Kramp-Karrenbauer will
bald CDU-Vorsitz abgeben

Politikerin will selbst die Wahl ihres Nachfolgers organisieren

Die Chefin der deutschen Christdemokraten (CDU), Annegret Kramp-Karrenbauer, verzichtet auf eine Kanzlerkandidatur bei der nächsten Bundestagswahl und wird auch den Parteivorsitz abgeben. Das habe Kramp-Karrenbauer am Montag im CDU-Präsidium mitgeteilt, erklärte ein CDU-Sprecher in Berlin.

von
Deutschland - Kramp-Karrenbauer will
bald CDU-Vorsitz abgeben

Kramp-Karrenbauer sagte demnach im CDU-Präsidium, es gebe "ein ungeklärtes Verhältnis von Teilen der CDU mit AfD und Linken". Sie sei strikt gegen eine Zusammenarbeit mit der rechten AfD und der Linken. Zudem sei offensichtlich, dass Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in eine Hand gehörten.

Sie werde zum Sommer den Prozess der Kanzlerkandidatur organisieren, die Partei weiter auf die Zukunft vorbereiten und dann den Parteivorsitz abgeben, hieß es weiter. Details wollte Kramp-Karrenbauer bei einer Pressekonferenz zu Mittag mitteilen.

Nächste Bundestagswahl im Herbst 2021

Die nächste Bundestagswahl steht in Deutschland regulär erst im Herbst 2021 auf dem Programm. Kramp-Karrenbauer hatte Ende 2018 den Parteivorsitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel übernommen. Sie wurde für zwei Jahre gewählt. Eine Neuwahl des CDU-Vorstandes steht beim Bundesparteitag Ende dieses Jahres bevor. Seit Sommer 2019 ist Kramp-Karrenbauer auch deutsche Verteidigungsministerin als Nachfolgerin der heutigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Merkel, die Deutschland seit 2005 regiert, will bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr kandidieren. Merkel sprach sich dafür aus, Kramp-Karrenbauer Ministerin bleibt. Das wurde am Montag aus der Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin ebenfalls bekannt. Merkel habe Kramp-Karrenbauer zudem ihren großen Dank ausgesprochen.

SPD befürchtet Rechtsruck bei CDU

Beim Regierungspartner SPD gibt es nach dem angekündigten Rückzug Kramp-Karrenbauers Befürchtungen wegen eines drohenden Rechtsrucks der Christdemokraten. Außen-Staatsminister Michael Roth, Vorstandsmitglied der Sozialdemokraten, nannte die Entwicklungen in der CDU auf Twitter "beunruhigend". Es werde jetzt "noch ungewisser, ob anständige Demokratinnen und Demokraten parteiübergreifend zusammenstehen im Kampf für Demokratie und gegen Nationalismus". Er spielte damit offensichtlich auf Äußerungen einiger CDU-Politiker an, die das Nein der Partei zu einer Zusammenarbeit mit der AfD infrage stellen.

Katja Kipping, Parteichefin der oppositionellen Linken, äußerte die Befürchtung, dass die CDU nach dem angekündigten Rückzug Annegret Kramp-Karrenbauers Kurs auf eine Koalition mit der AfD nimmt. "AKKs Verdienst war, dass sie die Abgrenzung der Union nach rechts gehalten und damit die Seele der Union bewahrt hat", sagte Kipping am Montag der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. "Der Kampf um AKKs Nachfolge wird eine Richtungsauseinandersetzung", fügte die Linken-Vorsitzende hinzu. Komme nun Friedrich Merz, "dann wird die CDU bald mit der AfD koalieren". Zuvor war bekannt geworden, dass Kramp-Karrenbauer nach den Querelen um Thüringen den Parteivorsitz in absehbarer Zeit abgeben und auf die Kanzlerkandidatur verzichten will. Der ehemalige Unions-Fraktionschef Merz war Kramp-Karrenbauer im Rennen um den CDU-Vorsitz unterlegen.

