zu unförmig, zu klein, zu weich oder haben keine Schale, sind sie nicht für den Verkauf geeignet

Jeder Einzelne von uns sei gefragt, die Menge an weggeworfenen Lebensmitteln zu reduzieren, ist Schneider überzeugt: "Es ist wichtig, Nahrungsmitteln gegenüber wertschätzend zu sein. Wenn wir beim Obst und Gemüse auch jene mit ein paar Macken kaufen, dann wird der Handel nachziehen."

Die Expertin empfiehlt außerdem, vor dem Einkaufen einen Speiseplan zu erstellen. So werden tatsächlich nur jene Produkte erworben, die benötigt werden. Sollte dennoch einmal etwas übrig bleiben, lautet ihr Rat, es mit Freunden oder Nachbarn zu teilen.

Schälmaschine und Biogasanlage

Stephan Prischink macht sich ebenfalls seit Jahren Gedanken, wie er anfallende Gemüseabfälle verringern kann. Zwiebel und Kartoffel mit kleinen Mängeln spendet er an Sozialmärkte. Des Weiteren errichtete der Landwirt eine Schälmaschine. Hier werden jene Kartoffel, die etwa nicht der vom Lebensmittelhandel vorgegeben Größe entsprechen, geschält, verpackt und anschließend gekocht. "Damit beliefern wir die Gastronomie", so Prischink.

Der Rest, also jene Zwiebel und Erdäpfel, die ungenießbar sind, landen in der Biogasanlage. Zudem entwickelt der engagierte Bauer gerade eine Sortiermaschine, die mit künstlicher Intelligenz arbeitet. Diese kann den Unterschied zwischen kleinem und großem Mangel automatisch erkennen. So wird der Ausschuss zusätzlich minimiert - und noch mehr der Zwiebel und Kartoffel landen schließlich auf den Tellern.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News 45/2021.