Isolierte Familie:
Kinder offenbar festgehalten

Im rätselhaften Fall der isoliert lebenden Familie auf einem Bauernhof in den Niederlanden ist nach einem Österreicher nun auch der 67 Jahre alte Vater festgenommen worden. Auch er werde der Freiheitsberaubung, Misshandlung und Geldwäsche verdächtigt, teilte die Polizei am Donnerstagabend in Assen in der ost-niederländischen Provinz Drenthe mit.

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Kriminalität - Isolierte Familie:
Kinder offenbar festgehalten

Die Polizei geht nun davon aus, dass die sechs, mittlerweile erwachsenen Kinder auf dem Hof in Ruinerwold gegen ihren Willen festgehalten worden waren. "Wir denken, dass die sechs Personen dort nicht aus freiem Willen gelebt haben", sagte Polizeisprecherin Nathalie Schubart am Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur in Assen. Die Motive sind weiter unklar. Aber die Polizei schließt auch nicht aus, dass die Hintergründe in einer Art Sekte liegen könnten. Es werde untersucht, "ob es hier um eine besondere Glaubens- oder Lebensgemeinschaft ging".

Der 58-jährige Österreicher Josef B. ist bereits in Haft. Erst wenige Stunden zuvor hatte der Haftrichter den Haftbefehl gegen ihn wegen Freiheitsberaubung bestätigt und die Untersuchungshaft verlängert.

Auf dem Hof

Auf dem Hof in der Provinz Drenthe hatten die Ermittler auch eine große Summe Bargeld sichergestellt. Da die Herkunft nicht bekannt sei, werde der 67-jährige Vater auch der Geldwäsche verdächtigt. Einzelheiten nannte die Sprecherin nicht.

Die sechs erwachsenen Kinder im Alter von 18 bis 25 Jahren würden versorgt und seien an einem sicheren Ort. Der Vater werde der Misshandlung verdächtigt, da er möglicherweise den Kindern ärztliche Versorgung vorenthalten hatte.

Der Österreicher Josef B. ist der Pächter des Bauernhofes in dem Dorf Ruinerwold, in dem Anfang der Woche der Vater und seine sechs Kinder entdeckt worden waren. Er dürfte selbst nicht dort gelebt haben. Die Familie soll neun Jahre lang isoliert von der Außenwelt in einem abschließbaren Raum gehaust haben.

»Es handelt sich um eine außergewöhnliche Situation«

Der mysteriöse Fall war am Sonntagabend ins Rollen gekommen, als einer der sechs in dem Bauernhaus lebenden jungen Menschen in einem Gasthaus des Dorfs Ruinerwold in der Provinz Drenthe um Hilfe bat. Bei der Durchsuchung des Gehöfts fand die Polizei in einem "kleinen, abgeschlossenen Raum" den Vater und die anderen Jugendlichen.

Die Polizei erklärte in einer Mitteilung, dass die Gruppe angebe, "eine Familie zu sein". "Es handelt sich um eine außergewöhnliche Situation", hieß es in der Erklärung. "Diese Menschen haben wahrscheinlich seit 2010 in diesem Haus gelebt, völlig isoliert von der Gesellschaft".

Drei weitere Personen sagten der niederländischen Nachrichtenagentur ANP unterdessen, sie seien Kinder des 67-jährigen Mannes. Sie hätten die Familie vor acht Jahren verlassen und nichts mehr von den anderen gehört.

Zwei Verhaftungen und ungeklärte Identitäten

Im Fall der isoliert auf einem Bauernhof in den Niederlanden lebenden Familie hat die Staatsanwaltschaft am Freitag per Twitter mitgeteilt, dass sie nun alleinig für Kommunikation zuständig ist. Am Donnerstag wurde zuvor über einen Österreicher die U-Haft verhängt und auch der 67-jährige Vater festgenommen. Es besteht jeweils der Verdacht der Freiheitsberaubung, der Misshandlung und Geldwäsche.