AfD-Bundestagsfraktionschef begrüßt Entscheidung

AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland begrüßte den Schritt Annegret Kramp-Karrenbauers und sieht nun Chancen für eine Annäherung der beiden Parteien. "Es ist völlig unsinnig und realitätsfern, auf Dauer nicht mit der AfD zusammen arbeiten zu wollen", erklärte Gauland am Montag in Berlin. Er fügte hinzu: "Ihre parteiinterne Politik der Ausgrenzung gegenüber unserer demokratischen Bürgerpartei hat sie nicht durchsetzen können." Kramp-Karrenbauer habe "die CDU mit ihrem Ausgrenzungskurs ins Chaos gestürzt", sagte Gauland weiter.

Die rechtskonservative CDU-Parteigruppierung Werteunion schlug unterdessen eine Mitgliederbefragung zur Klärung der Nachfolge Kramp-Karrenbauers vor. "Wir wünschen uns eine starke Einbindung der Mitglieder in den Findungsprozess", sagte Werteunion-Chef Alexander Mitsch am Montag der Nachrichtenagentur AFP. "Wichtig ist jetzt, dass es keine lange Hängepartie wird und dass auch die Konservativen und Wirtschaftsliberalen sich mit dem neuen Kanzlerkandidaten identifizieren können." Mitsch äußerte "Respekt" dafür, dass Kramp-Karrenbauer ihre persönlichen Ambitionen zurückgestellt und den Weg für einen starken Kanzlerkandidaten der Union freimacht".

Die Werteunion sieht sich selbst als "konservative Basisbewegung" in der CDU und ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU. Sie argumentiert, dass die CDU unter Merkel und Kramp-Karrenbauer zu weit nach links gerückt sei und wieder konservativere Positionen vertreten müsse. Sie firmiert als eingetragener Verein und zählt nicht zu den offiziellen Parteigliederungen. Anders als es die Beschlusslage der CDU vorsieht, schließt die Werteunion eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD nicht grundsätzlich aus. Der CDU-Führung ist die Werteunion seit Monaten ein Dorn im Auge.

Kritik an Kramp-Karrenbauer

Vorige Woche hatte die völlig überraschende Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten des ostdeutschen Bundeslandes Thüringen mit den Stimmen der CDU, aber auch der AfD, deren Landtagsfraktion von Partei-Rechtsaußen Björn Höcke geleitet wird, zu heftigen Debatten auch auf Bundesebene geführt. Kemmerich trat zurück. Die Ereignisse erschütterten auch die CDU. Dort wurden Rufe nach einem härteren Vorgehen der Bundespartei gegen die Werteunion laut - etwa in Form eines Unvereinbarkeitsbeschlusses. Kramp-Karrenbauer wurde wegen ihres Krisenmanagements kritisiert.

Neben Annegret Kramp-Karrenbauer waren als Kanzlerkandidaten der CDU/CSU auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, Merz, CSU-Chef Markus Söder und Gesundheitsminister Jens Spahn im Gespräch. Im Präsidium meldete keiner der Anwesenden seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur an, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen erfuhr.

Annegret Kramp-Karrenbauers politischer Weg

Annegret Kramp-Karrenbauer (57) hat ihren politischen Weg als junge Frau im Stadtrat ihres saarländischen Heimatortes Püttlingen begonnen. Als 19-Jährige war sie in die CDU eingetreten.

Ihrer Landespartei diente sie in den 1990er Jahren als Grundsatz-und Planungsreferentin. Nach einem kurzen Intermezzo im Bundestag gewann sie 1999 ein Mandat im saarländischen Landtag.

Im Jahr 2000 wurde Kramp-Karrenbauer als deutschlandweit erste Innenministerin in das Landeskabinett berufen. Es folgten weitere Landes-Ministerposten, 2011 wurde sie erste Ministerpräsidentin des kleinsten Flächenstaates der Republik.

Auch in der CDU machte "AKK", wie sie inzwischen weithin genannt wurde, Karriere. 2010 wurde sie ins Präsidium der Partei gewählt, 2011 übernahm sie den Landesvorsitz und wurde Mitglied im Bundesvorstand. Hier gründet sich das enge Vertrauensverhältnis zur damaligen Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Im März 2017 gewann die zierliche Frau die Landtagswahl im Saarland haushoch für die CDU. Im Februar 2018 wechselte sie nach Berlin, zunächst als CDU-Generalsekretärin. Als Merkel den Parteivorsitz aufgab, setzte sich "AKK" auf einem Bundesparteitag gegen den Konkurrenten Friedrich Merz als Nachfolgerin durch.

