„Für Regenbogenfamilien
ist es ein ständiges Coming-out“

In Wien hat das erstes Regenbogenfamilienzentrum Österreichs eröffnet

In einem idyllischen Hinterhof in Wien Margareten befindet sich seit wenigen Wochen der Eingang zu Österreichs erstem Regenbogenfamilienzentrum. Die beiden Geschäftsführerinnen Karin Mayer und Barbara Schlachter haben hier einen Ort zur Beratung von Familien mit gleichgeschlechtlichen Elternteilen geschaffen. Im Gespräch mit News erzählen sie warum es das Zentrum braucht und weshalb auch konservative Politiker für die „Ehe für alle“ sein sollten.

von Gleichberechtigung - „Für Regenbogenfamilien
ist es ein ständiges Coming-out“ © Bild: RbFZ

Eine Familie muss nicht gezwungenermaßen aus Vater, Mutter und Kind bestehen. Nur Mutter und Kind oder auch nur Vater und Kind ist schon eine Weile kein großes gesellschaftliches Thema mehr. Mutter, Mutter und Kind oder Vater, Vater und Kind hingegen schon. Gleichgeschlechtliche Paare und ihre Kinder sind zwar in vielen Bereichen mittlerweile Familien mit heterosexuellen Eltern gleichgestellt, haben aber immer noch mit rechtlichen, gesellschaftlichen und sozialen Hürden zu kämpfen. Um diese Familien zu unterstützen, eröffnete vor wenigen Wochen das Regenbogenfamilienzentrum (RbFZ). In dem Haus, das man durch einen idyllischen Hinterhof in Wien Margareten betritt, ist ein Raum für Beratung und Workshops entstanden.

„Ein ständiges Coming-out“

„Österreich ist prinzipiell ein familienfreundliches Land“, erläutert Karin Mayer, Geschäftsführerin des RbFZ, „Für Regenbogenfamilien kommen allerdings noch einige Dinge hinzu, die es für sie schwieriger machen“. Rechtliche Unklarheiten, Unsicherheit bei Behörden und auch soziale sowie gesellschaftliche Berührungsängste erschweren den Alltag für gleichgeschlechtliche Paare und ihre Kinder. „Für Regenbogenfamilien ist es ein ständiges Coming-out“ und so müsse man sich immer wieder erklären, gerade, wenn man Kinder hat.

© RbFZ Karin Mayer (links) und Barbara Schlachter leiten gemeinsam das Regenbogenfamilienzentrum.

Inspiriert war das Regenbogenfamilienzentrum von Berlin, wo es bereits seit einigen Jahren ein solches Zentrum gibt. Ausschlag dafür aktiv zu werden, gaben aber in erster Linie persönliche Erfahrungen. Schlachter, die das RbFZ gemeinsam mit Mayer leitet und zudem Obfrau des Vereins FAmOs (Familien Andersrum Österreich) ist, erinnert sich daran, wie schwierig es für sie war an Informationen zu kommen, bevor ihr Sohn 2009 zur Welt kam. Es gab hierzulande keine Einrichtung, die sie und ihre Partnerin beraten konnte und so wurde sie im Internet fündig und informierte sich über Heiminsemination, eine Methode der alternativen Befruchtung. Dies war alles noch bevor sie 2011 den Verein FAmOs mitgründete, der mittlerweile Mitglied des Familienpolitischen Beirates im Bundesministerium für Familien und Jugend (bmfj) ist.

Auch Mayer kennt die Schwierigkeiten aus erster Hand. 1995, also beinahe eine Generation vor Schlachter, kam ihr Sohn zur Welt. Die Samenspende kam aus dem persönlichen Umfeld. Heute hat ihr mittlerweile 22-jährige Sohn ein Vater-Sohn-Verhältnis mit dem Spender: „Dies war ursprünglich nicht geplant, sondern hat sich einfach so entwickelt“.

»Es ist sicherlich beruhigend zu wissen, dass die Stadt Wien und der Bezirk Margareten hinter unserer Arbeit steht«

Das Zentrum finanziert sich durch Förderungen des bmfj, der Stadt Wien und des Bezirkes Margareten. Als 2014 die damalige Stadträtin Sandra Frauenberger mitteilte, ein Beratungszentrum für Familien zu unterstützen, war die Freude bei den beiden Frauen groß. Ein Verein wurde gegründet und als 2016 die ersten Förderungen kamen, wurde alsbald mit dem Umbau der Räumlichkeiten im Haus nahe der Kettenbrückengasse begonnen. „Es ist sicherlich beruhigend zu wissen, dass die Stadt Wien und der Bezirk Margareten hinter unserer Arbeit steht", betont Mayer. Sie setzen aber auch auf private Förderungen und haben die Bank Austria ist als Sponsor an Board.