Letzteres Delikt wird den Verdächtigen zur Last gelegt, weil die Ermittler auch eine große Summe Bargeld auf dem Gelände sichergestellt hatten. Bei den sechs jungen Erwachsenen, die möglicherweise neun Jahre gegen ihren Willen auf dem Bauerhof in der niederländischen Provinz Drenthe festgehalten worden sind, handelt es sich um vier Frauen und zwei Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren. Das berichtete die stellvertretende Polizeichefin in Drenthe, Janny Knol, im niederländischen Fernsehen. Sie hätten gegenüber der Polizei angegeben, dass der 67-Jährige ihr Vater sei. Sowohl das Alter wie auch die Vaterschaft sind aber noch Gegenstand der Ermittlungen. Es gebe keinen Eintrag im Geburtenregister, der die Altersangaben bestätigen würde.

Ein Sonderteam mit insgesamt 30 Beamten ist mit den Ermittlungen betraut worden, die forensische Untersuchung des Bauernhofs wurde am Freitag fortgesetzt, schrieb die niederländische Polizei in einer Stellungnahme. Auf dem Hof sollen die Kinder jahrelang in einem abschließbaren isolierten Raum mit mehreren Kammern gehaust haben, berichtete Knol. Im Garten seien sie zwar dann und wann gewesen, das Gelände hätten sie aber nie verlassen.

Am Donnerstagabend wurde in mehreren Medien zudem ein Schreiben publiziert, das von "Brüdern, Schwestern und einem Sohn" des 67-Jährigen stammen soll. Das Schreiben, das unter anderem auf der Webseite des "Dagblad van het Noorden" veröffentlicht worden ist, enthält die Bitte, die Privatsphäre zu respektieren. Man habe den Fall mit Bestürzung zur Kenntnis genommen und sei vor einigen Tagen von einem Familienmitglied über die Identität der in Ruinerwold Gefundenen informiert worden. Der 67-Jährige soll demnach bereits in den 1980er-Jahren die Verbindungen zu seinen Verwandten abgebrochen haben. Vor acht Jahren sollen sich dann drei seiner Kinder von ihm abgesetzt haben.

"Moon-Sekte"

Was den verdächtigen Österreicher betrifft, so hält das österreichische Bundeskriminalamt (BK) inzwischen den Kontakt mit den niederländischen Behörden aufrecht. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werde es gegenüber den Medien aber keine weitere Informationen über das Vorleben des 58-jährigen Verdächtigen geben, sagte BK-Sprecher Vincent Kriegs-Au am Freitag gegenüber der APA. Am Donnerstag hieß es vom Landeskriminalamt (LKA) Oberösterreich, dass der Verdächtige in der Ortschaft Waldhausen im Bezirk Perg geboren wurde. Er habe ein kleines Bauernhaus in Pabneukirchen geerbt und 1983 verkauft, dann soll er laut LKA nach Wien übersiedelt sein. Laut APA-Recherchen ist der Mann dann aber wieder nach Oberösterreich zurückgezogen und lebte offiziell bis 2010 rund zehn Jahre wieder in einer Marktgemeinde im Bezirk Perg, dann folgte die endgültige Auswanderung in die Niederlande.

Zu möglichen religiösen Hintergründen schrieb die Vereinigungskirche in Österreich, die auch unter dem Namen "Moon-Sekte" bekannt ist, am Freitag in einer Aussendung, dass der Vater der Kinder "Mitte der 1980er-Jahre kurz Mitglied unserer Bewegung war, und dass er an psychischen Problemen litt". Er sei 1987 aus der Organisation ausgetreten. Sein Bruder sei indes weiter Mitglied der Vereinigungskirche, habe aber seit 1984 nichts mehr von seinem Bruder gehört. Der 58-jährige Österreicher sei weder mit der Vereinigungskirche verbunden noch sei er ein Mitglied. Ob "ein bestimmter Glaube" hinter dem Fall steckt, ist weiterhin Gegenstand der Ermittlungen.