Im Juli 2019 folgte Kramp-Karrenbauer ihrer Parteifreundin Ursula von der Leyen im Verteidigungsministerium nach, obwohl sie zuvor immer wieder betont hatte, sie wolle sich auf den Parteivorsitz konzentrieren.

Wer wird nun Kanzlerkandidat der CDU/CSU?

Nur seit gut einem Jahr hat Annegret Kramp-Karrenbauer den CDU-Vorsitz inne - und die ganze Zeit war überschattet vom Ringen um die Kanzlerkandidatur der CDU/CSU. Als mögliche Anwärter dafür sind derzeit vier Namen im Gespräch.

Friedrich Merz (64): Jurist, Finanzexperte, glänzender Redner: Schon nach dem Verzicht Angela Merkels auf den Parteivorsitz hat sich der frühere CDU-Hoffnungsträger 2018 als Kandidat ins Spiel gebracht. Auf dem Höhepunkt des Parteispendenskandals war er im Februar 2000 als Nachfolger Wolfgang Schäubles zum Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion gewählt worden - und wurde 2002 von CDU-Parteichefin Merkel verdrängt. Der Wertkonservative zog sich danach von wichtigen Posten in Fraktion und Partei zurück und arbeitete als Rechtsanwalt. Von seinem Posten als Aufsichtsratschef des US-Finanzkonzerns Blackrock in Deutschland will er sich zum April zurückziehen, um sich wieder mehr der Partei zu widmen. Begonnen hatte er seine politische Laufbahn 1989 mit der Wahl ins Europaparlament. 1994 zog Merz für den nordrhein-westfälischen Wahlkreis Hochsauerland in den Bundestag ein.

Jens Spahn (39): Der ehrgeizige Gesundheitsminister hat sich als konservativer Kritiker der Kanzlerin profiliert und hatte im Rennen um den CDU-Vorsitz schon 2018 den Hut in den Ring geworfen. Als Stimme vieler Konservativer und Jüngerer in der Partei brachte sich der Münsterländer in mehr oder minder offener Abgrenzung zu Merkel für mögliche höhere Aufgaben in Stellung. Der langjährige Gesundheitspolitiker und frühere Finanzstaatssekretär profilierte sich mit provokanten Äußerungen zu Themen von der Zuwanderung bis hin zu Recht und Ordnung. Als Minister glänzte er mit einem Feuerwerk an Initiativen und Gesetzesnovellen. Der Jüngste in Merkels Kabinett sitzt im Bundestag schon seit 2002.

Armin Laschet (58): Der Aachener gilt als loyaler Stellvertreter Angela Merkels in der Bundes-CDU. Als Vorsitzender des stärksten Landesverbandes Nordrhein-Westfalen könnte der Ministerpräsident schon qua Amt einen Anspruch auf den Vorsitz der Bundespartei anmelden - wenn er denn wollte. Als Oppositionsführer in Nordrhein-Westfalen hatte er bis zum Wahlerfolg 2017 auf Landesebene zunächst viel Kritik ertragen und so manche Niederlage wegstecken müssen. Doch der Fußballfan gilt als beharrlich und geduldig. Laschet studierte Jus, arbeitete als Journalist und eroberte die politische Bühne schließlich als Bundestags- und Europa-Abgeordneter.

Markus Söder (53): Außerhalb Bayerns gilt der Chef der CDU-Schwesterpartei CSU vielen noch immer als Scharfmacher und Populist - mit markigen Aussagen hat sich der vierfache Vater über die Jahre hinweg das Image des Hardliners erworben. Auch in der CSU gehen die Meinungen über den ehrgeizigen Franken weit auseinander, doch der Jurist hat viele Unterstützer, zudem hat er sich als akribischer Arbeiter großen Respekt erworben. Spätestens seit seiner Wahl zum bayerischen Ministerpräsidenten im März 2018 feilt Stratege Söder an einem neuen Image, hat sich vom Haudrauf zunehmend zum sanfteren Landesvater gewandelt. Zuvor war der politische Ziehsohn von Ex-CSU-Chef Edmund Stoiber CSU-Generalsekretär, Europa-, Umwelt- und Finanzminister. Seit 1983 ist er CSU-Mitglied, von 1995 bis 2003 war er Chef der Jungen Union Bayern.