In der Zumutungsfalle

Anstatt das Tempo in Sachen Klimaschutz zu erhöhen, lädt der Kanzler zum Boxenstopp ins Kanzleramt. Und träumt weiter von der guten alten Zeit

von Kathrin Gulnerits © Bild: News/Matt Observe

Fünf Jahre müssen wir uns noch gedulden. Und dann? Ja dann blicken wir hierzulande mit leuchtenden Augen auf das Thema E-Fuels. In fünf Jahren nämlich werden wir diesen Treibstoff, der mit grüner Energie hergestellt wird, ganz anders sehen. Davon ist zumindest der Bundeskanzler überzeugt. Er setzt noch nicht allzu lange auf diese Technologie, aber dafür jetzt mit viel Vehemenz -und im Windschatten von Deutschland, wo der Verkehrsminister ähnlich denkt. Nämlich ähnlich rückwärtsgewandt. Folglich wurde auf der Zielgerade im EU-Pakt für das Aus des Verbrennermotors bei Neuzulassungen ab 2035 eine Ausnahme für E-Fuels hineinverhandelt. Die ÖVP im Autoland Österreich findet das gut. Der demonstrativ einberufene Autogipfel im Kanzleramt, um den "grünen" Verbrennerautos die große Bühne zu bereiten, ist konsequent. Wenn schon Trittbrettfahrer, dann diesmal richtig. In Deutschland denkt die FDP übrigens schon über Steuersubventionen für E-Fuels nach.

Zur Erinnerung: Österreichs Klimaziele sehen vor, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 48 Prozent zu reduzieren und bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Das Ganze soll jetzt also gelingen ohne Verbote, dafür mit Technologieoffenheit. Ohne einen erkennbaren Plan und jedenfalls vorerst ohne Klimaschutzgesetz. Oben drauf gibt es ein paar Sprüche für die Stammtische: "Das Klima ist global und nicht national", sagt der Kanzler, der das Ganze neuerdings gerne mit Untergangsszenarien framt. Zweifel sind angebracht. Wird das Klimaziel nicht erreicht - und darauf deutet derzeit alles hin -, muss Österreich zahlen. In Summe wird das Verfehlen der Klimaschutzziele das Land Milliarden kosten. Ein hoher Preis, um sich zum Schutzpatron der Autofahrer mit Ablaufdatum aufzuschwingen, um sich einmal mehr vom grünen Koalitionspartner abzugrenzen und um unter Beweis zu stellen, wie wenig ernst Klimapolitik seitens der ÖVP genommen wird. Ja, es braucht Forschung und Investitionen in neue Technologien. Auch spricht nichts gegen E-Fuels per se, auch wenn diese noch knapp, teuer und ineffizient sind. Die aktuelle Rechnung zeigt, dass man mit dem Strom eines Windrads 1.600 E- Autos oder 250 Autos mit E-Fuel-Antrieb betreiben könne. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir E-Fuels brauchen werden - vor allem für Flugzeuge und den Schiffsverkehr. Hier ist die Nachfrage schon jetzt weitaus höher als die Menge des produzierbaren synthetischen Kraftstoffs, der für bis 2035 angekündigte Projekte gebraucht wird. Wir können also noch nicht mal den Bedarf für die Industrie decken und liebäugeln mit dem Einsatz von E-Fuels für die Pkw-Fahrt zum nächsten Supermarkt? Der Markt wird es schon richten, denkt man sich wohl im Kanzleramt -und befeuert dennoch weiter fleißig das gute Gefühl, dass alles noch ein bisschen so bleibt, wie es schon immer war.

»Wo ist die Erzählung, die sich um Chancen dreht, nicht nur um Verzicht?«

Zielführender wäre es, eine Politik zu machen, die die Menschen in diesem Land endlich auf den Wandel vorbereitet. Mit Ehrlichkeit und klaren Ansagen, dass dafür auch Privilegien und Gewohnheiten über Bord geworfen werden müssen. Denn alles, was wir jetzt tun, wird uns einen Bruchteil dessen kosten, was es kosten würde, wenn wir weiter so tun wie bisher. Die Zeiten für Beschwichtigungen sind vorbei, in denen so getan wird, als wäre Klimapolitik nur ein Anliegen des grünen Koalitionspartners, und immer wieder erzählt wird, dass die Probleme sowieso erst irgendwann in ferner Zukunft auf uns zukommen werden. Aber wo ist die Erzählung, die sich um Chancen dreht und nicht ausschließlich um Verzicht - für den Einzelnen, für die Gesellschaft -und um Angst? Es geht um Klarheit, Planbarkeit und ja, auch um Zumutungen. Wenn wir immer nur sagen, was alles nicht geht, werden wir die Klimaneutralität nicht erreichen. Übrigens auch nicht mit einem Kanzler, der weiter von alten, aber mit Blick auf das Klima nicht zwingend guten Zeiten träumt.

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