Studien zeigen keine Nachteile für Kinder in Regenbogenfamilien

Die Gründung des Vereins und der Aufbau des Zentrums war vor allem wichtig, weil häufig noch viele Vorurteile kursieren. Gegner der Ehe-Öffnung und Kritiker des Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare argumentieren häufig, dass Kinder einen Vater und eine Mutter bräuchten und jede andere Form dem Kind schade. Die Wissenschaft sieht dies allerdings anders: Sämtliche Studien zur Entwicklung von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften kommen zu dem Ergebnis, dass die Kinder keine Nachteile haben. Für die Entwicklung ist es demnach vollkommen irrelevant, ob die Eltern homo- oder heterosexuell sind.

»Sämtliche Studien zur Entwicklung von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften kommen zu dem Ergebnis, dass die Kinder keine Nachteile haben.«

Eine vom deutschen Justizministerium veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2009 erkannte sogar nicht nur keine nennenswerten Nachteile gegenüber Kindern aus „traditionellen“ Familien, sondern sogar Vorteile: Kinder aus Regenbogenfamilien haben ein höheres Selbstwertgefühl. Kinder zu stärken und ihnen zu zeigen, dass ihre Familie wie jede andere ist, ist auch Aufgabe des Familienzentrums. „Nicht in jeder Schulklasse gibt es Kinder mit gleichgeschlechtlichen Eltern“, so Schlachter, „Wenn Kinder im Regenbogenfamilienzentrum zusammenkommen sehen sie, dass sie nicht die einzigen sind“.

In einer Langzeitstudie aus den USA werden seit 1986 Familien lesbischer Paare begleitet. Die Studie konnte ebenfalls keinen negativen Einfluss auf die Kinder feststellen. Sie werden weder häufiger kriminell noch beeinflusst die sexuelle Orientierung der Eltern die des Kindes. Was Kinder allerdings negativ beeinflusst ist Diskriminierung im Alltag. Homophobie kann laut der Studie zu Verhaltensauffälligkeit führen.

Das Regenbogenfamilienzentrum sieht es nicht nur als seine Aufgabe die Familien zu unterstützen, sondern auch Zielgruppen die mit Regenbogenfamilien zu tun haben für die Thematik zu sensibilisieren. „Es geht darum, den Blick zu erweitern, zu zeigen, wie vielfältig eine Familie sein kann und so offener oder auch versteckter Diskriminierung entgegen zu wirken“, betont Mayer.

„Ehe für alle ist vor allem symbolisch wichtig“

Schritt für Schritt wurden in vergangen Jahren Regenbogenfamilien rechtlich anderen Familienformen weitgehend gleichgestellt. Eine eingetragene Partnerschaft wurde ermöglicht, heiraten können homosexuelle Paare allerdings nicht. „Die Ehe für alle ist vor allem symbolisch wichtig", so Schlachter. „Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare würde sicher etwas in den Köpfen verändern, denn Gesetze schaffen Wirklichkeit und gestalten die Realität.“ Es sei vor allem schwierig Kindern zu erklären, warum ihr Eltern nicht heiraten dürfen. „Mami, das ist total unfair“, kommentierte ihr Sohn das Bemühen um eine Erklärung warum seine Eltern nicht das gleiche dürfen wie andere Paare. „Selbst wenn ich sehr konservativ bin, dann sollte ich doch für die Ehe für alle sein, denn ich will doch, dass konservative Werte für möglichst alle Menschen gelten." Familienministerin Karmasin sei in Bezug auf ein vielfältiges Familienbild durchaus offen. Inwieweit die Unterstützung für das Regenbogenfamilienzentrum in Zukunft fortgeführt wird, hängt auch eng mit der Person im Familienministerium zusammen.

»„Selbst wenn ich sehr konservativ bin, dann sollte ich doch für die Ehe für alle sein, denn ich will doch, dass konservative Werte für möglichst alle Menschen gelten“«

Äußerungen gegen die Ehe für alle, insbesondere von Politikern, findet Mayer vor allem problematisch, weil sie Regenbogenfamilien als „zweitklassig“ darstellen. „Dies stört mich sehr, weil dies selbstverständlich auch die Kinder hören, deren Familien damit explizit oder implizit als zweitklassig hingestellt werden“, betont Mayer „und geht es hier um real existierende Kinder, denen schlichtweg Rechte vorenthalten werden.“ Anstatt ihnen das Gefühl zu geben keine „richtige“ Familie zu sein, muss der Raum gegeben werden, um Selbstbewusstsein und Selbstverständlichkeit zu schaffen. „Wichtig ist, dass die Eltern dazu stehen“ und somit auch ihre Kinder stärken und ein sicheres Gefühl vermitteln. Gleichbehandlung schafft das Selbstwertgefühl, das bereits in der erwähnten Studie nachgewiesen wurde. Und schafft vor allem Normalität.