Wer Amerika
wirklich regiert

US-Bestseller-Autor erlebte Weißes Haus unter Trump als "College"

In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur berichtet der US-Enthüllungsautor Michael Wolff über seine Erlebnisse im Weißen Haus, über seine Prognosen für die Kongresswahlen im November und seine These, dass der Job des amerikanischen Präsidenten überschätzt wird.

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Michael Wolff hat soeben eine Deutschland-Tour beendet. Die deutsche Übersetzung seines Weltbestsellers "Feuer und Zorn - Im Weißen Haus von Donald Trump" ist mit einer Startauflage von 300.000 Exemplaren erschienen.

Frage: Ihr Buch ist ein großer Verkaufserfolg, aber hat es irgendetwas verändert?

Antwort: Anfangs gab es ja dieses Bedürfnis, Trump rational zu erklären. Mein Buch hat vielleicht dazu beigetragen, dass die Leute jetzt sagen: "Es ist einfach nur furchtbar."

» Mein Buch hat vielleicht dazu beigetragen, dass die Leute jetzt sagen: "Es ist einfach nur furchtbar."«

Frage: Was war das Merkwürdigste, was Sie im Weißen Haus erlebt haben?

Antwort: Am aufschlussreichsten war es, mitzubekommen, wie die Leute rund um Trump zu der Erkenntnis gelangten, dass er wahrscheinlich nicht fähig ist, dieses Amt auszuüben. Das habe ich in dieser Zeit miterlebt. Sean Spicer zum Beispiel, der Sprecher, der jeden Tag kam und sagte: "So etwas kann man einfach nicht erfinden!"

Frage: Wie hat sich das angefühlt, als Sie da auf diesem Sofa saßen im Weißen Haus, wo wohl jeder Journalist der Welt gern gesessen hätte?

Antwort: Das Chaos war enorm, und die Leute haben sich abgrundtief gehasst. Man musste sich immer wieder selbst daran erinnern: Das hier ist das Weiße Haus. Es fühlte sich eher wie ein College an.

Frage: Es gibt den Vorwurf, dass Sie Ihre Quellen missbraucht und sich nicht an die Regeln des Fair Play gehalten haben.

»Alles was man tut, um an die Story zu kommen, ist meines Erachtens gerechtfertigt.«

Antwort: Diese Kritik kommt meist von Journalisten, die mein Buch liebend gern selbst geschrieben hätten. Zunächst einmal: Dies ist die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten, dies ist das Weiße Haus. Alles was man tut, um an die Story zu kommen, ist meines Erachtens gerechtfertigt. Aber: Ich habe nichts getan.

Frage: Sie haben Ihre Absichten nicht verhüllt, um überhaupt erst mal reingelassen zu werden? Sie haben nicht den Eindruck erweckt, dass Sie Trump gut finden?

Antwort: Nein. Ich war lediglich davon überzeugt, dass Donald Trump eine gute Geschichte sein würde, im Guten oder im Schlechten.

Frage: Sie waren da offen?

Antwort: Völlig. Ich habe um Zutritt gebeten, und sie haben mir Zutritt gewährt, dummerweise vielleicht. Aber ich habe mich nicht als jemand anderer ausgegeben als der, der ich bin. Wäre es aber nötig gewesen, hätte ich auch das getan.

Frage: Wenn der Präsident überhaupt nichts tut, wie Sie sagen, wer regiert dann zu dieser Stunde Amerika?

Antwort: Tja, eine der Lehren hieraus könnte sein, dass es eben nicht der Präsident ist, der Amerika regiert. Dass wir dem Präsidenten zu viel Gewicht beimessen. Vor einer Generation konnte man vielleicht noch mit gutem Grund sagen, dass der Präsident das Machtzentrum Nummer eins war. Aber jetzt gibt es Technologie, Finanzsektor, Medien, all diese Dinge. Das Interessante ist ja: Die Wirtschaft läuft, obwohl da dieser Kerl im Weißen Haus sitzt, der nichts tut.

Frage: Naja, einige Dinge hat er ja doch getan. Er ist aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen, und dann gab es die große Steuerreform zugunsten der Reichen.

Antwort: Die Steuerreform geht eher auf die Republikaner im Kongress zurück. Der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell hat gesagt: "Er ist ein Idiot, er wird alles unterschreiben, was wir ihm vorlegen." Und das Pariser Abkommen könnte eher eine symbolische Sache sein. Man kann noch nicht absehen, welche Auswirkungen das haben wird.

»Er ist ein Idiot, er wird alles unterschreiben, was wir ihm vorlegen.«

Frage: Können Sie sich einen Reim auf die neuesten Berichte aus Washington machen, wonach Trumps Schwiegersohn Jared Kushner keinen Zugang mehr zu streng geheimen Papieren hat?

Antwort: Von Anfang an hat es diesen Kampf der Profis gegen die Familie gegeben. Die Polit-Profis in Washington hassen die Familie, aus naheliegenden Gründen. Die haben von nichts auch nur den blassesten Schimmer. Das hier dürfte einmal mehr ein Versuch der Profis sein, die Familie zurückzudrängen.

Frage: In Ihrem ganzen Buch wird Angela Merkel nicht ein einziges Mal erwähnt. Ist sie dermaßen unwichtig für Trump?

Antwort: Natürlich, völlig unwichtig.

Frage: Haben Sie irgendeine Ahnung, was Trump über Deutschland denkt?

Antwort: Ja. Nichts.

Frage: Hier in Europa fragen sich alle: Wo sind eigentlich die Demokraten? Warum entwickeln die keine Strategie, um die nächste Präsidentschaftswahl zu gewinnen? Ist das nur der Eindruck von Europa aus?

Antwort: Das ist auch mein Eindruck, und ich habe keine wirkliche Antwort darauf. Vielleicht wird alles klarer werden nach den Kongresswahlen im November. Vielleicht kristallisiert sich dann eine neue Führungspersönlichkeit heraus.

» Ich glaube, die Demokraten könnten gewinnen.«

Frage: Was glauben Sie, wie die Wahlen ausgehen?

Antwort: Ich glaube, die Demokraten könnten gewinnen.

Frage: Und dann? Gibt es dann ein Amtsenthebungsverfahren?

Antwort: Ja. Wobei die Frage ist, ob die Demokraten ihn dann weghaben wollen oder als Symbol republikanischer Lächerlichkeit doch im Amt belassen.

Frage: Glauben Sie, dass Trump 2020 noch mal antritt?

Antwort: Nein. Er ist dann 74. Und er hat ja immer diese Fähigkeit besessen, sich zum Sieger zu erklären, egal wie katastrophal die Dinge auch stehen. Ich glaube, genau das wird er tun.

Frage: Sie meinen, er sagt dann: "Ich habe alles erreicht, ich kann abtreten"?

Antwort: Ja, so was in der Art.

Frage: Aber wenn er noch mal antreten würde, könnte er gewinnen?

Antwort: Ich würde sagen, auf keinen Fall. Aber ich habe mich schon einmal geirrt.

ZUR PERSON: Michael Wolff (64) ist ein New Yorker Autor. Er hat mehrere Bücher geschrieben, unter anderem über den Medienmogul Rupert Murdoch. Sein Buch "Feuer und Zorn - Im Weißen Haus von Donald Trump" wurde binnen weniger Wochen zu einem der meistverkauften Sachbücher der Literaturgeschichte. Wolff zeichnet darin auf der Grundlage von sieben Monaten Recherche im Weißen Haus und angeblich 200 Interviews ein chaotisches Bild der Machtzentrale. Kritiker werfen ihm Fehler und Ungenauigkeiten vor.

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